Der Imperator sucht den Feinschliff

Fatih Demireli
20. Februar 201311:07
Trotz der Meisterschaft im letzten Jahr ist Fatih Terim noch mit dem Umbau bei Gala beschäftigtGetty
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Galatasaray hat mit Wesley Sneijder und Didier Drogba in der Winterpause zwei Weltstars an Land gezogen. Das Duo soll dem türkischen Meister helfen, international wieder eine anerkannte Nummer zu werden. Trainer Fatih Terim stehen mit Sneijder und Drogba viele neue Optionen zur Verfügung, zumal Galatasaray ohnehin mehr zu bieten hat, als nur die beiden Wintercoups. SPOX stellt den Schalke-Gegner vor.

Das Personal: Galatasarays Kader umfasst 27 Spieler, mit wenigen Ausnahmen handelt es sich dabei um Nationalspieler. Nachdem Fatih Terim vor einundeinhalb Jahren den Klub übernahm, fand ein großangelegter Umbruch statt. Über 30 Spieler wurden in dieser Phase abgegeben, fast genauso viele hinzugeholt und teils wieder abgegeben. SPOX

Auch die Meisterschaft hielt Terim nicht auf, seinen Kader weiter zu verändern. Mehr als zwei Drittel aller aktuellen Spieler wurden in der Terim-Ära verpflichtet, die übrig gebliebenen Arrivierten sind ausnahmslos ehemalige Terim-Schüler von Galatasaray oder aus der Nationalmannschaft.

Wesley Sneijder und Didier Drogba ragen als Topstars sicher heraus, wobei der Kader deutlich mehr zu bieten hat: Selcuk Inan gehört zu den besten Mittelfeldspielern des Landes. Er bildet mit Felipe Melo ein starkes Gespann im Zentrum, auch wenn der Brasilianer bisher nicht an seine Leistung der Meistersaison herankommt.

Im Sturm stehen mit Burak Yilmaz, der in der Torjägerliste der Champions League auf Cristiano Ronaldo folgt, Umut Bulut und Johan Elmander qualitativ hochwertige Alternativen zur Verfügung. Hamit Altintop, Semih Kaya, Emmanuel Eboue, Albert Riera und vor allem Fernando Muslera stechen als weitere Leistungsträger heraus. Insgesamt ist die Altersstruktur eher im oberen Bereich angesiedelt.

Der Trainer: Fatih Terim ist zum dritten Mal Trainer bei Galatasaray (1996 bis 2000, 2002 bis 2004), für den er als Profi zwischen 1974 und 1985 spielte. Terim beansprucht viel Macht, die ihm Präsident Ünal Aysal gewährt. Zwar hat der Klub in Bülent Tulun einen Sportdirektor und in Abdurrahim Albayrak ein mächtiges Vorstandsmitglied für den Fußball-Bereich, aber alle Entscheidungen, die den Fußball betreffen, werden letztlich von Terim abgesegnet. Dies gilt sowohl für sportliche, als auch für strukturelle Themen.

Terim, der sich aufgrund seiner dominanten Art den Spitznamen "Imperator" verdiente, ist im Vergleich zu früheren Jahren etwas ruhiger geworden. Bilder, wie sie von den Geschehnissen 2005 rund um die Playoff-Spiele der Türkei gegen die Schweiz noch in Erinnerung sind, gehören der Vergangenheit an. Dennoch polarisiert der bald 60 Jahre alte Fußball-Lehrer nach wie vor. Die Veränderungen sind aber nicht nur am Puls zu erkennen: Trotz aller Machtinanspruchnahme delegiert Terim deutlich mehr als zu früheren Zeiten. Seine Co-Trainer Ümit Davala, Hasan Sas und Claudio Taffarel, allesamt Ex-Spieler, haben nicht selten die Hoheit bei der Trainingsvorbereitung und Gestaltung. Terim versammelt inzwischen deutlich mehr Fachkräfte um sich herum, was Scouting, Entwicklung und Medienarbeit angeht.

