Nach neun von zehn Spielen in der WM-Qualifikationsgruppe 4 hat sich Deutschland vorzeitig das Ticket für die WM 2010 in Südafrika gesichert. SPOX blickt in zwei Teilen auf die Höhen und Tiefen, die Gewinner und Verlierer und die Lehren der letzten 13 Monate zurück. Teil 1: Höhen und Tiefen.
Als es los ging, komprimierte sich die große weite Fußball-Welt auf ein 6000-Mann-Stadion im verschlafenen Vaduz.
Die deutsche Nationalmannschaft war 70 Tage zuvor Vize-Europameister geworden, als Anfang September der Auftakt zum nächsten großen Ziel gegen den Zwerg aus Liechtenstein anstand.
Über ein Jahr ist seitdem vergangen, neun Qualifikationsspiele hat die DFB-Auswahl seitdem gespielt und sich am Samstag durch das 1:0 beim einzig verbliebenen Rivalen Russland für die Welttitelkämpfe im kommenden Jahr in Südafrika qualifiziert.
Es war der vorzeitige Höhepunkt eines mitunter turbulenten Jahres und einer nicht immer einfachen Qualifikationsrunde.
SPOX blickt zurück auf die Höhen und Tiefen, die Gewinner und Verlierer und die Lehren der letzten 13 Monate.
Höhen und Tiefen
Ausrutscher in Finnland
Gleich nach dem standesgemäßen Start in Liechtenstein gab es den ersten Dämpfer. Das 3:3 in Finnland war so nicht eingeplant, Bundestrainer Joachim Löw hatte vorher schon propagiert, dass es in den Spielen gegen die kleineren Gegner um die entscheidenden Punkte gehen würde.
Immerhin fand der davor lange torlose Miroslav Klose mit einem Dreierpack zurück in die Spur. Trotzdem schwelte noch immer der nach dem EM-Finale entbrannte Streit zwischen Michael Ballack und Teammanager Oliver Bierhoff, der sich später auch auf den Bundestrainer ausweiten sollte.
Kuranyi fliegt raus
Einen Monat später dann der Kracher gegen Russland in Dortmund. Deutschland wetzte die Scharte von Helsinki wieder aus und besiegte den schärfsten Rivalen in einem dramatischen Spiel mit 2:1.
Neben Debütant Rene Adler erlangte Kevin Kuranyi traurige Berühmtheit. Der Schalker wurde von Löw kurz vor dem Spiel aus dem 18er-Kader gestrichen und verließ daraufhin in der Halbzeit zunächst seinen Tribünenplatz und danach das Stadion.
Löw reagierte, wie er reagieren musste und warf Kuranyi für alle Zeiten seiner Amtszeit aus der Mannschaft.
Ballack greift Löw an
Nur wenige Tage später platzt die nächste Bombe: Kapitän Ballack geht in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" aggressiv auf seinen Chef Löw los.
"Wenn man einen nicht mehr will, sollte man das ehrlich ansprechen", sagt Ballack im Hinblick auf Löws Nichtberücksichtigung seines ewigen Adjutanten Torsten Frings im Spiel gegen die Russen. Löw hatte im defensiven Mittelfeld dem Stuttgarter Thomas Hitzlsperger den Vorzug vor Frings gegeben.
"Respekt und Loyalität sind doch das Wenigste, was man als verdienter Nationalspieler erwarten kann. Ich denke da auch an den einen oder anderen Fall aus der Vergangenheit - zum Beispiel Oliver Kahn. Es war ein Konkurrenzkampf mit Jens Lehmann ausgegeben worden, den er in meinen Augen nie gewinnen konnte", legt Ballack nach. Der Streit droht aus dem Ruder zu laufen.
Friedensgipfel bringt Entspannung
Wenige Tage später fliegt Ballack zum Rapport nach Frankfurt. Mittlerweile hat sich die halbe Bundesliga in die Debatte eingeschaltet. DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger bezieht klar Stellung, stärkt Löw den Rücken und gewährt ihm freien Spielraum in der Wahl seiner Sanktionen. Selbst ein Rauswurf Ballacks erscheint nicht mehr unmöglich.
Das Vier-Augen-Gespräch am 31. Oktober bleibt jedoch ohne große Konsequenzen für Ballack. Der Kapitän entschuldigt sich bei Löw, der sieht von Sanktionen ab und lässt Ballack die Kapitänsbinde.
Poldi-Ohrfeige gegen Ballack
Der nächste große Aufreger lässt jedoch nicht lange auf sich warten. Am 1. April 2009 gewinnt Deutschland in Wales mit 2:0 - doch auch hier steht das Ergebnis fast nur im Hintergrund. Lukas Podolski hatte Ballack während des Spiels eine Ohrfeige verpasst.
Zunächst rückt der Bundestrainer von Poldi ab, der Boulevard schreibt schon vom möglichen Rauswurf des Ex-Bayern. Löw zeigt sich aber auch hier gnädig und bringt die knifflige Situation relativ unspektakulär wieder unter Kontrolle.
Bierhoff verkündet zwei Tage nach dem Eklat: "Mit Disziplinarmaßnahmen tut man sich beim DFB schwer. Es wird keine Geldstrafen oder sonstige Sanktionen geben."
Mission Moskau
Zwei leichte Siege gegen Aserbaidschan folgen, bis am 5. Oktober in Mainz die "Mission Moskau" beginnt. Die Russen blieben hartnäckig nur einen Punkt hinter Deutschland, der Kunstrasen im Luschniki-Stadion und zuletzt wenig berauschende Leistungen der deutschen Mannschaft zeichnen ein unsicheres Bild über den Ausgang.
Dazu kommt die ständige Diskussion über Löws Nominierungspraxis. Besonders an der Stürmerflaute und der Nicht-Nominierung von Stefan Kießling scheiden sich die Geister. Dem Bundestrainer wird schon die ganze Qualifikation über vorgeworfen, nicht unbedingt nach dem Leistungsprinzip zu nominieren und eine Bevorzugung von Spielern aus dem süddeutschen Raum unterstellt.
Aber die Mannschaft bleibt beim Endspiel in Russland ebenso ruhig wie ihr Trainer und siegt in der Höhle des Löwen mit mentaler Stärke, taktischer Disziplin und Glück und sichert sich einen Spieltag vor Schluss das Ticket zur WM.