Außerdem erklärt Harit sein Formtief in der vergangenen Saison, den positiven Einfluss des neuen Trainers David Wagner und einen Wechsel zu seinem Herzensklub Wydad Casablanca.
Herr Harit, Sie haben in Ihrer Jugend insgesamt für fünf Pariser Vereine in neun Jahren gespielt - unter anderem auch kurz bei Paris Saint-Germain. Wie kam es damals zu diesen häufigen Wechseln?
Amine Harit: Es ging in Argenteuil los, weil ich dort in der Nähe gewohnt habe. Als wir nach Paris gezogen sind, hatte ich ein Probetraining bei Esperance Paris im 19. Arrondissement und spielte dort fünf, sechs Jahre lang. Bei PSG war ich letztlich nur ein halbes Jahr.
Durchgefallen?
Harit: Nein. Mein Vater fuhr mich nicht zu PSG, weil der Weg für ihn zu lang war. Deshalb konnte ich dort nicht bleiben. Wir hatten dreimal Training pro Woche und er konnte mich nicht jedes Mal dorthin bringen, weil es schlicht zu kompliziert für ihn war. Also musste ich aufhören und bin wieder für einige Zeit zurück zu Esperance gegangen. Anschließend habe ich mich für zwei Jahre Red Star Paris angeschlossen.
Amine Harits Anfänge: Nantes, Clairefontaine, U19-EM
Dort wurden Sie schließlich vom FC Nantes entdeckt.
Harit: Genau. Ich ging zunächst mit 13 oder 14 zu Red Star, weil Esperance in einer etwas schwächeren U15-Liga spielte und ich mich auf einem höheren Niveau weiterentwickeln wollte. Das hat mir auch sehr geholfen. Nantes ist dort dann auf mich aufmerksam geworden. Zu diesem Zeitpunkt pendelte ich zwischen dem INF Clairefontaine, das ist das nationale Fußballzentrum, das auf die Ausbildung französischer Spieler spezialisiert ist, und Red Star. Bei einem Spiel kam ein Scout von Nantes zu meinem Vater und sagte, dass sie Interesse an mir haben. Mit 15 habe ich dann dort für das Nachwuchsleistungszentrum unterschrieben. Meine Eltern kamen mich dort einmal im Monat besuchen. Ich war die ganze Zeit da und bin dort auch zur Schule gegangen. Das war ein neues Leben für mich.
Und anfangs schwer?
Harit: Nein, denn ich war durch die Zeit in Clairefontaine seit zwei Jahren an diesen Ablauf gewöhnt. Damals war ich die ganze Woche über in Clairefontaine und nur am Wochenende zu Hause. Natürlich war es trotzdem etwas kompliziert, wenn du auf einmal so weit weg von deiner Familie bist und dich in einer Welt wiederfindest, in der es viel Konkurrenz gibt und jeder um seinen Platz kämpft. Zu Beginn haben Spieler meines Alters bereits bei den Älteren mitgekickt, so dass ich mir schon ein paar Fragen gestellt habe. Es war nicht einfach, aber letztlich habe ich mich an das höhere Niveau gewöhnt und drei Jahre im NLZ absolviert, bevor ich zu den Profis kam.
Nach drei Jahren in Nantes kamen Sie zu den ersten Einsätzen für die französischen U-Nationalmannschaften. 2016 feierten Sie gemeinsam mit Kylian Mbappe und Marcus Thuram bei der U19 den Gewinn der Europameisterschaft und nur wenige Wochen später Ihr Debüt bei den Profis. Hätten Sie damals gedacht, dass diese Saison bereits Ihre letzte für Nantes sein wird?
Harit: Natürlich nicht. Ich dachte, dass ich zwei, drei Jahre in Nantes bleibe, um mich an das Niveau zu gewöhnen. Es ging jedoch alles sehr schnell. Ich kam sofort auf viele Einsätze und habe eine komplette Saison mit über 30 Partien gespielt. Normalerweise spielt ein junger Kerl wie ich zu Beginn seiner Profikarriere zehn, zwölf Spiele. Ich hatte zwar Höhen und Tiefen, aber am Ende der Spielzeit hatte ich Lust auf mehr und wollte eine neue Herausforderung.
