"Ich habe auch schon mal Bushido gehört"

Daniel Börlein
01. Oktober 200916:16
Horst Hrubesch (58) wurde mit der U 19 und der U 21 Europameister - jetzt trainiert er die U 20Getty
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Am Samstag startet die deutsche U-20-Nationalmannschaft mit dem Spiel gegen die USA in die WM in Ägypten. Trainer Horst Hrubesch muss mit einer C-Elf auskommen, glaubt aber dennoch an die Konkurrenzfähigkeit seines Teams. Im Interview mit SPOX spricht der Doppel-Europameister-Trainer über die vermeintliche "Witz-WM", Kritik von Matthias Sammer, Generationen-Unterschiede und heiße Duelle mit den Jungs am Tischkicker.

Gegen wen spielt Deutschland? Der Spielplan der U-20-WM

SPOX: Herr Hrubesch, nach zwei Titelgewinnen in Folge als Trainer der U 19 und U 21 haben Sie die Messlatte ganz schön hoch gelegt. Da haben Sie sich selbst ja was eingebrockt.

Horst Hrubesch: (lacht) So habe ich das noch gar nicht betrachtet. Im Ernst: Die Messlatte liegt ohnehin sehr hoch. Das liegt aber nicht an den beiden Titelgewinnen zuletzt, sondern eher daran, dass man beim DFB ein Turnier immer gewinnen will.

SPOX: Demnach ist auch bei dieser U-20-WM der Titel das Ziel?

Hrubesch: In unserem Fall muss man natürlich berücksichtigen, dass wir einen komplett neuen Kader haben. Es sind nur noch fünf Spieler dabei, die damals bei der U-19-EM gespielt haben. Da müssen wir erstmal sehen, wie wir die Mannschaft zusammensetzen. Es geht zunächst mal nur ums Überleben in der Gruppenphase.

SPOX: Das hört sich nicht so an, als ob ein Titelgewinn realistisch ist.

Hrubesch: An den Titel denke ich im Moment nicht. Meine Ausrichtung, die ich auch den Jungs so mitgeteilt habe, ist, dass wir nur von Spiel zu Spiel denken dürfen. Und für uns wird jede Partie ein Endspiel. Mit USA, Südkorea und Kamerun haben wir ja auch keine einfachen Gegner.

SPOX: Wer sind Ihre Favoriten auf den Titel?

Hrubesch: Es sind viele da: Ghana, sicherlich Kamerun, auch Nigeria wird eine Rolle spielen. Ich rechne auch mit den Spaniern. Ganz stark schätze ich Tschechien ein.

SPOX: Diese Nationen haben den Großteil ihrer Spieler dabei. Ihnen dagegen fehlen 27 Mann.

Hrubesch: Eine stolze Zahl, nicht wahr? Wir müssen nun sehen, dass die Spieler, die da sind, sich schnell finden und wir dann gut ins Turnier reinkommen. Das würde vieles einfacher machen.

SPOX: Sie scheinen sich mit der Absagenflut abgefunden zu haben. Sportdirektor Matthias Sammer dagegen schämt sich ob der vielen Absagen und spricht von einer 'Witz-WM'.

Hrubesch: Ich hätte mir gewünscht, mit einer eingespielten Mannschaft hierher zu fahren. Dann hätte man von vorneherein klipp und klar sagen können: Wir wollen diesen Titel. Ob es diese Möglichkeit nun noch gibt, lasse ich im Moment dahingestellt. Es ist einfach eine schwierige Konstellation, vor allem für die Jungs. Sie haben alle Potenzial, aber eben noch nie miteinander gespielt. Was für uns spricht: Wir haben eine gute Stimmung. Und wir sind in guter körperlicher Verfassung.

SPOX: Die, die nun dabei sind, wissen natürlich, dass sie zweite oder dritte Wahl sind. Wie reagieren Sie als Trainer darauf?

Hrubesch: Viele haben ja zum erweiterten Kader der U 20 gehört. Natürlich muss man zugeben, dass auch einige dabei sind, die keinen Stammplatz in ihren Klubs haben oder nur in der zweiten Mannschaft spielen. Aber alle können Fußball spielen, und nun bekommen sie eine Plattform, um das zu beweisen. Wenn sie dann noch als Mannschaft auftreten, müsste schon einiges möglich sein.

SPOX: Die großen Namen fehlen im Kader, aber dennoch sind viele interessante Spieler dabei. Auf wen darf man sich besonders freuen?

Hrubesch: Freuen Sie sich einfach mal auf alle. Jeder hat seine Berechtigung, hier dabei zu sein. Natürlich weiß ich auch nicht, wer wie nervös reagiert, wer sich wie verhält, wenn es Probleme gibt. Aber es sind alles Jungs, die überzeugen und für Furore sorgen können.

SPOX: Und wer wird der Star des Turniers?

Hrubesch: Nach der U-21-EM habe ich mir abgewöhnt, zu sagen: Das ist einer oder der wird mal ein Großer.

SPOX: Warum?

Hrubesch: Bei der U-21-EM lief das immer folgendermaßen: Da wurde ich gefragt: Was machen Sie gegen die Wunderkinder der Spanier? Dann habe ich mir immer überlegt: Ja, was mache ich denn gegen die Wunderkinder? Aber eigentlich interessieren die mich ja nicht. Ich habe dann immer gesagt: Die sollen sehen, dass sie mit meinen Wunderkindern klar kommen.

SPOX: Nun haben Sie viele neue 'Wunderkinder' dabei. Wer sind die Köpfe der deutschen Mannschaft?

