Der FC Bayern München hat seine Ergebniskrise längst hinter sich gelassen. In den vergangenen sechs Pflichtspielen gab es sechs Siege bei 20:4-Toren. Doch warum läuft es jetzt auch in der Bundesliga besser als in den fünf sieglosen Partien der bisherigen Saison? SPOX und GOAL machen den Datencheck.
Der FC Bayern München ist wieder in der Spur. 5:0 gegen die Überflieger des SC Freiburg, 6:2 gegen einen 1. FSV Mainz 05, der in der Tabelle weit oben steht und auch in der Champions League holen die Bayern weiterhin ausschließlich Siege.
Es scheint so, als hätte der Rekordmeister aus seiner Ergebniskrise vor einigen Wochen gelernt. Doch woraus genau eigentlich? Angesprochen auf das aktuelle System betonte Julian Nagelsmann nach dem 3:0 in Barcelona, dass man in dieser Saison "immer ähnlich gespielt" habe. Jetzt würden im Vergleich zu vorher lediglich die Ergebnisse stimmen. Kaum Veränderungen also, sagt der Trainer.
Joshua Kimmich äußerte sich auf der Pressekonferenz vor dem Duell mit Inter Mailand ähnlich. "Es ist kein Zufall, dass wir im Flow sind", sagte der Mittelfeldmann: "Natürlich haben davor die Ergebnisse nicht ganz gepasst, aber auch da war die Art und Weise nicht so schlecht - beziehungsweise ein Prozess in die richtige Richtung."
SPOX und GOAL schauen in die Opta-Daten von FBref: Gibt es einen Unterschied zu vorher? Dafür stellen wir die vier Unentschieden sowie die Niederlage beim FC Augsburg den letzten fünf Pflichtspielsiegen gegenüber. Wobei der Pokalsieg in Augsburg aus Mangel an Daten nicht mit einbezogen wird. Die Ergebnisse der verglichenen Spiele im Überblick:
- Ergebniskrise: 1:1 gegen Gladbach, 1:1 bei Union, 2:2 gegen Stuttgart, 0:1 in Augsburg, 2:2 in Dortmund
- Fünf Siege: 4:2 in Pilsen, 5:0 gegen Freiburg, 2:0 bei Hoffenheim, 3:0 in Barcelona, 6:2 gegen Mainz
FC Bayern: Deutliche Unterschiede in der Offensive
Schon beim Blick auf die wichtigsten Offensivdaten fallen erste kleine Unterschiede auf. Während der Ergebniskrise hatten die Bayern deutlich mehr Ballbesitz und mehr eigene Abschlüsse. Das ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass die Spielweise der Gegner offensiver ausgerichtet war als in den sieglosen Partien. Der FC Barcelona ragt mit 52 Prozent Ballbesitz gegen die Bayern heraus.
Trotzdem kamen die Münchner damals auf einen geringeren Expected-Goals-Wert (xG) als zuletzt. Ein Grund dafür war, dass man häufig aus schlechten Positionen den Torerfolg suchte. Im Schnitt schloss man aus zwei Metern mehr Distanz ab als jetzt.
FC Bayern: Leistungsdaten in der Offensive
Statistik pro 90 Minuten | Ergebniskrise (fünf Spiele) | Die letzten fünf Spiele |
Ballbesitz | 68,2 % | 61,6 % |
Abschlüsse | 20,2 | 18 |
Durchschnittliche Distanz (in m) | 16,9 | 14,8 |
Expected Goals | 1,7 | 2,5 |
Tore | 1,2 | 4 |
Dass die Bayern in den nicht erfolgreichen Partien nur 1,2 Tore pro 90 Minuten erzielten, lag also nicht nur am Pech und einer Formkrise, sondern auch daran, dass weniger hochwertige Chancen herausgespielt wurden. Und das, obwohl die Münchner damals deutlich mehr Ballkontakte im Angriffsdrittel hatten als jetzt - nämlich 271 im Vergleich zu 197 pro 90 Minuten.
Angesichts der nun besseren Ergebnisse könnte die Hypothese aufgestellt werden, dass die Bayern ihre Angriffe besser auswählen und sie Fortschritte damit gemacht haben, den Ball durch die eigenen Reihen in Abwehr und Mittelfeld laufen zu lassen. Auf der anderen Seite muss auch hier beachtet werden, dass mit Barça, Freiburg, Mainz und Hoffenheim vier Teams dabei waren, die den Rekordmeister defensiv mehr gefordert haben. Darüber hinaus waren einige Spiele früh entschieden, weshalb in der Offensive kein großes Risiko mehr nötig war.
