Zdenek Zeman ist in Italien ein Mythos. "Il boemo", der Böhmer, wie er genannt wird, steht im Land des Catenaccios für Himmelfahrtskommando-Fußball. Zwei, drei, vier Gegentore? Egal, hauptsache man hat eines mehr geschossen als der Gegner. Die Revolution, die der Kettenraucher in der Serie A umsetzen wollte, gilt schon lange als gescheitert und Zeman eher als Maskottchen denn als ernstzunehmender Trainer.
Ein auf Offensive ausgerichtetes System kann laut dem gemeinen italienischen Fußballromantiker einfach nicht mit einer guten Defensive vereinbart werden. Diese fragwürdige Erkenntnis hat man eben besagtem Zeman zu verdanken.
In einem kleinen Städtchen in Mittelitalien scheinen Ansätze dieser revolutionären Gedanken dennoch einen neuen Chefideologen gefunden zu haben: Maurizio Sarri, Coach des Aufsteigers FC Empoli. Und dabei war der 56-jährige vor nicht allzu langer Zeit noch Angestellter einer Bank.
Der Beginn irgendwo im Nirgendwo
Der in Neapel geborene und in der Toskana aufgewachsene Sarri ist in den Tiefen des italienischen Amateurfußballs gestartet: "Ich war ein rustikaler, respekteinflößender Innenverteidiger mit wenig fußballerischem Talent." Ein Spieler, der zwischen Ball und Schienbeinen selten einen Unterschied machte.
Es kursiert die Legende, dass einige Stürmer sich nur deswegen krank gemeldet haben, damit man nicht gegen ihn spielen müsse. Dass ausgerechnet eine eigene Verletzung den Schrecken der italienischen Offensivreihen schlussendlich zum Karriereende zwang, war wohl Schicksal.
Halb Trainer, halb Bankangestellter
Es folgte der Wechsel an die Seitenlinie, zuerst 1990 bei U.S. Stia, einem Dorfverein, der in der zweitniedrigsten Spielklasse Italiens (9. Liga) kickte. Damals war Sarri nur Hobby-Trainer und tagsüber in führender Funktion bei der Bank Montepaschi angestellt, um sich dort seine Brötchen zu verdienen.
Es sollte elf Jahre dauern, bis der ambitionierte Coach aus Figline Valdarno schließlich den Entschluss fasste, seinem großen Traum endgültig zu folgen.
Nach dem Aufstieg in die fünfte italienische Spielklasse mit dem AC Sansovino kündigte Sarri seinen "normalen" Job und setzte sich hauptberuflich auf die Trainerbank. "Ich wusste, dass wir den nötigen Qualitätssprung nur dann schaffen, wenn ich mein Hobby zum Beruf mache. Meine Familie hat mich darin unterstützt. Ich habe schließlich den Beruf gewählt, den ich auch ohne Bezahlung machen würde. "
Der Qualitätssprung folgte in der Tat, innerhalb von zwei Jahren stieg man von der fünften in die vierte und niedrigste der Profiligen Italiens auf. Danach zog es den Wandervogel weiter: Neun Stationen waren es - unter anderem Arezzo, wo er 2006 einen gewissen Antonio Conte ablöste - bis er schließlich 2012 bei Empoli anheuerte.
Das Spiel steht über dem Erfolg
Als Sarri die Mannschaft damals übernahm, startete man die Saison mit gerade mal vier Punkten aus neun Spielen, um dann einen fulminanten Lauf einzulegen. Schließlich ergatterte man einen Platz in den Playoffs für den Aufstieg in die Seria A, scheiterte dort jedoch an Livorno.
In der nächsten Saison folgte dann das Undenkbare: Maurizio Sarri, der ehemalige Bankangestellte und Amateurtrainer, stieg mit Empoli nach einem 2:0-Erfolg über Delfino Pescara am letzten Spieltag in die höchste italienische Spielklasse auf.
"Er ist seit 15 Jahren Trainer, in der neunten Liga mit viel Leidenschaft gestartet. Jetzt ist er in der Serie A. Er soll sie genießen, niemand verdient es sich so wie er", waren die Worte des Präsidenten Fabrizio Corsi.
Für Sarri hatte die Serie A aber nie wirklich Priorität. Es ist das Spiel selbst, das es ihm so angetan hat: "Die Serie A ist für mich nur eine Ergänzung zu meiner restlichen Karriere. Sie ist mir nicht so wichtig. Mein Wunsch war es, meine Leidenschaft zur Arbeit zu machen, und das hatte ich schon davor geschafft. Der Fußball verändert sich zwar, je höher man aufsteigt. Es ist aber nicht gesagt, dass die Emotionen und die Genugtuung größer werden."
Ein Angestellter und sein Aschenbecher
"L'impiegato" - den Angestellten nennen sie ihn. "Als ob ich mich dafür schämen müsste. Mir geht das ganze Gerede um mein Privatleben auf die Nerven, nur um mich irgendwie abzustempeln." Er gilt in der Trainerszene als Homo Novus, ein Emporkömmling in der exklusiven Kaste der Profi-Fußballehrer - eine Schublade, aus der er sich nicht mehr herauszwängen kann.
Immer wieder wird er auf seine berufliche Vergangenheit angesprochen. Gleiches gilt für seinen Zigarettenkonsum: "Ich zähle nicht, wie viele Zigaretten ich rauche. Auf der Bank darf ich sowieso nicht. Manchmal lässt mich ein Fan im Stadion in Empoli einen Zug nehmen. Außerdem werde ich so oft auf die Tribüne geschickt, dass ich nicht lange ohne auskommen muss."
In der Tat gilt Sarri als mürrisch, direkt und impulsiv. Eine weiteres Etikett, das ihm an die Stirn geheftet wurde. Seine Rechtfertigung: "Ich bin Toskaner. Wir sind aufrichtig, polemisch, aber wenigstens authentisch."