Amine Harit: "Er hat mir gezeigt, was es heißt, Profi zu sein"
Die Saison war sportlich alles andere als leicht. Nach der Hinrunde stand man tief im Tabellenkeller und Trainer Rene Girard wurde entlassen. Dann kam Sergio Conceicao, über den Sie einmal sagten, er habe Ihnen in Sachen Einstellung sehr geholfen. Was hat er konkret getan?
Harit: Er hat alles im Verein umgekrempelt: die Art und Weise des Arbeitens, unsere Verhaltensweisen und er hat einen völlig anderen Fußball als zuvor spielen lassen. Dazu ist er ein sehr harter und charakterstarker Trainer. Dank ihm habe ich extrem viel gelernt, auch wenn zwischen uns nicht immer alles rosig war und wir uns auch gestritten haben. Doch letztlich war alles, was ich mit ihm erlebt habe, positiv. Er hat mir gezeigt, was es heißt, Profi zu sein. Am Ende sind wir sogar noch Siebter geworden.
Inwiefern haben Sie denn den Start Ihre Profikarriere auch etwas zu sehr auf die leichte Schulter genommen?
Harit: Ich war damals 18 Jahre alt, das ist wirklich noch sehr jung. Ich kam in eine Kabine mit vielen Älteren, aber ich kam als U19-Europameister und mit viel Selbstvertrauen. Dann habe ich sofort gespielt und es lief super für mich. Daher dachte ich, dass das alles relativ einfach wäre. Das ist es auch, wenn alles glatt läuft. Wenn es aber Gegenwind gibt und nicht mehr alles gelingt, dann sieht man, ob man ein Mann ist - und ich war damals noch ein Kind. Ich habe Fehler gemacht, nicht nur in dieser Saison. Doch ich habe versucht, aus all diesen Fehlern wirklich etwas zu lernen. Heute denke ich, dass ich zu einem Mann geworden bin.
Amine Harit über den frühen Umgang mit Ruhm und Geld
Sie sagten mal in einem Interview, dass Sie in Nantes das Image eines kleinen Idioten hatten, der abends ausgeht und nicht seriös ist. Wie kam es zu dieser Wahrnehmung?
Harit: Ich hatte einen Fehler gemacht - und Sergio Conceicao war mein Trainer. (lacht) Er ist nicht unbedingt jemand, der in solchen Fällen mal ein Auge zudrückt. Ich bin unter der Woche abends ausgegangen. Wir hatten am Freitag ein Spiel und ich war mittwochs unterwegs. Der Trainer hat mich nicht spielen lassen, aber erst nach der Partie davon erfahren. Danach wurde es heiß für mich, denn er steckte mich zehn Tage lang in die zweite Mannschaft.
Haben Sie damals verstanden, dass dies ein Fehler war?
Harit: Um ehrlich zu sein nicht wirklich, denn ich war jung und für mich war das keine schlimme Sache, zumal ich auch nicht verletzt war. Doch als ich älter wurde, habe ich es nach und nach kapiert, dass es einfach nicht geht, mittwochs fortzugehen, wenn freitags ein Spiel ansteht. Das war eine kleine Dummheit mit großen Folgen, denn es wurde überall darüber berichtet. Das hat meiner Familie und auch mir wehgetan. Ich bekam ein Image, dass mich einige Monate lang verfolgt hat.
Welchen Einfluss auf Ihr damaliges Verhalten hatte denn auch der erhöhte Bekanntheitsgrad und das viele Geld, das man plötzlich verdient?
Harit: Damit umzugehen ist in der Tat nicht einfach. Plötzlich taucht man jede Woche im Fernsehen auf und es wird genau beäugt, ob man etwas richtig oder falsch macht. Das ist für einen 18-, 19-Jährigen, der plötzlich in diese Welt eintaucht, schwierig. Ich habe aber keine wahnsinnigen Aktionen gebracht, sondern eher Fehler gemacht, die ein junger Kerl manchmal macht - wie abends länger wegzugehen zum Beispiel. Zudem hatte ich immer die Unterstützung meiner Eltern und Familie, die mich wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt haben.