FC Bayern: Leistungsdaten in Ballbesitz
Statistik pro 90 Minuten | Ergebniskrise (fünf Spiele) | Die letzten fünf Spiele |
Pässe | 686 | 614 |
Vorwärtspässe | 55 | 40 |
Genauigkeit | 84,5 % | 85,7 % |
Ballkontakte Angriffsdrittel | 271 | 197 |
Ballkontakte Mittelfeld | 374 | 317 |
Ballkontakte Abwehrdrittel | 266 | 331 |
FC Bayern: Defensiv stabiler - aber auch mit mehr Spielglück
Defensiv mehr gefordert zu sein bedeutet unter anderem, weniger Ballbesitz zu haben - und das trifft auf diesen Vergleich zu. Bayern scheint in der Verteidigung dennoch etwas besser zu stehen. Nicht nur die Anzahl der Gegentore wurde fast halbiert, sondern auch die xG pro Schuss des Gegners sind weniger geworden - 0,09 im Vergleich zu 0,12.
Und das, obwohl die Distanz zum Tor für gegnerische Teams im Schnitt zwei Meter kürzer ist als während der Ergebniskrise. Die Positionen und auch die Abschlussarten sind dennoch weniger erfolgsversprechend. Bayern hat sich in der Abwehr also weiter stabilisiert. Allerdings haben sie damals auch deutlich mehr Gegentreffer kassiert, als anhand der Schussqualität erwartbar gewesen wäre. Insofern wurde die Krise vielerorts überbewertet.
FC Bayern: Leistungsdaten in der Defensive
Statistik pro 90 Minuten | Ergebniskrise (fünf Spiele) | Die letzten fünf Spiele |
Abschlüsse des Gegners | 8 | 10 |
Durchschnittliche Distanz (in m) | 17,2 | 15,3 |
Expected Goals against | 1 | 0,9 |
Gegentore | 1,4 | 0,8 |
Fehler die zum Schuss führen | 0,8 | 0,6 |
Analog zum Offensivbereich muss festgestellt werden, dass das Spielglück eine Rolle spielt. Bayern hat damals nicht nur deutlich weniger Tore erzielt als erwartbar gewesen wäre, sondern auch erheblich mehr Gegentore verbucht - teilweise mit der ersten guten Chance des Gegners. Ein Stück weit beeinflusst das auch die Daten. Schließlich spielt ein Team mit einer 2:0-Führung anders als bei einem 0:1-Rückstand.
Während der Ergebniskrise kam das Team von Nagelsmann auf knapp 19 Flanken pro 90 Minuten. Jetzt sind es 13. Bayern musste damals in mehr Spielphasen ins Risiko gehen oder auch mal die Brechstange wählen, um in den Strafraum des Gegners zu gelangen. Dabei agierte man mitunter vielleicht zu hektisch. In der Vergleichsgruppe sind mehr Spiele dabei, die sie kontrolliert und mit einer komfortablen Führung im Rücken angehen konnten. Insofern sollte der Vergleich der Daten allein nicht überbewertet werden - sie geben aber Einblicke in eine spannende Entwicklung.
FC Bayern: Eric Maxim Choupo-Moting als großer Unterschied?
Gerade die Verbesserungen in der Offensive sprechen für den Fortschritt. Weniger Distanz zum Tor, mehr xG, mehr Tore - und das trotz weniger Abschlüsse. Hier haben die Münchner den größten Sprung im Vergleich zu damals gemacht.
Eric Maxim Choupo-Moting wurde medial zuletzt als der entscheidende Faktor ausgemacht - der Neuner, der endlich die Lücke schließen konnte, die zuletzt aufklaffte. Ganz so simpel ist das aber nicht. Schließlich haben die Bayern auch vor ihrer Ergebniskrise Spiele hoch gewonnen und viele Tore geschossen.
Statistisch gibt es beim Kameruner auch kaum Auffälligkeiten - abgesehen von seiner überragenden Torbeteiligungsquote. Mit 0,94 Treffern und 0,63 Assists pro 90 Minuten macht er derzeit aus wenigen Möglichkeiten sehr viel. Denn 0,39 xG und 0,16 Expected Assists zeigen, dass er gar nicht so oft an gefährlichen Situationen beteiligt ist - zumindest nicht direkt. Dafür ist er aber sehr effizient.
