Schenkt man den Worten von Max Eberl Glauben, die dieser am Rande des Spiels vom FC Bayern München bei Union Berlin äußerte, dann sollte die Trainersuche beim deutschen Rekordmeister bald beendet sein. "Am liebsten bis Ende April" würde man den Neuen gerne präsentieren. Dazu wären also noch sieben Tage Zeit.
Der Münchner Sportvorstand ließ dazu wissen, dass man "in einer finalen Phase" sei, um "hoffentlich bald etwas verkünden können". Dann schränkte Eberl jedoch auch ein: "Aber wenn es ein bisschen länger dauert, dauert es ein bisschen länger. Wir wollen es zügig machen, müssen es aber auch richtig machen."
Nach den öffentlichen Absagen von zum Beispiel Sebastian Hoeneß und Ralf Rangnick (der aber weiterhin ein Kandidat scheint) und der Faktenschaffung von Julian Nagelsmann, der beim DFB verlängert hat, scheint es aktuell keine ganz heiß0e Sopur zu geben. Am Montag gesellte sich zu den dutzenden Kandidatenein neuer Name hinzu: Lucien Favre.
Etwas ketzerisch und spekulativ könnte man nun argumentieren: Nachdem bislang noch niemand Eberl zugesagt hat, wendet er sich nun demjenigen Trainer zu, mit dem er die größten Erfolge in seiner Karriere feierte. Bei Borussia Mönchengladbach prägten Favre und Eberl zwischen 2011 und 2015 eine Ära.
Lucien Favre: Entscheidungsfreudig oder nicht?
Der Schweizer führte die Fohlen vom Beinahe-Abstieg in die Champions League. Seine Mannschaft erhielt in der erfolgreichen Zeit den Beinamen "Borussia Barcelona", da Favre mit gekonntem Pass- und Positionsspiel, das an Barcas Tiki-Taka unter Pep Guardiola erinnerte, begeisterte.
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Die Trennung jedoch fiel, nicht ganz untypisch für Favre, der einst bei Hertha BSC einen ähnlich skurrilen Abgang hinlegte, reichlich ungewöhnlich aus. Der heute 66-Jährige schmiss vom einen auf den anderen Tag hin, der damalige Sportdirektor Eberl war überrascht. Seine Versuche, Favre von seiner Demission abzubringen, gingen ins Leere.
Favres Kritikern könnte man dies als Beweis anführen, dass der Trainer also doch nicht entscheidungsunfreudig ist, wie es auf all seinen stets Stationen hieß. Das ist aber wohl nicht einmal die halbe Wahrheit. Schließlich war genau dies häufiger das Problem in der Zusammenarbeit mit Favre und den sportlich Verantwortlichen seiner Klubs.
Lucien Favre beim FC Bayern? Ein Bremser würde nur hinderlich sein
Favre zaudert und zögert gerne, auch auf dem Spielfeld wählt er bevorzugt eine vorsichtige Herangehensweise. Ein solches Vorgehen würde eigentlich deutlich gegen ein Engagement beim FC Bayern sprechen. Dort müssen im Sommer nämlich resolut weitreichende Entscheidungen getroffen werden, rund um den Kader gibt es nicht gerade wenige abzuarbeitende Baustellen.
Da würde ein Trainer, der in solchen Fragen gerne einmal bremst und lange abwägt, nur hinderlich sein. Es wäre zudem für Favre der größte und zugleich komplizierteste Verein, den er übernehmen würde. Er hätte ja nicht nur mit Eberl zu tun, besonders die Einschätzungen der Granden um Ehrenpräsident Uli Hoeneß sowie Karl-Heinz Rummenigge haben in München weiterhin Gewicht.
Undenkbar ist es gleichwohl nicht, dass der menschlich einwandfreie und stets enorm freundliche Favre auch mit diesen Persönlichkeiten und der allgemein hohen Anzahl an dominanten Leuten im bayerischen Machtzentrum umgehen kann. Schwieriger würde es, das war bei ihm schon immer so und zuletzt auch bei Borussia Dortmund zwischen 2018 und 2020 ein nicht geringes Problem, im Umgang mit der Öffentlichkeit werden.
Lucien Favre: Kein guter Kommunikator, aber ein sehr guter Trainer
Favre ist seit jeher kein guter Verkäufer. Beim BVB schaffte er es auch aufgrund der weiterhin bestehenden Sprachbarriere nicht, seine Gedanken unmissverständlich zu erläutern. Dazu bevorzugte er es viel lieber, so undurchsichtig und unkonkret wie möglich zu bleiben. In Dortmund erweckten Favres öffentliche Äußerungen teils den Eindruck, als würden ihm die hohen Ansprüche des Klubs widerstreben.
Diese demütige Art auch beim FC Bayern an den Tag zu legen, wäre selbstverständlich nicht einmal im Ansatz möglich. Allerdings: Favre ist kein Kommunikator, dafür aber ein sehr guter Fußballtrainer, der einer Mannschaft mit Potential seine extrem akribische Denk- und Spielweise ohne größere Umschweife einimpfen kann.
So war es auch beim BVB. Dort gelang es dem peniblen Favre aus dem Stand, eine spielstarke Mannschaft zu formieren, die sehr effizienten Fußball spielte und nach dem ersten Halbjahr mit neun Punkten Vorsprung an der Tabellenspitze stand. Favre schaffte es auch, Spieler weiter zu entwickeln - ein Punkt, den man beim FCB gerade mit Blick auf junge Akteure künftig wieder deutlich stärker akzentuieren möchte.
Der FC Bayern wäre für Lucien Favre die Krönung seiner Karriere
Der Killer-Instinkt ging Favres Teams in den für sie entscheidenden Momenten jedoch oft ab. Mit einem Punktedurchschnitt von 2,01 ist er zwar weiterhin zweitbester BVB-Coach der Neuzeit und holte zwei Vizemeisterschaften. Doch zur Wahrheit gehört auch, dass die beiden zweiten Plätze in Spielzeiten eingefahren wurden, in denen die Bayern strauchelten und zu packen gewesen wären. Zu oft präsentierte sich Favres Team so zaghaft, wie es dem Naturell des Trainers entspricht. Nach dem Motto: besser nicht verlieren.
Dass auch der Umgang mit Stars - in Dortmund geriet die Beziehung zwischen Favre und Mario Götze zu einem kleinen Politikum, in Gladbach kam er mit Max Kruse nicht zurecht - nicht zu seinen besten Eigenschaften gehört, könnte gar ein Ausschlusskriterium für eine Anstellung beim FC Bayern sein.
Andererseits ist Favre routiniert und reichlich erfahren, dazu noch weiterhin motiviert, als Trainer zu arbeiten. Die Bayern wären für ihn womöglich die Krönung seiner Karriere, gänzlich uninteressant dürfte ein Anruf Eberls für ihn also gewiss nicht sein. Favre könnte somit ein geeigneter Kandidat für den Übergang werden, ehe die Münchner erneut Zugriff auf ihre eigentlichen Top-Favoriten wie Xabi Alonso, Sebastian Hoeneß oder gar Jürgen Klopp bekommen.
FC Bayern München: Die nächsten Spiele des FCB
Datum | Wettbewerb | Gegner |
27. April, 15.30 Uhr | Bundesliga | Eintracht Frankfurt (H) |
30. April, 21 Uhr | Champions League | Real Madrid (H) |
4. Mai, 15.30 Uhr | Bundesliga | VfB Stuttgart (A) |
7. Mai, 21 Uhr | Champions League | Real Madrid (A) |
12. Mai., 17.30 Uhr | Bundesliga | VfL Wolfsburg (H) |