Das Pokalfinale zwischen dem FC Bayern München und Eintracht Frankfurt im Berliner Olympiastadion (Samstag ab 20 Uhr im LIVETICKER) ist für die Fans der Klubs das große Saison-Highlight. SPOX sprach im Interview mit Bayern-Fan Stefen Niemeyer (ueberdielinie.de) und Eintracht-Anhänger Bastian Roth (Eintracht-Podcast, drei90) über die Besonderheit der bevorstehenden Partie.
Die beiden diskutierten über die Meisterfeier des FC Bayern und darüber, was bei der Eintracht anders laufen würde. Außerdem sprachen Niemeyer und Roth über den Sprengstoff der Personalie Kovac, die Rivalität zwischen den Klubs und den Fünfjahresplan der Münchner.
SPOX: Herr Roth, die Eintracht steht zum zweiten Mal in Folge im Pokalfinale. Was bedeutet Berlin für Sie als Eintracht-Fan?
Bastian Roth: In der jetzigen Situation ist das sehr schwierig zu beantworten. Der Saisonausklang hat einen Schatten auf das Pokalfinale geworfen. Die Euphorie in der Stadt war lange ähnlich groß wie im letzten Jahr. Der Run auf die Karten war riesig. Alle haben aufgeregt Hotels, Züge und Flüge gebucht. Aber mittlerweile tendiert meine Vorfreude gegen Null. Das liegt auch am Gegner.
SPOX: Inwiefern?
Roth: Letztes Jahr gegen den BVB konnte man sich irgendwie noch einreden, eine realistische Chance zu haben. Gegen die Bayern haben wir es aber zuletzt nicht einmal geschafft, die C-Elf zu besiegen. Außerdem ist es das letzte Spiel von Jupp Heynckes. Da müsste zu viel zusammenkommen, als dass ich mir ernsthafte Hoffnungen machen würde. Wichtiger war für mich, dass wir mit dem Europapokaleinzug dorthin fahren und das ist jetzt nicht der Fall.
FC Bayern: Pokalfinale ist "nicht belanglos"
SPOX: Herr Niemeyer, der FC Bayern stand in den letzten 20 Jahren zwölf Mal im Pokalfinale. Ist trotzdem noch ein besonderer Reiz vorhanden?
Stefen Niemeyer: Ich bin ja schon etwas älter. Früher in den 70er und 80er Jahren hatte ich immer den Eindruck, dass der DFB-Pokal nicht so wichtig ist und nur mitläuft. Der Ehrgeiz, neben der Meisterschaft unbedingt den Pokal gewinnen zu wollen, ist erst in 90ern aufgekommen. In dem Vergleich ist es etwas Besonderes. Ich hoffe auch, dass wir dort nach der peinlichen Pleite gegen den VfB noch einen guten Saisonabschluss hinbekommen.
SPOX: Hat das Ausscheiden im Halbfinale der Champions League den Stellenwert des Pokalfinals erhöht?
Niemeyer: Nur bedingt. Ich glaube nicht, dass jemand denkt: "Oh Gott, jetzt müssen wir zeigen, dass wir wenigstens das gewinnen können." Es hätte eher einen Schub gegeben, wenn wir im Finale der Champions League stünden. Dann hätten wir den Pokal schon alleine für die Chance auf das Triple holen müssen. Dennoch will die Mannschaft das Ding gewinnen - für Jupp Heynckes, aber auch für sich selbst. Insofern ist es nicht belanglos. Aber mit Sicherheit sind die Emotionen andere als bei den Frankfurtern.
Eintracht: Kovac-Nummer ein "kommunikatives Desaster"
SPOX: Die Stimmung der Eintracht-Fans im Pokalfinale des vergangenen Jahres war beeindruckend. Ist trotz der letzten Wochen mit einer ähnlichen Atmosphäre zu rechnen?
