"Ich war ein kompletter Idiot. Kein Zweifel." Diese Worte benutzt der Fußballprofi Joey Barton gerne, wenn er von früher spricht. Aber er sagt auch: "Ich habe mich geändert". Doch in den letzten Tagen überspannte der Mittelfeldspieler den Bogen mal wieder. Zumindest nach Ansicht seines Vereins Newcastle United, der seit Montag nur noch Bartons Ex-Klub ist.
Nachdem er via Twitter öffentlich Veranwortliche der Magpies kritisierte hatte, setzte man ihn auf die Transferliste und teilte ihm mit, dass er den Klub trotz Vertrags bis 2012 ablösefrei verlassen könne. Barton wird nie wieder für Newcastle spielen und muss noch ein halbes Monatsgehalt Strafe zahlen.
Probleme mit der Justiz
Es ist nicht das erste Kapitel einer turbulenten Karriere. Einer Karriere, in der Zigarren, Alkohol und Schlägereien eine große Rolle spielen.
Zuletzt befanden sich seine United-Teamkollegen in den USA, um sich auf die neue Saison vorzubereiten. Barton war nicht dabei. Die amerikanischen Behörden hatten ihm die Einreise verweigert, da er schon oft Probleme mit der Justiz hatte.
Er sagt dazu: "Sie verlangen fünf Jahre ohne Ärger. Drei Jahre sind vorbei, zwei muss ich noch schaffen". Es ist ihm zu wünschen, dass er es hinbekommt. Denn irgendwie hat Joseph "Joey" Barton schon genug falsch gemacht in seinem Leben.
Kein Start nach Maß
Es gibt Spieler, denen scheint der Erfolg hinterher zu fliegen. Die kommen mit 18 Jahren zu den Profis und schießen in ihrem ersten Spiel ein Tor. Barton ist ein anderer Fall. Im November 2002 hätte er sein Profi-Debüt geben sollen. Sein damaliger Trainer Kevin Keegan wollte dem jungen Spieler von Manchester City eine Chance geben.
Das Problem: Barton fand sein Trikot nicht. Nachdem er es in der Halbzeit auf der Auswechselbank gelassen hatte, war es plötzlich spurlos verschwunden. Danach musste er fast ein halbes Jahr auf seinen nächsten Einsatz warten.
Bei Joey Barton geht eben nichts wie von selbst. In Liverpool, im selben Stadtteil wie Steven Gerrard geboren, spielte er in der Jugend für den FC Everton. "Ich hatte eine Jahreskarte im Goodison Park. Meine Familie und alle in meinem Umfeld waren Everton-Fans. Ich wollte dort mein ganzes Leben bleiben", erzählt er.
Doch nach sechs Jahren in der Nachwuchsabteilung der Toffees musste er den Klub verlassen. "Ich war 14 Jahre alt und mein Herz war gebrochen.", sagt Barton über die damalige Situation. Auch bei Nottingham Forest wurde er abgelehnt. "Zu klein und nicht gut genug", lautete das Urteil.
Ein unbändiger Wille
Doch Barton will unbedingt Fußballer werden. Deshalb tut er das, was er bis heute am besten kann: kämpfen. "Ihr sagt, ich bin nicht gut genug. Ich werd's euch schon zeigen", beschreibt Barton seine damalige Gefühlslage.
Er schafft den Sprung zu Manchester City. Nachdem er dort alle Jugendmannschaften durchlaufen hat, erkämpft sich der Junge aus Liverpool in der Saison 2003/2004 sogar einen Platz in der ersten Elf der Citizens.
Keine Angst vor großen Namen
Das Manchester City von damals hat mit dem heutigen Scheich-Klub zwar herzlich wenig gemeinsam. Dennoch stehen mit Nicolas Anelka oder Robbie Fowler durchaus Spieler von internationalem Format im Kader. Vor den großen Namen hat Barton aber offensichtlich wenig Respekt, geschweige denn Angst.
"Manche von den erfahrenen Spielern sind vielleicht überrascht, dass ich ihnen so oft widerspreche. Es mag merkwürdig für sie sein, wo ich doch ein Jugendspieler bin, aber ich denke sie akzeptieren es. Wo ich aufgewachsen bin, ist es egal wie alt du bist. Wenn jemand etwas zu dir sagt, hast du das Recht zu antworten."
Ein junger Spieler, der sich nicht unterkriegen lässt. Einer, der um seinen Platz kämpft und der auch auf dem Feld aggressiv ist. Endlich wieder ein echter Typ! So einen müssen sie doch mögen auf der Insel, möchte man meinen.
Schlägerei im Freundschaftsspiel, Zigarre auf der Weihnachtsfeier
Bartons Karriere nimmt jedoch einen völlig anderen Verlauf. Und Schuld daran hat vor allem einer: er selbst.
Denn in den nächsten Jahren lässt der Liverpooler so gut wie keine Gelegenheit aus, um seinen Ruf zu beschädigen. In einem Freundschaftsspiel gegen die Doncaster Rovers am 22. November 2004 zettelt er eine Massenschlägerei an, die zehn Minuten andauert.
