Die beiden diskutierten über die Meisterfeier des FC Bayern und darüber, was bei der Eintracht anders laufen würde. Außerdem sprachen Niemeyer und Roth über den Sprengstoff der Personalie Kovac, die Rivalität zwischen den Klubs und den Fünfjahresplan der Münchner.
SPOX: Herr Roth, die Eintracht steht zum zweiten Mal in Folge im Pokalfinale. Was bedeutet Berlin für Sie als Eintracht-Fan?
Bastian Roth: In der jetzigen Situation ist das sehr schwierig zu beantworten. Der Saisonausklang hat einen Schatten auf das Pokalfinale geworfen. Die Euphorie in der Stadt war lange ähnlich groß wie im letzten Jahr. Der Run auf die Karten war riesig. Alle haben aufgeregt Hotels, Züge und Flüge gebucht. Aber mittlerweile tendiert meine Vorfreude gegen Null. Das liegt auch am Gegner.
SPOX: Inwiefern?
Roth: Letztes Jahr gegen den BVB konnte man sich irgendwie noch einreden, eine realistische Chance zu haben. Gegen die Bayern haben wir es aber zuletzt nicht einmal geschafft, die C-Elf zu besiegen. Außerdem ist es das letzte Spiel von Jupp Heynckes. Da müsste zu viel zusammenkommen, als dass ich mir ernsthafte Hoffnungen machen würde. Wichtiger war für mich, dass wir mit dem Europapokaleinzug dorthin fahren und das ist jetzt nicht der Fall.
FC Bayern: Pokalfinale ist "nicht belanglos"
SPOX: Herr Niemeyer, der FC Bayern stand in den letzten 20 Jahren zwölf Mal im Pokalfinale. Ist trotzdem noch ein besonderer Reiz vorhanden?
Stefen Niemeyer: Ich bin ja schon etwas älter. Früher in den 70er und 80er Jahren hatte ich immer den Eindruck, dass der DFB-Pokal nicht so wichtig ist und nur mitläuft. Der Ehrgeiz, neben der Meisterschaft unbedingt den Pokal gewinnen zu wollen, ist erst in 90ern aufgekommen. In dem Vergleich ist es etwas Besonderes. Ich hoffe auch, dass wir dort nach der peinlichen Pleite gegen den VfB noch einen guten Saisonabschluss hinbekommen.
SPOX: Hat das Ausscheiden im Halbfinale der Champions League den Stellenwert des Pokalfinals erhöht?
Niemeyer: Nur bedingt. Ich glaube nicht, dass jemand denkt: "Oh Gott, jetzt müssen wir zeigen, dass wir wenigstens das gewinnen können." Es hätte eher einen Schub gegeben, wenn wir im Finale der Champions League stünden. Dann hätten wir den Pokal schon alleine für die Chance auf das Triple holen müssen. Dennoch will die Mannschaft das Ding gewinnen - für Jupp Heynckes, aber auch für sich selbst. Insofern ist es nicht belanglos. Aber mit Sicherheit sind die Emotionen andere als bei den Frankfurtern.
Eintracht: Kovac-Nummer ein "kommunikatives Desaster"
SPOX: Die Stimmung der Eintracht-Fans im Pokalfinale des vergangenen Jahres war beeindruckend. Ist trotz der letzten Wochen mit einer ähnlichen Atmosphäre zu rechnen?
Roth: Das wird man schon merken. Es kommt aber auch auf den Spielverlauf an. Wenn du das Gefühl hast, da geht was, lässt sich die Masse sicher wieder infizieren. Die unfassbare Stimmung des letzten Jahres wird aber nicht von Beginn an da sein. Du kannst so etwas nicht künstlich kreieren oder mit flotten Social-Media-Posts herbeizaubern. Es ist eine Müdigkeit zu spüren. Die Saison war eine Achterbahnfahrt. Wir waren kurz davor, uns für Europa zu qualifizieren, aber es hat nicht geklappt. Die Kovac-Nummer war ein kommunikatives Desaster. Das sind alles Sachen, die an den Fans nagen. Letztes Jahr dominierte die Sehnsucht, überhaupt nach Berlin zu fahren. Da hat das Pokalfinale noch über die desolate Rückrunde hinweggeholfen. Das funktioniert aber kein zweites Mal.
SPOX: Trotzdem werden wieder mindestens 30.000 Eintracht-Fans nach Berlin reisen.