Roth: Das wird man schon merken. Es kommt aber auch auf den Spielverlauf an. Wenn du das Gefühl hast, da geht was, lässt sich die Masse sicher wieder infizieren. Die unfassbare Stimmung des letzten Jahres wird aber nicht von Beginn an da sein. Du kannst so etwas nicht künstlich kreieren oder mit flotten Social-Media-Posts herbeizaubern. Es ist eine Müdigkeit zu spüren. Die Saison war eine Achterbahnfahrt. Wir waren kurz davor, uns für Europa zu qualifizieren, aber es hat nicht geklappt. Die Kovac-Nummer war ein kommunikatives Desaster. Das sind alles Sachen, die an den Fans nagen. Letztes Jahr dominierte die Sehnsucht, überhaupt nach Berlin zu fahren. Da hat das Pokalfinale noch über die desolate Rückrunde hinweggeholfen. Das funktioniert aber kein zweites Mal.
SPOX: Trotzdem werden wieder mindestens 30.000 Eintracht-Fans nach Berlin reisen.
Roth: Na klar. Ich fahre wegen der einprozentigen Chance dorthin. Wenn man zu Hause bleibt und das Wunder passiert, würde man sich das nie wieder verzeihen. Aber ich weiß nicht, ob die Stimmung so herausragend wird wie letztes Jahr, wenn das Spiel nicht entsprechend läuft. Ich kann mir vorstellen, dass die Nummer nach 20 Minuten durch ist und dann ist der Ofen aus. Die Eintracht-Fans neigen dazu, trotzig zu werden. Der Pokalsieg würde die Schleife um eine Saison mit all ihren Aufs und Abs machen. Ich habe in Frankfurt jedoch noch niemanden gefunden, der wirklich daran glaubt.
Niemeyer: Hat das Spiel der Bayern am Samstag einen Unterschied gemacht?
Roth: Das spielt für mich keine Rolle. Wenn es drauf ankommt, bringen die Bayern zumindest einigermaßen ihre Leistung. Und diese Einigermaßen-Leistung wird gegen die Eintracht der letzten Wochen reichen.
SPOX: Die Dominanz der Bayern mündete in dieser Saison in der sechsten Meisterschaft in Folge. Entsprechend wenig spontan wirkte die Meisterfeier mit der Schalenübergabe samt Konfettiregen und Bierduschen. Wie haben Sie das gesehen?
Niemeyer: Dazu hat Arjen Robben das Passende gesagt. Für mich ist die Inszenierung zu ideenlos und zu ritualisiert. Gerade wenn sich eine Gefahr der Routine einstellt, muss man sich etwas einfallen lassen. Im letzten Jahr gab es den Versuch mit Anastacia. Der ist in die Hose gegangen. Es hat etwas gefehlt. Wir lieben alle den Super Bowl und da passt alles zusammen. Hier in Deutschland ist das extrem verpönt, aber es gab auch noch keinen guten Versuch. Insofern sind diese Feiern kein einfaches Thema. Sie sind bei Bayern planbar, aber durch diese Planungssicherheit geht die Spontanität der Feierlaune verloren.
Roth: Ihr werdet mir nachsehen, dass ich mir die Bilder nicht angeschaut habe...
Niemeyer: Das hätte mich auch gewundert. (lacht)
Roth: Ich würde die Bayern in der Diskussion sogar gerne in Schutz nehmen. Was sollen sie denn auch feiern, wenn sie so deutlich Meister werden? Es ist ja keine so überraschende Meisterschaft wie 2001 in Hamburg. Wenn es nur eine Frage der Zeit ist, bis du Meister wirst, gibt es nicht den Moment, der dich authentisch zum Ausrasten bringt - egal welchen Rahmen du wählst. Die Spieler wissen das ja auch. Die konzentrieren sich dann ja auch auf die Champions League und sind emotional davon abhängig.
Niemeyer: Außerdem ist die Saison mit der Feier ja nicht vorbei. Es kommt noch das Pokalfinale und vor allem die WM, die für die Spieler deutlich wichtiger ist als für die meisten Hardcore-Fans aus den Stehplatzkurven.
Die Bundesliga-Meister der letzten Jahre
Saison | Meister |
2017/18 | FC Bayern |
2016/17 | FC Bayern |
2015/16 | FC Bayern |
2014/15 | FC Bayern |
2013/14 | FC Bayern |
2012/13 | FC Bayern |
2011/12 | Borussia Dortmund |
2010/11 | Borussia Dortmund |
2009/10 | FC Bayern |
FC Bayern: "Meisterfeier auf dem Marienplatz fehlt das Feuer"
SPOX: Sollte die Eintracht das Finale gewinnen, stünde der FC Bayern am Sonntag "nur" mit der Meisterschale auf dem Rathausbalkon am Marienplatz.
