Anfang Januar bereitete sich der BVB im spanischen Marbella auf die Rückrunde vor - und Lukasz Piszczek auf sein Comeback. Drei Monate fehlte der Pole seinem Team und musste mitansehen, wie nicht nur die Tabellenführung verspielt wurde, sondern auch, wie der Klub in eine handfeste Krise rutschte.
Wenige Wochen zuvor hatten sich die Westfalen von Trainer Peter Bosz getrennt und Peter Stöger als Nachfolger nach Dortmund geholt. Die Gründe der Talfahrt sind zum einen vielfältig und zum anderen hypothetisch.
Eine Hypothese lieferte zum Beispiel Boszs Co-Trainer Hendrie Krüzen, der in einem Interview mit der niederländischen Zeitung Tubantia behauptete, dass es beim BVB bergab ging, nachdem sich Piszczek im Oktober verletzt hatte. "Er hat die Spieler mitgenommen, war enthusiastisch, fiel dann aber aus", meinte Krüzen.
Piszczeks Wichtigkeit für die Schwarzgelben wird von der Statistik untermauert, dass Borussia Dortmund seit November 2016 nicht mehr in der Bundesliga verloren hat, wenn er auf dem Platz stand.
Mit neuem Trainer und fittem Piszczek kam Dortmund aus Spanien zurück und blieb - bei aller spielerischen Kritik - lange ungeschlagen. Nach zehn Partien in der Startelf, die Piszczek allesamt durchspielte, wollte sein Coach ihm im Europa-League-Spiel gegen Red Bull Salzburg eine Verschnaufpause gönnen. Ergebnis: 2:1 für Salzburg.
Dortmund hat in den letzten Jahren oft genug mit Piszczek verloren. Auch schon in dieser Saison, allerdings zuletzt im September in der Champions League.
Sowohl Krüzens Hypothese als auch die Statistik des unschlagbaren Piszczeks sind grundsätzlich erstmal Zufall. Dortmund hat seit dem siebten Spieltag nicht 26 Punkte weniger geholt als Bayern München, nur weil sich ihr 32-jähriger Rechtsverteidiger verletzt hat. Doch sie zeigen eines sehr deutlich: Lukasz Piszczek ist ein nicht zu unterschätzender Baustein im Team des BVB.
Die letzten Meister des BVB
Der Pole ist einer von sechs aktuellen BVB-Spielern, die der Meistermannschaft von 2011 angehörten. Und neben Roman Weidenfeller und Marcel Schmelzer einer von dreien, der seit 2010 durchgängig in Dortmund unter Vertrag stand. Nuri Sahin, Mario Götze und Shinji Kagawa hatten zwischenzeitlich den Verein verlassen.
Doch wer heute von den Führungsspielern in Stögers Mannschaft spricht, denkt wohl zuerst an Marco Reus. Oder an Kapitän Schmelzer. Vielleicht auch an Sahin, weil er sich gerade nach dem Bombenanschlag vor fast einem Jahr immer wieder öffentlich zu Wort meldete. Oder an Götze, weil ihm mit das größte fußballerische Talent im Kader zugesprochen wird. Piszczek hingegen hält sich eher im Hintergrund. Die Öffentlichkeit merkt also erst, wie wichtig er wirklich ist, wenn er ausfällt.
Als er im letzten April seinen Vertrag zunächst bis 2019 verlängerte, stellte Sportdirektor Michael Zorc aber genau das heraus: "Piszczu ist ein absoluter Musterprofi und damit auch ein Vorbild gerade für unsere vielen jungen Spieler. Er hat sich in seiner Zeit beim BVB sowohl sportlich als auch von seiner Persönlichkeit zu einem sehr angesehenen Führungsspieler entwickelt."
Diese Einschätzung erneuerte Zorc am vergangenen Dienstag nochmals: "Lukasz ist ein wirklich außergewöhnlicher Charakter. Ein Spieler, der immer und in jeder noch so schwierigen Situation unbedingt gewinnen will. Er ist eine Institution auf unserer rechten Abwehrseite."
