Auch gut drei Monate nach dem Aus bei der Europameisterschaft in Polen und der Ukraine hält das Thema Fehleranalyse den deutschen Fußball auf Trab. Im Interview mit Der Westen wird DFB-Präsident Wolfgang Niersbach nicht müde, Bundestrainer Joachim Löw und seinem Trainerstab die volle Unterstützung auszusprechen.
"Gegen Italien haben wir nicht unglücklich verloren, sondern weil die Mannschaft ihre Möglichkeiten nicht auf den Punkt genau abgerufen hat", sagte der 61-Jährige. Man habe das Turnier beim DFB kritisch aufgearbeitet, es bestehe aber keine Spur von Argwohn. "Ich habe Jogi schon vor dem Gruppenspiel gegen Dänemark gesagt, dass wir hundertprozentig hinter ihm stehen. Und ich ändere mein Urteil nicht. Joachim Löw ist kompetent, geradlinig, seriös. Er ist und bleibt für den DFB der ideale Bundestrainer."
"Soll man 15 Trainer entlassen?"
Kritik übt der DFB-Präsident an der populistischen Diskussion rund um die Nationalmannschaft: "Wir sollten alle nicht vergessen, dass wir Weltranglisten-Zweiter mit der Nationalmannschaft sind. Und es kann doch nicht so sein, dass nach jeder EM 15 Trainer entlassen werden und nur der Gewinner bleiben darf. Länger als Löw ist in Europa nur noch Morten Olsen in Dänemark Trainer. Alle anderen haben in dieser Zeit x-mal gewechselt. Ich frage Sie: mit welchem Erfolg denn?"
Auch die Forderungen aus Medien und der Branche verbittet sich Niersbach: Die Diskussion über die Hymne und die Überversorgung der Nationalspieler habe es nach Enttäuschungen früher schon gegeben. Auch die Forderung von Bundestrainer Uli Hoeneß nach mehr Härte im Umgang mit den Spielern weist Niersbach zurück: "Den internen Umgang des Bundestrainers mit den Spielern kennt der Uli gar nicht so genau."
Klares Votum für Robin Dutt und gegen Gewalt
Erstmals erläuterte Wolfgang Niersbach auch die Entscheidung für Robin Dutt als Sammer-Nachfolger auf dem Posten des DFB-Sportdirektors: "Wir wollten ganz klar einen Mann haben, der die Fußballlehrerlizenz hat. Unser Anspruch war, an dieser Stelle eine Trainerqualität zu bekommen. Dazu Erfahrung, auch in der Nachwuchsförderung und im Amateurbereich."
Auf die aktuelle Gewalt-Problematik angesprochen, wird Wolfgang Niersbach ernst: "Wir haben im deutschen Fußball ein tolles Publikum. Die Bundesliga hatte in der vergangenen Saison rund 17,5 Millionen Zuschauer. In Relation dazu gab es also vergleichsweise wenige Zwischenfälle. Trotzdem müssen wir das Thema sehr ernst nehmen. Daran arbeiten DFB und DFL gemeinsam und intensiv. Nur im Schulterschluss mit Politik, Polizei und der großen Masse der friedlichen Fans können wir Lösungen finden und das Problem in den Griff bekommen."
Die viel gescholtene DFB-Sportgerichtsbarkeit sei dabei ebenso unverzichtbar wie das Instrument der Massen-Stadionaussperrung, die es zuletzt u.a. in Köln und Düsseldorf gegeben hatte: "Ein Wirt, der eine Konzession bis ein Uhr hat und seine Gäste dreimal bis zwei Uhr nicht hinaus bekommt, der kann der Polizei auch nicht einfach sagen: Ich bekomme die Leute nicht aus dem Laden. Dem sagt die Polizei: Du bist verantwortlich. Und so ist im Fußball auch der gastgebende Verein verantwortlich."
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