Niemeyer: Das wäre eine traurige Veranstaltung. Ich habe es mir letztes Jahr schon nicht komplett angeschaut. Ich brauche die Inszenierung in der Form nicht. Es hat zwar Tradition, aber der Meisterfeier auf dem Marienplatz fehlt das Feuer. Wir Bayern-Fans machen uns darüber lustig, dass alle lästern, wie schrecklich wir feiern. Ich gebe ja zu, dass die Meisterschaft in dieser Saison für mich kein emotionaler Ausbruch war. Aufgrund des Saisonverlaufs war es trotzdem ein Genuss. Viele haben den Holperstart unter Ancelotti schon vergessen. Aber wirklich ausgerastet bin ich erstmals nach sehr langer Zeit bei Kimmichs Tor gegen Madrid. Das war ein unglaublich emotionaler Moment. Diese Extreme gibt es auch bei uns noch, aber sie sind selten geworden.
SPOX: Wünscht man sich als Bayern-Fan insgeheim, dass die Meisterschaft enger ist?
Niemeyer: Ein Punkt Vorsprung reicht mir, meinetwegen auch ein Tor. Ich brauche die 20 Punkte Vorsprung nicht. Aber ich will nicht, dass wir Federn lassen, sondern dass die anderen besser werden.
SPOX: Was wäre an der Atmosphäre anders, wenn die Eintracht den Pokal auf dem Römer präsentieren würde?
Roth: Bis dahin wären wir wahrscheinlich schon alle tot. Das können wir uns alle noch gar nicht vorstellen, weil sich keiner traut, sich damit zu beschäftigen. Aber ich glaube, das würde die Stadt zum Explodieren bringen. Das wären interessante Tage - bis Montag würde niemand schlafen. Es herrscht hier eine große Sehnsucht nach einem Titel. Es sind 30 Jahre seit dem letzten Pokalsieg. Der Wert wäre gar nicht zu bemessen.
SPOX: Mit den Bayern verbindet die Eintracht-Fans eine besondere Rivalität. Wie hat sich Ihr Verhältnis zu den Bayern im Laufe Ihres Fan-Daseins verändert?
Roth: Es ist jetzt wieder an dem alten Punkt, an dem ich früher schon einmal war. Als Kind war es immer so: Man schaut erst, wie die Eintracht gespielt hat und dann ob Bayern verloren hat.
Niemeyer: Der Klassiker.
Roth: Irgendwann wurde es aber immer egaler. Man schützt sich vor sich selbst. Du willst ja auf nichts hoffen, was fast unmöglich ist. Mit dem Alter war ich auch in der Lage, Leistungen wie unter Guardiola anzuerkennen. Da fährt man nach München und denkt sich heimlich: "Geil, dass ich so einen 50-Meter-Außenrist-Pass von Thiago gesehen habe." Das hat ja schon bei van Gaal angefangen. Bayern hat sich vom Hassobjekt zu einem nervigen Klassenstreber entwickelt, den du irgendwann auch nicht mehr verprügeln willst.
Hoeneß hat die Wahrnehmung des FC Bayern zurückgeworfen
SPOX: Das hat sich aber wieder geändert?
Roth: Der Klassenstreber hat nun mal angefangen, meine Freundin anzubaggern.
Niemeyer: Und dann sagt die auch noch Ja!
Roth: Eben! Ich kann es ja irgendwie auch verstehen, dass sie das macht. Aber ich würde es gerne von ihr hören und ich hätte für die Zeit, in der sie noch in meiner Wohnung wohnt, erwartet, dass sie mir nicht besoffen das Bett vollkotzt und sich mit Anstand verabschiedet. Das ist alles nicht geschehen. Und ich will mir dann nicht von der neuen Familie meiner Exfreundin anhören, dass ich der Idiot bin. Uli Hoeneß hat mich immer schon genervt, aber ich habe es geschafft, ihn zu ignorieren. Da ich jetzt persönlich betroffen bin, habe ich mich daran erinnert gefühlt, warum ich ihn nicht leiden kann. Ich glaube, dass auch nicht alle Bayern-Fans glücklich mit ihm sind. Hoeneß hat die Wahrnehmung des FC Bayern zurückgeworfen. Bei Guardiola, Sammer und Reschke dachte man, jetzt sind sie auf dem Weg in die absolute europäische Spitze. Mittlerweile wirkt es manchmal beinahe dilettantisch. Dadurch, dass wir jetzt betroffen waren, bin ich sehr sauer. Wenn ich davon Abstand nehme, amüsiert es mich eher.