Hrubesch: Vorangehen wird sicherlich Florian Jungwirth, auch Björn Kopplin. Lars Bender und Ron-Robert Zieler können das ebenfalls. Die kennen das schon von früheren Turnieren und wissen, was auf sie zukommt. Die müssen diese Verantwortung nun übernehmen.

Teil 2: Hrubesch über sein Trainer-Vorbild, Charakterfragen und moderne Musik

SPOX: Vieles wird sich wohl auf Sie fokussieren. Durch die beiden Titelgewinne hat der Trainer Horst Hrubesch in der Öffentlichkeit eine enorme Wertschätzung erfahren. Haben Sie das auch so empfunden?

Hrubesch: Der Trainer und das Team drum herum können für solche Erfolge natürlich schon etwas tun. Aber - so platt es klingt - auf dem Platz stehen die Spieler, und die müssen es letztendlich richten. Klar habe ich die Mannschaft zusammengestellt, das Training gemacht und die Jungs auf die Spiele vorbereitet, aber entscheidend bleibt doch immer noch: Was machen die Spieler daraus, wie setzen sie die Dinge um?

SPOX: Vom wem haben Sie als Trainer am meisten gelernt?

Hrubesch: Von Ernst Happel habe ich natürlich viel mit auf den Weg bekommen. Vor allem die Philosophie, die er jeden Tag gelebt hat, war einfach klasse. Bei ihm hat es immer Spaß gemacht, jedes Training, jedes Spiel. Er war einfach auch ein Typ, mit dem man reden konnte. Da muss man dann einfach auch sagen: Das ist es letztlich, was einen großen Trainer auszeichnet.

SPOX: Peter Pacult sagte vor kurzem im SPOX-Interview, Happel hatte mit Taktik in Wirklichkeit nicht so viel am Hut.

Hrubesch: (lacht) Ach, was der Pacult sagt... Ernst Happel war schon ein Fuchs.

SPOX: Sie sind seit 2000 beim DFB und haben die Entwicklung der letzten Jahre miterlebt. Plötzlich gewinnt der DFB im U-Bereich wieder Titel. Sicher kein Zufall?

Hrubesch: Bestimmt nicht. Jahrelang hat man uns DFB-Trainer in der Öffentlichkeit so hingestellt, als ob wir nichts könnten. Nun hat sich das geändert und darüber sind wir natürlich froh. Aber viele Einschätzungen der Öffentlichkeit hängen auch immer am seidenen Faden. Wenn wir beispielsweise im Playoff-Spiel gegen Frankreich mit der U 21 nicht kurz vor Schluss das Tor machen, sind wir nicht mal bei der EM dabei. Und dann wäre in der Öffentlichkeit wieder über uns geschimpft worden.

SPOX: Ein entscheidender Grund für den Aufschwung im Jugendbereich war sicher das Nachwuchskonzept von Matthias Sammer. Wie viel Horst Hrubesch steckt in diesem Konzept?

Hrubesch: Da steckt sicher auch ein bisschen Hrubesch drin. Genauso allerdings sind daran auch alle anderen DFB-Trainer beteiligt. Es fließen unheimlich viele Ideen ein. Natürlich hat Matthias Sammer auch sehr viele neue Dinge angeregt, wie zum Beispiel die Schulkooperationen und die Zusammenarbeit mit den Vereinen und Verbänden, die er verbessert hat. Wir sind mittlerweile auf einem guten Level. Aber wir haben auch immer noch einen Weg vor uns. Denn das Ziel heißt: Weltspitze.

SPOX: Daran arbeiten Sie ehrgeizig. Dennoch wirken Sie immer sehr entspannt, unaufgeregt und strahlen auf die jungen Spieler dadurch eine Ruhe aus. Ist das eine perfekte Mischung: Junge Mannschaft - erfahrener Trainer?

Hrubesch: Ob es perfekt ist, weiß ich nicht. Ich als erfahrener Trainer versuche einfach, ihnen einige Dinge zu vermitteln.

SPOX: Zum Beispiel?

Hrubesch: Ehrlichkeit ist mir sehr wichtig, sich selbst gegenüber, aber auch gegenüber anderen. Auch, dass die Jungs mündig sind, sich Dinge anhören können, aber auch ihre Meinung dazu äußern. Fußballerisch können wir ihnen sicherlich noch etwas zeigen. Doch wichtig ist, dass wir auch das Drumherum, die Charakterbildung mitnehmen. Die Mischung macht's: Ein guter Fußballer plus der Mensch, der dahinter steckt.

SPOX: Die Spieler kriegen von Ihnen also viel mit auf den Weg für ihre Karriere. Was bekommen Sie von den Jungs?

Hrubesch: Sicher ist es ein Geben und Nehmen. Die Jungs lernen von mir und ich lerne von ihnen.

SPOX: Was lernen Sie denn?

Hrubesch: (lacht) Ich bin immer auf dem neuesten Stand, was Musik und Mode angeht. Der Austausch ist immer da. Und ich bleibe dadurch irgendwie auch jung. Es macht mir einfach sehr viel Spaß. Und das ist letztlich der entscheidende Faktor.

SPOX: Was halten Sie denn von Bushido und Rammstein?

Hrubesch: Das habe ich mir natürlich auch schon mal angehört - ganz kurz. Aber ein Moment reicht mir dann auch. (lacht) Wenn die Jungs das hören, schaue ich, dass ich woanders bin.

SPOX: Und wie sieht's mit Playstation aus?

Hrubesch: Habe ich auch schon gemacht. Dabei habe ich natürlich keine Chance. Wenn die Jungs dann allerdings anschließend mit mir an den Tischkicker müssen, dann sieht es gleich wieder ganz anders aus. (lacht) Da zeige ich ihnen dann, was Sache ist.

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