Bei Würzburg und der Admira gab es in den vergangenen Monaten etliche Trainerwechsel. Finden Sie, dass Trainer generell zu wenig Zeit bekommen?
Helmes: Es ist schon eine eigenartige Entwicklung bei vielen Vereinen, wie schnell Trainer entlassen werden. Besonders befremdlich finde ich aber auch die Entwicklung, dass Trainer heute hier geschmissen werden und morgen bei einem Konkurrenten unterschreiben. Letztlich muss aber jeder für sich entscheiden, ob er das cool findet oder eben nicht.
Sie wurden noch nie entlassen. Fürchten Sie sich vor dem ersten Mal?
Helmes: Selbst die besten Trainer werden irgendwann entlassen, also muss man sich damit beschäftigen. Mit einem langjährigen Bundesliga-Trainer habe ich mich mal über dieses Thema sehr intensiv unterhalten. Er hat mir erzählt, wie fertig ihn eine Entlassung macht. Ich hoffe, dass ich möglichst lange davon verschont bleibe. Aber irgendwann wird es wohl auch mich erwischen.
Wollen Sie langfristig Cheftrainer einer Profimannschaft werden?
Helmes: Obwohl wir in der höchsten Amateurliga spielen, sehe ich meine Juniors als Profis an. Zumindest gehe ich mit den Spielern wie mit Profis um. Aber natürlich ist es mein Ansporn, später höher zu trainieren. Ich bin 37 und erst seit sechs Jahren Trainer, es bleibt also noch viel Zeit. Genau wie man als Spieler über mehrere Jahre Leistung nachweisen muss, um nach oben zu kommen, sollte man das als Trainer auch.
Nach Engagements als Cheftrainer der Reserve des 1. FC Köln und Co bei Rot-Weiß Erfurt arbeiteten Sie zwei Jahre lang in der Akademie von Bayer 04 Leverkusen. Warum?
Helmes: Ich wollte auch den Nachwuchsbereich kennenlernen. Im ersten Jahr habe ich meinen Fußballlehrer gemacht und mir alles parallel angeschaut. Im zweiten Jahr gemeinsam mit einem zweiten Cheftrainer die U15 trainiert. Es ist nicht einfach, wenn zwei Trainer gleichzeitig ihre Ideen vom Fußball implementieren wollen, egal wie wieviel sie sich miteinander austauschen. Gleichzeitig hat sich bei mir immer mehr herauskristallisiert, dass ich zurück in den Herrenbereich will.
Im Januar 2020 wechselte Florian Wirtz von Köln nach Leverkusen. Wie haben Sie seinen Werdegang verfolgt?
Helmes: Zum ersten Mal wahrgenommen habe ich Flo während meiner Zeit als Trainer der Kölner Reserve. Damals hatte er viel mit Verletzungen zu kämpfen. Als er 2019 mit der Kölner B-Jugend im Finale gegen Borussia Dortmund Deutscher Meister wurde, war ich im Stadion. Flo war mit Abstand der beste Spieler auf dem Platz. Köln hat ihm danach vielleicht den falschen Weg aufgezeigt. Leverkusen bietet Flo ein sehr gutes Umfeld, um sich an die Bundesliga anzupassen. Das wäre beim Überlebenskampf in Köln sicherlich schwieriger gewesen.
Was zeichnet ihn Ihrer Meinung nach aus?
Helmes: Flo hat eine wahnsinnige Spielübersicht und löst Situationen instinktiv richtig. Das ist eine besondere Gabe, über die auch Kai Havertz verfügt.
Wie beurteilen Sie seine Entwicklung in der Bundesliga?
Helmes: Bisher präsentiert er sich trotz seines jungen Alters sehr stabil. Aber auch bei ihm wird sich ein Alltag einstellen und alles etwas schwerfälliger. Die Erwartungen werden hochgeschürt und es gilt, die ersten Eindrücke zu bestätigen. Es gibt genügend Spieler, die genau damit ihre Probleme hatten. Aber er wird das schaffen.
Abschließend zu einem traurigen Thema: Als sich in Wien Anfang November ein tragischer Terroranschlag ereignete, waren Sie nur wenige Meter entfernt. Können Sie die Erlebnisse schildern?
Helmes: Ich war mit meiner Frau und meinen Kindern in einem Restaurant in der Nähe des Schwedenplatzes 30 Meter von dem Ort des Attentats entfernt essen. Als der Laden auf einmal schlagartig voller wurde, dachten wir zuerst, dass es sich um eine Überraschung handelt für eine Geburtstagsparty, die am Nachbartisch zugange war. Plötzlich wurde es aber immer hektischer und Leute schrien: "Draußen wird geschossen!" Alle Gäste sind wild durcheinander gerannt und haben nach Verstecken gesucht.
Wie ging es weiter?
Helmes: Wir haben uns zwei Stunden lang in einem Müllraum verschanzt, dann lagen wir in der Küche und zum Schluss unter den Tischen. Während wir uns versteckt haben, hat die Polizei-Sondereinheit WEGA den Laden gestürmt und besetzt. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir schon jegliches Zeitgefühl verloren. Insgesamt waren wir siebeneinhalb Stunden in dem Restaurant, von halb sieben bis zwei Uhr in der Nacht. Dann wurde Entwarnung gegeben und der Laden nach und nach evakuiert. Weil wir die einzigen Gäste mit Kleinkindern waren, durften wir als Erstes raus. Mein Team-Manager, der auch dabei war, hat uns dann heimgefahren.
Was ging Ihnen in diesen Momenten durch den Kopf?
Helmes: Das Gefühl ist schwer zu beschreiben. Man funktioniert, weil man seine Kinder schützen will. Interessant zu beobachten war es, wie sich Menschen mit Todesangst verhalten: Als Eltern haben sich meine Frau und ich als erstes um unsere Kinder gekümmert. Alle anderen haben natürlich nur versucht, sich selbst zu schützen.
Wie gingen Sie in den darauffolgenden Wochen mit den Erlebnissen um?
Helmes: Wir waren einfach zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort. Die Gedanken an diesen Tag fühlen sich weiterhin völlig surreal an. Sie werden immer nur dann real, wenn wir am Schwedenplatz vorbeikommen und all die Kreuze und Kerzen und Blumen sehen. Zum Glück ist uns nichts passiert und wir sind mit dem Schrecken davongekommen.