Dennoch hatte man den Eindruck, dass die Vertragsverlängerungen von Schmelzer (bis 2021) und zuletzt von Reus (bis 2023) nochmal für deutlich mehr Schlagzeilen und für noch größeren Jubel bei den BVB-Fans gesorgt haben.
Piszczek: Der polnische Dede
Im Trainingslager in Marbella gab Piszczek, der für seine Nähe zu den Fans bekannt ist, ein Interview mit dem Fanmagazin schwatzgelb.de und sprach dabei auch über seinen Vertrag: "Momentan habe ich einen Vertrag bis 2019 und ich hoffe, dass meine Gesundheit mitspielt und ich den Vertrag erfüllen kann. Vielleicht, wenn der Verein will, dann würde ich noch ein Jahr verlängern. 2020 bin ich dann 35, da kann man langsam ans Karriereende denken."
Diesen Gefallen hat ihm der Verein jetzt getan. Bei seinem Karriereende wird er zehn Jahre bei den Westfalen verbracht haben. Unter den ausländischen Spielern steht schon jetzt nur noch einer vor Piszczek, der länger beim BVB unter Vertrag stand: Dede. Der Brasilianer trug sogar dreizehn Jahre schwarzgelb. Nicht erst mit der neusten Vertragsverlängerung dürfte Piszczek über einen ähnlichen Legendenstatus wie Dede bei den Fans verfügen.
Piszczeks Statistiken beim BVB
Wettbewerb | Einsätze | Tore | Vorlagen |
Bundesliga | 196 | 14 | 36 |
DFB-Pokal | 29 | 1 | 8 |
Champions League | 40 | - | 6 |
Europa League | 16 | 1 | 2 |
DFL-Supercup | 4 | - | 1 |
"Ich bin zwar kein gebürtiger Dortmunder, doch dieser Verein und diese Fans sind mir über die Jahre so sehr ans Herz gewachsen, dass ich mich seit Jahren als echter Borusse fühle und nie im Ansatz den Wunsch verspürt habe, den BVB verlassen zu wollen. Ich möchte meine Karriere in Dortmund beenden und freue mich auf ganz, ganz viele weitere emotionale Momente in Schwarzgelb", sagte Piszczek zu seiner Unterschrift.
Passlack, Toljan - wer tritt in Piszczeks Fußstapfen?
Für den BVB ist die Nachricht von Piszczeks Verlängerung durchweg positiv. Es ist zwar schon erkennbar, dass die Borussen sich auf ein Leben ohne ihre Nummer 26 im Kader vorbereiten.
Mit Felix Passlack ist ein potentieller Nachfolger auch in der nächsten Saison noch an Hoffenheim ausgeliehen, um dort Bundesligaerfahrung zu sammeln. Mit Jeremy Toljan lernt Piszczek einen anderen möglichen Erben für die rechte Abwehrseite selbst an. Auch wenn der 23-Jährige es noch nicht geschafft hat, Piszczek ernsthaft Konkurrenz zu machen.
In Dortmund hoffen sie wohl, dass sich die personelle Frage auf dieser Position in den kommenden zwei Spielzeiten von selbst klärt, weil man die Weichen dafür gestellt hat. Ähnlich wie es ab 2008 bei Dede war, der vom jungen und aufstrebenden Marcel Schmelzer auf der linken Seite verdrängt wurde.
Aber bis dahin hat der Klub die Sicherheit, auf Piszczek vertrauen zu können. Wie am vergangen Wochenende, als Piszczek gegen Eintracht Frankfurt wieder von Anfang an spielte, 90 Minuten lang. Und weil der Fußball bekanntlich die besten Geschichten schreibt, gewann der BVB sofort wieder, durch die Vorlage von Piszczek auf Michy Batshuayi zum entscheidenden 3:2.