Der Rasenfunk zum 30. Bundesliga-Spieltag: SPOX-Fußballchef Andreas Lehner und Bastian Roth diskutieren über Kovac.
Niemeyer: In der Tat hatte ich mit Guardiola, Sammer und Reschke auch das Gefühl, dass wir ganz oben angreifen und uns dauerhaft eine Etage höher positionieren. Aber mittlerweile ist der FC Bayern wieder ein komplexes, hochsensibles, fragiles Lebewesen im Mia-san-mia-Sprech. Es fühlt sich so an, als habe man nicht mehr den unbedingten Willen, die Professionalisierung im höchsten Tempo mitzumachen. Das hat damit zu tun, dass Hoeneß wieder da ist und den gutväterlichen Patriarchen gibt. Das hat ja auch Erfolg, es reicht für eine Meisterschaft mit 21 Punkten Vorsprung. Aber der Anspruch der Guardiola-Zeit ist nicht mehr zu spüren.
Eintracht: "Kovac hat sein Denkmal komplett eingerissen"
SPOX: Die Personalie Kovac ist am Samstag der Elefant im Raum. Welche Auswirkung haben die Umstände des Wechsels auf das Fazit seiner Amtszeit bei der Eintracht?
Roth: So drastisch es sich anhört, aber er hat sein Denkmal komplett eingerissen. Auch mit etwas Abstand ist fast keiner hier noch traurig, dass er geht. Das ist überemotional, weil wir die Beweggründe verstehen können. Aber in den letzten Wochen haben sich viele Kleinigkeiten gehäuft. Der Höhepunkt war nun sein Auftritt, als er auf Schalke grinsend auf der Pressekonferenz saß und mit den Journalisten scherzte. Er hat null Empathie für die Fans, die sich Europa so sehr gewünscht hätten. Ich bin mir sicher, dass die Kovac-Causa nicht zu 100 Prozent dafür verantwortlich ist, dass die Eintracht zusammengebrochen ist. Dieses Gefühl wird aber bei den meisten zurückbleiben. Er hat mit den Bayern verhandelt, dann hat die Konzentration nachgelassen und wir haben die Saison in sechs Wochen in den Müllschlucker geworfen.
SPOX: Die Vereinsführung vermittelte den Eindruck, dass es gut sei, Achter zu werden.
Roth: Das verstehe ich ja auch. Aber das hilft mir nichts, wenn ich nach Europa will. Wenn ich dann daran denke, wie einfach es in dieser mittelmäßigen Bundesliga gewesen wäre, sogar in die Champions League zu kommen, wird mir schlecht. Mir braucht das Abschneiden keiner schönreden. Im Endeffekt ist mir fast egal, ob es an der Bayern-Nummer liegt oder nicht. Da bin ich gerne unfair in der Bewertung. Kovac wird in Frankfurt keine Vereinslegende. Fußballfans sind da irrationale Arschlöcher.
Kovac-Wechsel: "Wenn Bobic das nicht wusste, muss er zurücktreten"
SPOX: Wie sehr könnte ein Pokalsieg dieses Fazit schönen?
Roth: Das ist eine sehr gute Frage, die wir uns hier alle stellen. Wenn er mit dem Pokal vor der Kurve steht, könnte es vielleicht schon für positive Abschiedsemotionen sorgen. Ich kann mir aber eigentlich kaum vorstellen, dass das Verhältnis noch zu kitten ist. Das weiß er auch selbst. Nach dem HSV-Spiel stand er dort und hatte Tränen in den Augen, weil er gesehen hat, dass er von den Fans keine Liebe mehr bekommt.