Zu seinen Spielern pflegt Terim ein nahezu väterliches Verhältnis. Terim gilt als äußert hart, aber gerecht. Kritik an Terim von Seiten eines Spielers bzw. eines Ex-Spielers war bis dato kaum zu vernehmen. Ganz im Gegenteil: Selbst Spieler des Erzrivalen äußern sich stets mit großem Respekt, wenn es um Terim geht. Anders verhält es sich mit Vorgesetzten, die mit Terims Art nicht zurechtkommen. Terim zettelte zuletzt sogar einen offenen Machtkampf mit dem Präsidenten an, ruderte aber schnell wieder zurück.

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Die Achse: Terim ist ein Freund der Rotation: Zum einen, um Gegner, Öffentlichkeit und manchmal sich selbst zu überraschen, aber auch um seine Spieler bei Laune zu halten. Dennoch hat der Galatasaray-Trainer eine Achse des Vertrauens, die eigentlich unumstößlich ist. Da ist Torhüter Fernando Muslera, der sich nach anfänglichen Schwierigkeiten zum besten Torhüter der Liga entwickelte. Seine Strafraumbeherrschung hat internationale Klasse, Schwächen, wenn überhaupt, offenbart er im Eins gegen Eins.

Schwer ins Gewicht fiel die Verletzung von Tomas Ujfalusi, der in seinem ersten Jahr Galatasaray als Kapitän zum Titel führte. Erst ein Kreuzbandriss, dann ein Meniskusriss sorgten für den kompletten Ausfall in der laufenden Saison. Dessen letztjähriger Nebenmann Semih Kaya schickt sich an, in die Rolle des neuen Dirigenten aus der Defensive zu schlüpfen. Das Abwehr-Talent hat sich trotz einer zwischenzeitlichen Schwächephase zum Abwehrchef entwickelt, benötigt aber noch internationale Härte, die auch Nebenmann Dany Nonkeu fehlt. Dieser gilt ob seiner unkonventionellen Spielweise bisweilen als Unsicherheitsfaktor.

Im Mittelfeld ist trotz Felipe Melo, Hamit Altintop und neuerdings Wesley Sneijder ganz klar Selcuk Inan der Chef. Mit 13 Toren und 15 Vorlagen war er der Erfolgsgarant beim letztjährigen Titelgewinn. In der aktuellen Spielzeit litt er etwas unter dem ständigen Partnerwechsel im Mittelfeldzentrum, weil Felipe Melo entweder gesperrt, verletzt oder außer Form war. Seit Sneijders Ankunft ist aber auch bei Inan ein Formanstieg zu erkennen. Ganz vorne gilt Burak Yilmaz als finale Station der Achse, auch wenn Terim noch läuferische Defizite beim Torjäger erkennt und auch deswegen immer wieder mal eine Alternative sucht. Gut möglich, dass Didier Drogba über kurz oder lang die Chefrolle im Angriff übernimmt. Dass Yilmaz und Drogba sich auf Anhieb gut verstehen, ist augenscheinlich.

Das System: Fatih Terims Credo ist seit jeher die Offensive, obwohl er ein knochenharter Verteidiger war. Sowohl bei Galatasaray, als auch bei Florenz, Milan oder der türkischen Nationalmannschaft: Terim suchte sein Heil immer im Angriffsfußball. Als er zum dritten Mal zu Galatasaray zurückkehrte, war eine seiner ersten Versprechungen, "ein Galatasaray, das immer vorne draufgehen wird".

Mit einem sehr offensiv ausgelegten 4-4-2 wurde Galatasaray im Vorjahr Meister. Johan Elmander und Necati Ates bildeten die Doppelspitze, auf den Außen agierten mit Emre Colak und Engin Baytar zwei gelernte Zentralspieler. Zentral bildeten Selcuk Inan und Felipe Melo die Schaltzentrale. Terim kündigte aber schon früh in der Vorbereitung zur neuen Saison an, einen Systemwechsel in Erwägung zu ziehen, um insgesamt etwas moderner und ausgewogener agieren zu können.

