Heiko Herrlich schmunzelte noch, als er von seinem "unerlaubten" Ausbruch aus der Quarantäne berichtete. Auf der Pressekonferenz des FC Augsburg vor dem Restart der Bundesliga erzählte der neue Trainer des Klubs freimütig, wie er das Teamhotel für den Kauf von Hautcreme und Zahnpasta verließ. Ein Fehler, der ihn nun sein Debüt beim FCA kostet.
Herrlich wird das Training am Freitag nicht leiten und auch beim Spiel gegen den VfL Wolfsburg am Samstag (15.30 Uhr) nicht im Stadion sein. "Ich habe einen Fehler gemacht, indem ich das Hotel verlassen habe", wurde Herrlich acht Stunden später in einer Pressemitteilung zitiert: "Ich bin in dieser Situation meiner Vorbildfunktion gegenüber meiner Mannschaft und der Öffentlichkeit nicht gerecht geworden."
Er wolle nach dem Verstoß gegen die Quarantäne-Regeln des Hygiene-Konzepts der DFL nun konsequent handeln. Es ist eine bittere Entscheidung, Herrlich hatte nach wochenlangem Warten auf die erste Partie mit dem FCA gebrannt.
Als "verrückte Zeit" erlebte der 48-Jährige die vergangenen Wochen seit seiner Verpflichtung am 10. März, wie er am Donnerstag berichtete. "Ich bin, wenn man es genau nimmt, auch ein Risikopatient", sagte Herrlich, wegen des Tumors habe er ein beschädigtes Immunsystem. Neben ihm auf dem Podium lag seine Corona-Maske, vom Pressesprecher trennte ihn eine Plexiglasscheibe. Dann erzählte er überraschend von seinem unerlaubten Ausflug.
Dabei achten sie in Augsburg peinlich genau auf die Einhaltung des Hygienekonzepts. "Ich habe ihm bis heute noch nicht einmal die Hand geschüttelt", sagte Herrlichs Spieler Rani Khedira bei Sky Sport News HD, "es ist unheimlich schwierig für ihn, uns näher kennenzulernen - und wir ihn." Der Trainer spricht von einer "komischen Situation", doch er habe beschlossen, "das Risiko einzugehen, weil ich mich auf die Aufgabe freue".
Augsburg letzter der Rückrundentabelle
Doch diese Aufgabe hat es in sich: Der FCA ist Letzter der Rückrundentabelle. "Unsere Lage ist gefährlich, wir brauchen Punkte", sagte Herrlich, für den der Restart rund eineinhalb Jahre nach seinem Aus bei Bayer Leverkusen ein ganz persönlicher Neuanfang werden sollte.
Nun legt seine Mannschaft ohne ihn los. "Fußball ist unsere Leidenschaft", sagte er der Süddeutschen Zeitung: "Wenn wir daran denken, wieder zu spielen, kommt das kleine Kind im Mann wieder raus, das auf dem Schulhof gegen die Nachbarklasse mit einer Dose gespielt hat." Selbst bei Geisterspielen.
Dabei war doch die besondere Atmosphäre in der Augsburger WWK-Arena "ein wichtiger Grund, warum ich hergekommen bin", wie Herrlich betonte. Jetzt hat er Sorge vor "Farcespielen" wie dem "Nichtangriffspakt" zwischen Deutschland und Österreich bei der WM 1982. "Das ist Pionierarbeit für jeden Trainer", sagte er über die ungewöhnliche Vorbereitung.
Diese war reich an kuriosen Momenten. Herrlich hat zwar inzwischen eine Wohnung in Augsburg, pendelte aber hin und wieder zu seinem bisherigen Lebensmittelpunkt ins österreichische Kufstein. Anfangs sei er an der Grenze kontrolliert worden, berichtete er, "da wurde auch Fieber gemessen". Irgendwann hätten ihn die Grenzer aber erkannt.
Seiner Mannschaft hat sich der Nachfolger von Martin Schmidt über viele Gespräche "mit Sicherheitsabstand" anzunähern versucht. Bei Passquote und Zweikampfwerten, wo der FCA jeweils Liga-Schlusslicht ist, hat er "Fortschritte" ausgemacht. Herrlich, sagte Khedira, "achtet auf Kleinigkeiten und will uns jeden Tag besser machen". Nun muss er sich für eine Zeit gedulden.