Die Frage ist, wie lange er dieses Niveau noch halten kann. Wichtiger für die Bayern ist aber, dass er mit seiner Physis und seinen technischen Fähigkeiten ein Fixpunkt im Offensivspiel sein kann. "Wir wussten, dass die rote Zone groß wird und Choupo mit dem Rücken zum Tor was festmachen kann", erklärte Nagelsmann beispielsweise in Barcelona seine Idee. Das traf zuletzt auch auf tief verteidigende Teams zu.
Choupo-Moting glänzt als Wandspieler, ohne aber übermäßig oft angespielt zu werden. Mit 34,5 Ballkontakten pro 90 Minuten hat er den geringsten Wert des gesamten Teams. Er ist aber in den richtigen Momenten da und kann dann sehr effizient seine Qualitäten einbringen.
Gerade weil er kein klassischer Neuner ist, sondern sehr weiträumig und eher wie ein sehr offensiver Zehner agiert, ist er so wertvoll für das dynamische Nagelsmann-System. Dass andere Offensivspieler dann in die Schnittstellen der gegnerischen Abwehr starten können, während sich alles auf den Angreifer fokussiert, ist zweifelsohne ein Vorzug, der sich in Zahlen kaum messen lässt.
imago imagesSadio Mané profitiert von Umstellungen des FC Bayern
Wobei es da einen Spieler gibt, der besonders von der Veränderung profitiert: Sadio Mané kam durchwachsen in die Saison, obwohl seine Torquote immer in Ordnung war. In den letzten Partien zeigte er zunehmend bessere Leistungen. Nagelsmann setzte ihn wieder häufiger auf der linken Außenbahn ein, wo er auch die meisten Spiele für den FC Liverpool absolviert hatte.
Zuvor agierte er als zentraler Stürmer, teilweise sogar als alleinige Spitze. Gerade weil er die Bälle nicht so gut festmachen kann wie Choupo-Moting, fehlte dem Bayern-Spiel etwas. Auf der Außenbahn hat der Senegalese momentan durchschnittlich zwölf Ballkontakte mehr. Zwar kommt er auch etwas seltener zum Abschluss und hat einen geringeren xG-Wert, dennoch trifft er fast doppelt so oft.
FC Bayern: Leistungsdaten von Sadio Mané in Bundesliga und Champions League
Statistik pro 90 Minuten | Mané als Neuner | Mané auf anderer Position |
Minuten | 735 | 518 |
Abschlüsse | 3,4 | 3,3 |
Expected Goals | 0,45 | 0,4 |
Tore | 0,5 | 0,9 |
Assists | 0,1 | 0,35 |
Ballkontakte | 38 | 50 |
Auch hier ist die Einordnung der geringen Stichprobengröße wichtig. Dennoch zeichnet sich der Trend ab, dass Mané mit einer besseren Einbindung ins Spiel auch mehr gute Aktionen beisteuern kann. Die Rechnung, dass mehr Ballkontakte auch einen besseren Mané ergeben, geht zumindest für den Moment auf. Allein deshalb dürfte sich die Umstellung mit Choupo-Moting gelohnt haben.
FC Bayern: Wie nachhaltig sind die Verbesserungen?
Es ist dennoch möglich, dass Choupo-Moting nur einen vorübergehenden Lauf hat. Dann müssten Thomas Müller oder eben Sadio Mané wieder Aufgaben übernehmen, die nicht zwingend ihren Stärken entsprechen.
Bayern lag zudem in den fünf Partien in der Vergleichsgruppe nie zurück. Während der Ergebniskrise liefen sie gleich dreimal einem Rückstand hinterher. Das verändert die eigene Spielweise, gibt dem Team auch offensiv weniger Räume, weil der Gegner noch tiefer verteidigt. Union, Stuttgart, Augsburg und Gladbach haben kaum Anstalten gemacht, Bayern hoch anzulaufen. Selbst der BVB verteidigte hauptsächlich tief. Barcelona, Freiburg, Pilsen und Hoffenheim gaben den Münchnern mehr Räume. Mainz wurde früh geknackt.
Insofern ist die Feststellung von Nagelsmann, dass die Veränderungen aktuell nur marginal sind, absolut zutreffend. Tatsächlich macht die gute Chancenverwertung viel aus. Durch kleinere Anpassungen gelang es den Bayern aber, dominanter aufzutreten und sich qualitativ hochwertigere Chancen zu erspielen. In der aktuellen Verfassung ist der FC Bayern womöglich das formstärkste Team Europas. Gleichzeitig waren sie während der Krise schon nicht so schlecht, wie es teilweise dargestellt wurde.