Zunächst blieb er beim 4-4-2, auch weil Burak und Umut in Serie trafen. Aber: Galatasaray ist in der Rückwärtsbewegung deutlich anfälliger als noch im Vorjahr, was letztlich zur Planänderung führte. Terim freundete sich mit dem 4-2-3-1 an, was schließlich zum Interesse an Wesley Sneijder führte. Als Alternative, und dem Vernehmen nach die von Terim favorisierte Lösung, galt Real Madrids Kaka. Gesucht wurde eine Nummer 10 für das Spielzentrum.

Beim 2:0 gegen Antalyaspor stellte Terim erstmals um und Sneijder begann auf der Zehn - hinter der einzigen Spitze Burak Yilmaz. Bei Akhisarspor probte Terim dann aber schon ein 4-3-1-2: wieder mit Sneijder auf der Zehn und Burak/Umut in der Spitze. Der für Umut eingewechselte Didier Drogba markierte schließlich das 1:0 und bereitete das 2:0 vor.

Wäre Drogba nicht verpflichtet worden, wäre man wohl beim 4-2-3-1 geblieben. Um seine torgefährlichsten Akteure spielen zu lassen, scheint Terim aber das 4-3-1-2 zu favorisieren - auch wenn er da noch den Feinschliff sucht. Eine wichtige Rolle, ganz gleichgültig in welchem System, fallen Felipe Melo, Selcuk Inan und Hamit Altintop zu, die sich um die Ordnung im Zentrum kümmern sollen. Der Nachteil für Terim: Viel Zeit für Experimente hat er nicht.

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Die Stärken: Der Blick auf das Offensivpersonal genügt: Drogba, Sneijder, Burak, Umut, Elmander, Amrabat und Co.: Galatasaray hat eine qualitativ sehr hochwertige Offensive. Die Mannschaft hat Terims Offensivgeist längst verinnerlicht und kann an guten Tagen über sich hinauswachsen. Selbst Manchester United fand im Old Trafford über einen großen Zeitraum keine Entlastung, weil die Gäste aggressives Pressing ausübten. Als Burak Yilmaz Terims Ansicht nach zu faul im Mannschaftspressing agierte, verzichtete der Trainer zwischenzeitlich auf seinen besten Stürmer.

Terim hat viele Einzelkönner zur Verfügung, die ein Spiel allein entscheiden können. Und, Vorsicht vor den Standards: Mit Selcuk Inan, Sneijder, Drogba, Altintop und Albert Riera hat Galatasaray hervorragende Freistoßschützen.

Die Schwächen: Als die Wintertransferzeit begann, wartete man bei Galatasaray sehnsüchtig auf eine Verstärkung für die Defensive: Gekommen sind Drogba und Sneijder, was zwar spektakulär anmutet, aber die eigentlichen Probleme nur übertüncht. Der Qualitätsverlust von vorne nach hinten ist nicht zu unterschätzen. Die Viererkette ist nicht unproblematisch, weil Emanuel Eboue keine gute Saison spielt und zuletzt ohnehin verletzt war.

Links ist der gelernte Angreifer Albert Riera als Linksverteidiger gesetzt: nicht immer überzeugend in der Defensive. Im Zentrum sind Semih Kaya und Dany quasi alternativlos, was bei einer Verletzung oder Sperre erhebliche Folgen nach sich ziehen würde. Und da wäre noch die schnelle Zufriedenheit, die sich oft ins Galatasaray-Spiel einschleicht und für Phasen fehlender Konzentration sorgt.

Der X-Faktor: Die zweite Reihe. Mit Altintop, Amrabat und Burak im Sommer, mit Sneijder und Drogba im Winter: Galatasaray hat ordentlich aufgerüstet, jedoch ist da noch der eine oder andere Spieler, der die Istanbuler im Vorjahr zum Titel führte und jetzt von der Bank kommen muss: Emre Colak, Engin Baytar, Aydin Yilmaz oder Johan Elmander sind gerade offensiv gefährliche Optionen. Aydin Yilmaz war es, der Galatasaray - von der Bank kommend - überhaupt erst ins Achtelfinale der Champions League schoss.

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