"Ich bleibe dabei: Ter Stegen besser als Neuer"

Von Interview: Haruka Gruber
Jörg Stiel sieht in Marc-Andre ter Stegen die zukünftige Nummer eins von Deutschland
© Getty

Ruft Bundestrainer Jogi Löw mit Rene Adlers Bevorzugung für das Testspiel in Frankreich (Mi., 20.45 Uhr im LIVE-TICKER) einen neuen Wettstreit um die deutsche Nummer eins aus? Kultkeeper Jörg Stiel erwartet einen harten Dreikampf - mit klaren Vorteilen für ter Stegen, den Torwart seines Ex-Klubs Borussia Mönchengladbach. Er sieht ter Stegen sogar als prädestiniert für den FC Barcelona an.

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SPOX: Letztes Jahr gaben Sie bei SPOX ein viel beachtetes Interview, in dem Sie sagten: "Ich kenne keinen Besseren als Marc-Andre ter Stegen." Oder: "Marc steckt Tim Wiese in die Tasche." Sind Sie nach ter Stegens abwechslungsreichen 12 Monaten immer noch der gleichen Meinung?

Jörg Stiel: Zunächst einmal: Marc hat in seinen ersten eineinhalb Jahren auf allerhöchstem Niveau gehalten und machte praktisch keine Fehler. Er war mitverantwortlich dafür, dass Mönchengladbach nicht abgestiegen ist und in die Europa League eingezog - und das mit 20 Jahren! Seine Ausstrahlung, seine Präsenz, das alles ist außergewöhnlich für einen so jungen Torwart.

SPOX: Trotzdem: 2012 verlief wechselhaft mit einigen ungewohnten Patzern.

Stiel: Er hatte zwei, drei Dinger dabei gehabt, das stimmt. Wobei man differenzieren muss: Er hatte nie ein komplett schlechtes Spiel gehabt. Viel aussagekräftiger für mich ist, wenn ich sehe, welche Konstanz er wieder zeigt. Es bedeutet, dass er nicht davon abhängig ist, ob er mal einen guten oder schlechten Tag hat. Er bringt so viel Klasse und Selbstvertrauen mit, dass er ein Grundniveau nicht unterschreitet.

SPOX: 2012 als Beweis seiner mentalen Stabilität?

Stiel: Ich habe erst vor kurzem mit ihm telefoniert. Ich riet ihm dazu, dass er sich nicht kaputt machen soll von der aus meiner Sicht ungerechtfertigten Kritik. Und was antwortet er? "Nee, habe ich nicht vor." Er weiß selbst sehr gut, wie er sich einzuschätzen hat. Wenn ihm ein Fehler unterläuft, ärgert es ihn natürlich. Doch es berührt ihn nicht so, dass er sich grundsätzlich in Frage stellt. Das macht einen großen Torhüter aus. Er kann es relativieren, weil er die Mechanismen versteht, dass die Messlatte sehr hoch liegt und jeder ständig ein Zu-Null-Spiel erwartet.

SPOX: Seit Victor Valdes' Ankündigung, 2014 den FC Barcelona verlassen zu wollen, zählt ter Stegen zu den Top-Kandidaten auf die Nachfolge. Ist das womöglich eine Dimension zu groß?

Stiel: Wenn ich sage, dass ich ihm das nicht zutraue, würde ich mir ja komplett widersprechen. Natürlich traue ich ihm das zu. Der Leistungslevel der Torhüter in Spanien ist deutlich unter dem in Deutschland. Wenn man in der Bundesliga alle Extremsituationen mental meistert, dann ist man für jede Herausforderung gewappnet.

SPOX: Das Leistungslevel einer Liga ist das eine. Die Umstellung auf eine andere Kultur das andere.

Stiel: Marc ist jung. Aber was er im Gegensatz zu den Gleichaltrigen voraushat: Er ist auch vom Intellekt überdurchschnittlich. Es ist kein Beweis, jedoch ein Indiz, wie er trotz der Belastung als Profifußballer sein Fachabitur durchgezogen hat. Deswegen bin ich überzeugt, dass er für einen Wechsel gewappnet ist. Zumal Barca ohnehin erst 2014 in Betracht kommen würde und er noch einmal ein, zwei Jahre mehr Erfahrung sammeln kann. Mit 22 wäre er soweit, um bei Barcelona zu spielen.

Adler: Kein Konkurrenzkampf mit Adler

SPOX: Und die neue Nummer eins des DFB-Teams zu werden?

Stiel: Ich bleibe dabei: Marc ist besser und hat mehr Qualitäten als Manuel Neuer. Ganz klar: Er wird in nicht allzu weiter Zukunft Deutschlands Nummer eins.

SPOX: Die Ankündigung von Bundestrainer Jogi Löw, im Testspiel in Frankreich Rene Adler aufzustellen, sorgte für Verstimmung bei Neuer. Könnte Adler der größere Konkurrent für ter Stegen sein?

Stiel: Bei Adler müssen wir abwarten. Er war lange verletzt, hatte keinen Verein, landete in Hamburg und spielt erst seit einem halben Jahr wieder regelmäßig. Selbst der HSV rechnete nicht damit, dass er so einschlägt. Er muss die Leistung erst einmal bestätigen und sich konsolidieren, dann kann man an den nächsten Schritt denken.

SPOX: Wie geht es weiter im deutschen Tor?

Stiel: Die Hierarchie ist gegeben, daran wird sich erst einmal nichts verändern. Neuer ist nominell die Nummer eins - dennoch sollte nicht vergessen werden: Diese Position hatte er vor der WM 2010 nur mit Glück bekommen, weil sich Adler verletzt hatte. Seitdem hat Neuer seinen Stammplatz verteidigt, obwohl Deutschland 2010 und 2012 keinen Titel gewinnen konnte. Ich will damit nicht sagen, dass man die verpassten Erfolge an Neuer festmachen sollte. Aber: Wenn Adler weiter so konstant hält, würde sich die wünschenswerte Konstellation ergeben, dass Neuer mit ihm und Marc zwei echte Rivalen hätte.

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