SPOX: Herr Niemeyer, wie haben Sie die Verkündung und die Zeit seitdem wahrgenommen?
Niemeyer: Die Trainerfrage hat uns die ganze Saison begleitet. Dass es Kovac wird, ist erst spät ernsthaft diskutiert worden. Aber es war eben Thema, sodass ich die komplette Überraschung von Bobic absolut nicht nachvollziehen konnte. Er musste ja wissen, was im Vertrag von Kovac steht. Ich kaufe ihm nicht ab, dass er so unvorbereitet war. Deswegen hat es mich gewundert, als er die Schuld so drastisch auf die Bayern geschoben und dadurch auch in den eigenen Verein eine extreme Unruhe gebracht hat. Man könnte jetzt sagen, die Bilanz der Eintracht seitdem gibt mir Recht. Allerdings ist das Phänomen, die Schlussphase einer Saison zu verkacken, das gleiche wie im letzten Jahr. Schon damals hat die Eintracht eine schwache Rückrunde gespielt. Daher ist der Kovac-Abgang sicherlich nicht alleine ursächlich für diesen Einbruch.
Roth: Das sage ich ja. Wenn ich das nüchtern analysiere, hätte der Einbruch so oder so passieren können. Die Leute werden diesen Saisonendspurt trotzdem immer damit verbinden. So irrational und womöglich unberechtigt das ist. Klar ist: Wenn Bobic das nicht wusste, muss er sofort zurücktreten. Die Kovac-Nummer ist schon zwei Wochen vorher selbst zu mir auf die Couch durchgedrungen. Am Ende sind die dunklen Prophezeiungen leider eingetreten. Wir sind Achter geworden, herzlichen Glückwunsch.
SPOX: Wie bewerten Sie das Auftreten des FC Bayern?
Niemeyer: Im Grunde hat es mich belustigt. Das war die typische, alte Art von Rummenigge und Hoeneß. So haben sie es schon immer gemacht und ich habe keine Hoffnung, dass sie anders werden. Klar hatten sie andere Vorstellungen, wie sie das veröffentlichen wollen, aber so ist das nun mal heutzutage. Die Journalisten machen ihren Job und in dem Fall haben sie ihn sehr gut gemacht und das herausgefunden. Ich war einfach froh, dass die Entscheidung gefallen ist. Und ich war froh, dass es nicht Tuchel wird.
SPOX: Warum?
Niemeyer: Ich halte ihn fachlich für exzellent, aber er hätte wesentlich mehr Unruhe gebracht, als der Verein vertragen hätte. Insofern war ich nicht unzufrieden. Hoeneß und Rummenigge sind eben Hoeneß und Rummenigge. Klar rollt man da manchmal die Augen, aber man schätzt auch, wohin sie den Verein gebracht haben. Die Außendarstellung von Salihamidzic ist fürchterlich, aber er ist nun mal ein Lehrling. Man sollte ihn dennoch nicht unterschätzen. Ich habe noch keine Klagen gehört, dass er intern nur ein Grüßaugust und ein billiger Erfüllungsgehilfe wäre. Mittel- und langfristig muss man sehen, ob er sich freischwimmen kann. Das müssen wir auch bei Kovac abwarten.
gettyBayern: "Wenn das mit Kovac nicht klappt, ist Nagelsmann fällig"
SPOX: Wie schätzen Sie seine Eignung als Bayern-Trainer ein?
Niemeyer: Das ist für mich völlig offen. Er ist extrem ehrgeizig und fleißig. Er hat sich technisch und taktisch weiterentwickelt und kann ein internationales Team mit schwierigen Charakteren zu einer schlagkräftigen Truppe formen. Die offene Frage ist, ob er die Dreifachbelastung meistern kann. Außerdem hat er eine ganz andere nationale und internationale mediale Aufmerksamkeit als in Frankfurt. Wenn er sich schon in dieser Situation so unglücklich verhalten hat, könnte das in München schwierig werden. Der FC Bayern ist aber in der bequemen Lage, sagen zu können: Wenn das mit Kovac klappt, wunderbar, ansonsten ist 2019 die Ausstiegsklausel von Nagelsmann fällig.
SPOX: Das klingt, als würden Sie ihn jetzt schon abschreiben.