Roth: Na klar. Ich fahre wegen der einprozentigen Chance dorthin. Wenn man zu Hause bleibt und das Wunder passiert, würde man sich das nie wieder verzeihen. Aber ich weiß nicht, ob die Stimmung so herausragend wird wie letztes Jahr, wenn das Spiel nicht entsprechend läuft. Ich kann mir vorstellen, dass die Nummer nach 20 Minuten durch ist und dann ist der Ofen aus. Die Eintracht-Fans neigen dazu, trotzig zu werden. Der Pokalsieg würde die Schleife um eine Saison mit all ihren Aufs und Abs machen. Ich habe in Frankfurt jedoch noch niemanden gefunden, der wirklich daran glaubt.
Niemeyer: Hat das Spiel der Bayern am Samstag einen Unterschied gemacht?
Roth: Das spielt für mich keine Rolle. Wenn es drauf ankommt, bringen die Bayern zumindest einigermaßen ihre Leistung. Und diese Einigermaßen-Leistung wird gegen die Eintracht der letzten Wochen reichen.
SPOX: Die Dominanz der Bayern mündete in dieser Saison in der sechsten Meisterschaft in Folge. Entsprechend wenig spontan wirkte die Meisterfeier mit der Schalenübergabe samt Konfettiregen und Bierduschen. Wie haben Sie das gesehen?
Niemeyer: Dazu hat Arjen Robben das Passende gesagt. Für mich ist die Inszenierung zu ideenlos und zu ritualisiert. Gerade wenn sich eine Gefahr der Routine einstellt, muss man sich etwas einfallen lassen. Im letzten Jahr gab es den Versuch mit Anastacia. Der ist in die Hose gegangen. Es hat etwas gefehlt. Wir lieben alle den Super Bowl und da passt alles zusammen. Hier in Deutschland ist das extrem verpönt, aber es gab auch noch keinen guten Versuch. Insofern sind diese Feiern kein einfaches Thema. Sie sind bei Bayern planbar, aber durch diese Planungssicherheit geht die Spontanität der Feierlaune verloren.
Roth: Ihr werdet mir nachsehen, dass ich mir die Bilder nicht angeschaut habe...
Niemeyer: Das hätte mich auch gewundert. (lacht)
Roth: Ich würde die Bayern in der Diskussion sogar gerne in Schutz nehmen. Was sollen sie denn auch feiern, wenn sie so deutlich Meister werden? Es ist ja keine so überraschende Meisterschaft wie 2001 in Hamburg. Wenn es nur eine Frage der Zeit ist, bis du Meister wirst, gibt es nicht den Moment, der dich authentisch zum Ausrasten bringt - egal welchen Rahmen du wählst. Die Spieler wissen das ja auch. Die konzentrieren sich dann ja auch auf die Champions League und sind emotional davon abhängig.
Niemeyer: Außerdem ist die Saison mit der Feier ja nicht vorbei. Es kommt noch das Pokalfinale und vor allem die WM, die für die Spieler deutlich wichtiger ist als für die meisten Hardcore-Fans aus den Stehplatzkurven.
Die Bundesliga-Meister der letzten Jahre
Saison | Meister |
2017/18 | FC Bayern |
2016/17 | FC Bayern |
2015/16 | FC Bayern |
2014/15 | FC Bayern |
2013/14 | FC Bayern |
2012/13 | FC Bayern |
2011/12 | Borussia Dortmund |
2010/11 | Borussia Dortmund |
2009/10 | FC Bayern |
FC Bayern: "Meisterfeier auf dem Marienplatz fehlt das Feuer"
SPOX: Sollte die Eintracht das Finale gewinnen, stünde der FC Bayern am Sonntag "nur" mit der Meisterschale auf dem Rathausbalkon am Marienplatz.
Niemeyer: Das wäre eine traurige Veranstaltung. Ich habe es mir letztes Jahr schon nicht komplett angeschaut. Ich brauche die Inszenierung in der Form nicht. Es hat zwar Tradition, aber der Meisterfeier auf dem Marienplatz fehlt das Feuer. Wir Bayern-Fans machen uns darüber lustig, dass alle lästern, wie schrecklich wir feiern. Ich gebe ja zu, dass die Meisterschaft in dieser Saison für mich kein emotionaler Ausbruch war. Aufgrund des Saisonverlaufs war es trotzdem ein Genuss. Viele haben den Holperstart unter Ancelotti schon vergessen. Aber wirklich ausgerastet bin ich erstmals nach sehr langer Zeit bei Kimmichs Tor gegen Madrid. Das war ein unglaublich emotionaler Moment. Diese Extreme gibt es auch bei uns noch, aber sie sind selten geworden.
SPOX: Wünscht man sich als Bayern-Fan insgeheim, dass die Meisterschaft enger ist?
Niemeyer: Ein Punkt Vorsprung reicht mir, meinetwegen auch ein Tor. Ich brauche die 20 Punkte Vorsprung nicht. Aber ich will nicht, dass wir Federn lassen, sondern dass die anderen besser werden.