Andriy Voronin im Interview: "Ich wollte zweimal aus Gladbach abhauen"

Von Stanislav Schupp
Andriy Voronin spielte zwischen 1995 und 2000 bei Borussia Mönchengladbach.
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Im Folgejahr ging es zurück nach Deutschland, per Leihe zu Hertha BSC. Dort waren Sie unter Lucien Favre gesetzt und schossen die Berliner mit elf Toren in 27 Spielen auf Rang vier und damit in die Europa League. In der Öffentlichkeit musste Favre in jüngster Vergangenheit viel Kritik einstecken. Wie haben Sie ihn in Erinnerung?

Voronin: Er war wie alle Schweizer, die ich kenne: sehr intelligent und höflich. Wenn er versuchte, laut zu werden, kam das etwas komisch rüber, weil er eigentlich ein ruhiger Typ ist. Er hat uns Spieler immer gesiezt. Ich habe mich sehr gefreut, dass er solch eine gute Trainerkarriere hingelegt hat.

Hertha konnte sich nach dem Verpassen der Königsklasse keine feste Verpflichtung leisten, obwohl Sie unbedingt bleiben wollten. Sie gingen zurück nach Liverpool, ehe Dynamo Moskau Sie im Januar 2010 holte. Weshalb haben Sie sich für den Schritt nach Russland entschieden?

Voronin: Das Angebot war aus finanzieller Sicht zu lukrativ, um es abzulehnen. Meine Familie wollte zunächst nicht aus Deutschland wegziehen. Mein Berater zweifelte am Sinn dieses Transfers. Ich wusste allerdings, dass ich weder der beste Spieler Europas war, noch die Champions League gewinnen würde. Andererseits passte Moskau wegen der Sprache und Mentalität perfekt zu mir.

Trotz der genannten Aspekte kehrten Sie zweieinhalb Jahre später erneut nach Deutschland zurück und ließen sich an Fortuna Düsseldorf verleihen. Wieso?

Voronin: Ich hatte gewisse Probleme mit dem Vorstand von Dynamo. Ich war Kapitän und wollte immer das Beste für die Mannschaft und den Verein. Dementsprechend wurde meine Meinung stets geschätzt und gefragt. Auf einmal hat sich die Situation um 180 Grad gedreht und ich sollte den Verein so schnell wie möglich verlassen. Was genau vorgefallen ist, weiß ich immer noch nicht. Das wissen vermutlich nur die Leute, die dafür verantwortlich waren. Moskau wollte mich zunächst verkaufen, aber ich war bereits 33 Jahre alt und habe gut verdient, weshalb sich das schwierig gestaltete. Dank meines Beraters hat sich dann die Möglichkeit ergeben, nach Düsseldorf zu gehen.

Voronin: "Den Discobesuch bereue ich definitiv"

Die nächste Station am Rhein. In Düsseldorf trafen Sie erneut auf Ihren einstigen Förderer aus Gladbacher Zeiten, Norbert Meier. Bei der Fortuna lief es zunächst gut, zum Jahreswechsel standen Sie allerdings nicht mehr im Kader. Sie mussten aufgrund sportlich enttäuschender Leistung ein Straftraining absolvieren und wurden nach einem Discobesuch trotz Krankschreibung zu einer Geldstrafe verdonnert. Gibt es Dinge, die Sie bereuen?

Voronin: Den Discobesuch bereue ich definitiv, das war von mir als erfahrener Spieler nicht professionell. Dafür habe ich mich anschließend entschuldigt. Allerdings war vorher bereits einiges zwischen Meier und mir vorgefallen. Er hat versucht, mich vor der Mannschaft kleinzumachen und seine Autorität zu untermauern, obwohl ich nie etwas gegen ihn gesagt habe. Irgendwann hatte ich die Schnauze voll und habe gekontert. Ich bin ihm für alles dankbar, was er zu Beginn meiner Karriere für mich getan hat. Sein Verhalten in Düsseldorf war allerdings sehr billig. Ich wollte, dass er mich in Ruhe lässt, ich war ohnehin nur ausgeliehen. Ich kam nur zu ihm, weil er wollte, dass ich der Mannschaft zum Klassenerhalt verhelfe. Für mich war klar, dass ich definitiv nach Moskau zurückkehren werde. Rückblickend war es ein Fehler, nach Düsseldorf zu gehen

In Düsseldorf blieben Sie in elf Einsätzen torlos und wurden für nicht gut genug befunden. In Moskau trafen Sie nach Ihrer Rückkehr in 17 Spielen siebenmal. 2015 mussten Sie Ihre Karriere wegen einer Nackenverletzung beenden. Kurzzeitig bestand sogar die Gefahr, dass Sie im Rollstuhl landen.

Voronin: Mir wurde ein Wirbel im Nacken entfernt. Eigentlich wäre ich das Risiko eingegangen, nach einem Gespräch mit meinem Berater und meiner Familie habe ich mich allerdings dazu entschieden, aufzuhören. Ich war nicht auf ein Karriereende vorbereitet und hatte auch noch Kraft und Lust, ein Jahr weiterzumachen. Ich glaube jedoch nicht, dass mich nach solch einer komplizierten Operation und mit 35 Jahren noch irgendein Verein unter Vertrag genommen hätte. Wenn ich heute mit bei Dynamo im Training mitspiele, bin ich immer noch in Form, ich müsste nur ein paar Kilo abnehmen.

Für die ukrainische Nationalmannschaft bestritten Sie 74 Länderspiele, erzielten acht Tore und nahmen an der Weltmeisterschaft 2006 sowie der Europameisterschaft 2012 teil. Was trauen Sie Ihrem früheren Sturmkollegen und heutigen Nationaltrainer Andriy Shevchenko und der Mannschaft bei der EM 2021 zu, nachdem der erste Auftritt gegen die Niederlande trotz 2:3-Niederlage vielversprechend war?

Voronin: Die Mannschaft hat eine gute Mischung aus Talent und Erfahrung. Ich freue mich, dass viele Jungs bereits in Europa spielen. Das ist eine wichtige Voraussetzung für eine gute Nationalmannschaft, denn die Qualität in Europa ist eine gänzlich andere. Ich hoffe, dass die Ukraine in vier bis sechs Jahren eine erfahrene Elf auf die Beine stellen kann. Das erste Spiel gegen die Niederlande hat gezeigt, in welche Richtung es gehen kann. Wenn die Ukraine die Gruppenphase übersteht, dann ist alles möglich. So wie bei der WM 2006, als wir das Viertelfinale erreicht haben.

Was zeichnete Shevchenko als Spieler aus?

Voronin: Er war ein großartiger Spieler, der eine tolle Karriere hingelegt hat. Shevchenko war einer der Besten der Welt. Wir haben knapp zehn Jahre zusammen gespielt und hatten stets guten Kontakt auf und neben dem Platz, auch wenn wir nicht beste Freunde waren.