Niemeyer: Nein, so ist das nicht gemeint. Es kann durchaus sein, dass er in München ein großer Held wird. Es kann aber auch sein, dass es nach hinten losgeht. Müller hat in seiner Widmung für Heynckes ja geschrieben: "Trainer, wir sehen uns im Oktober." Wer weiß...
FC Bayern: "Viele vertrauen blind auf Hoeneß"
SPOX: In sozialen Medien waren die Bayern-Fans anfangs nicht begeistert. Wie ist die Stimmung an der Basis?
Niemeyer: Jeder weiß, dass er in München die dritte Wahl ist. Andererseits muss ihm ja irgendwer empfohlen haben, diese Klausel in den Vertrag schreiben zu lassen, und das war sicher nicht der kroatische Fahrer von Uli Hoeneß. Der Klub hat ihm das also zugetraut. Ich habe den Eindruck, dass viele Bayern-Fans positiv gestimmt sind. Viele vertrauen blind auf Hoeneß. Jedoch haben alle gesehen, wie schwach die Eintracht in München gegen unsere C-Elf aufgetreten ist. Und sie werden sehen, wie es am Samstag läuft. Entsprechend kann das für Kovac ein schwerer Rucksack werden.
Roth: Die Frage ist, was Bayern will. Ich traue Kovac zu, dass er dort das Double holt. Aber ich weiß nicht, was passiert, wenn es nicht läuft. Kovac hat eine kleine Vorerkrankung, so will ich es mal nennen. Die Bayern-Fans waren nicht alle einverstanden, weil es eben keine große Lösung ist. Ich glaube, dass Tuchel mehr Erfolg garantieren würde. Und Kovac muss all das erst beweisen. Allerdings muss man fairerweise auch sagen, dass er in München ein deutlich besseres Spielermaterial zur Verfügung hat. In Frankfurt hat er lange das Maximum herausgeholt. Wenn er das mit den Bayern schafft, wird es wild. Trotzdem werden die Leute ihn aufgrund der letzten Wochen anfangs kritischer beäugen. Und ich bezweifle stark, dass es für die absolute europäische Spitze reicht. Es kann ja aber auch sein, dass Bayern einen ganz anderen Plan hat.
Experiment Kovac "kann schnell vorbei sein"
SPOX: Erklären Sie.
Roth: Vielleicht können und wollen sie finanziell nicht mithalten, also wollen sie sich über mehrere Jahre etwas aufbauen. Es ist schwierig. Kovac wird eine faire Chance bekommen, aber dort wird niemand so nachsichtig sein, wie wir in seiner ersten Rückrunde waren, als er gar nichts mehr gewonnen hat. Das Experiment Kovac kann schnell vorbei sein, weil es 2019 eben Optionen gibt. Bayern muss einen Plan haben. Die Nummer mit Heynckes war zwar erfolgreich, aber so etwas steht ja in keinem Fünfjahresplan. Ich bin gespannt, ob Kovac der Fünfjahresplan oder nur eine Übergangslösung ist. Für mich wirkt es jedenfalls nicht so, als ob Kovac die erste Wahl war.
Niko Kovac: Bisherige Stationen als Trainer
Amtsantritt | Amtsaustritt | Verein | Funktion | Punkteschnitt |
01.07.2018 | - | FC Bayern München | Trainer | - |
08.03.2016 | 30.06.2018 | Eintracht Frankfurt | Trainer | 1,56 (84 Spiele) |
16.10.2013 | 09.09.2015 | Kroatien | Trainer | 1,84 (19 Spiele) |
21.01.2013 | 16.10.2013 | Kroatien (U21) | Trainer | 3,0 (5 Spiele) |
08.04.2011 | 24.06.2012 | RB Salzburg | Co-Trainer | - |
17.06.2009 | 08.04.2011 | RB Juniors | Trainer | 1,56 (54 Spiele) |
SPOX: Möchten Sie zum Abschluss Ihre Prognose für das Finale geben?
Roth: Ich habe gerade meinen Tippschein ausgefüllt, da steht 6:1 für Bayern drauf.
Niemeyer: (lacht) So deutlich wird es sicher nicht. Aber wir gewinnen. Ich tippe auf 4:2 für die Bayern.