Trainer Keegan spricht Barton nach dem Vorfall die persönliche Reife ab: "Joey denkt, er könne auf sich selbst aufpassen. Aber wenn du anfängst, solche Dinge zu tun, dann bekommst du Probleme mit den anderen."
Auf der Weihnachtsfeier der Citizens gerät Barton mit einem 18-jährigen Jugendspieler aneinander. Im Zuge des Streits drückt er eine Zigarre im Auge des Jungen aus, der versucht hatte, Bartons T-Shirt anzuzünden. Doch auch nach Zahlung einer empfindlichen Geldstrafe kommt Barton nicht zur Ruhe.
Immer nach dem gleichen Schema
Nur ein halbes Jahr später wird er von einem Turnier in Thailand nach Hause geschickt, nachdem er einen 15 Jahre alten Everton-Fan attackiert, der ihn provoziert hatte. Als ihn Teamkollege Richard Dunne zurückhalten will, beißt Barton dem stämmigen Innenverteidiger in den Finger. Ein "Times"-Reporter beschreibt die Szene als "einen Moment des Wahnsinns".
All diese Dinge folgen demselben Muster: Barton begeht einen Fehler. Daraufhin entschuldigt er sich und zeigt Reue. Einige Zeit später wird er jedoch rückfällig und das Spiel beginnt von vorn.
Auffallend ist auch, dass Barton sowohl auf als auch neben dem Platz aneckt. Mit einigen brutalen Fouls trägt er nicht gerade zur Verbesserung seines Images bei.
Ein unrühmlicher Abschied
Und sogar innerhalb seiner eigenen Mannschaft bekommt Barton Probleme: Einige seiner Mitspieler bezeichnet er im April 2007 als "unterdurchschnittlich". Nur zwei Wochen später wird er schon wieder auffällig: Er schlägt seinen Teamkollegen Ousmane Dabo so heftig zusammen, dass er im Klub nicht mehr tragbar ist.
Der Franzose erstattet Anzeige, doch Barton entgeht knapp dem Gefängnis. Die Citizens wollen ihn darufhin loswerden und verkaufen ihn für über sechs Millionen Euro an Newcastle United.
Doch auch dort läuft es nicht rund: Die Anfangszeit im St. James's Park bezeichnet er selbst als "eine Serie von katastrophalen und kostspieligen Fehlern". Der Mittelfeldspieler ist oft verletzt und wenn er spielt sind seine Leistungen nicht berauschend.
Das ist eher der Alkohol, den Barton in immer größeren Mengen zu sich nimmt. "Wenn man Fußball spielt, hat man eine Menge Druck - von den Fans, den Medien. Deshalb trank ich nach den Spielen immer", erzählt er im Interview mit dem französichen Magazin "So foot".
Um 5:30 in Liverpool
Am 26. Dezember 2007, dem Boxing Day, ereignet sich dann etwas, was Barton endlich zur Einsicht bringt.
Barton ist am Knöchel verletzt und kann deswegen nicht für seine Mannschaft auflaufen. Der damals 25-Jährige nutzt die freie Zeit für eine Sauftour in Liverpool. Gemeinsam mit seinem Bruder und seiner Cousine wird er am frühen Morgen in einen heftigen Streit verwickelt.
Überwachungskameras zeigen, wie Barton erst einen Mann zu Boden schlägt und dann wild auf diesen einschlägt. Es sind Szenen von unglaublicher Brutalität. Sie zeichnen das Bild eines Mannes, der sich nicht im Griff hat.
Sinneswandel durch Zeit im Gefängnis?
Und der jetzt einen Denkzettel verdient hat. Barton muss ins Gefängnis. Zu sechs Monaten Haft verurteilen ihn die Richter. Nach 74 Tagen darf er wieder raus. Er gelobt Besserung und verspricht mal wieder, ab jetzt werde sich alles ändern.
Alles wie immer also? Nein, denn diesmal lässt Barton den Worten Taten folgen: Seit seiner Zeit im Gefängnis trinkt er keinen Alkohol mehr und benimmt sich für seine Verhältnisse anständig.
"Mein Ruf wird mir vorauseilen bis zu meinem Tod und für manche kann der nicht früh genug kommen", sagt er der "BBC". "Aber alles was ich tun will, ist Fußball spielen. Ich lebe und atme das Spiel."
Ein Mann für die "Three Lions"?
Nun hat ihn sein Ruf offenbar mal wieder eingeholt. Seine Zeit in Newcastle ist seit Montag abgelaufen. Den Anhängern der Magpies wird er in guter Erinnerung bleiben. Die gegnerischen Fans hatten ihn dagegen immer ausgepfiffen und werden es wohl auch künftig tun, egal bei welchem Verein er landet.
Lange Zeit war er auch ein absolutes Feindbild der Medien, doch heute fordern einige sogar seine Nominierung in die Nationalelf. Für die "Three Lions" kam er bisher nicht über einen achtminütigen Einsatz in einem Freundschaftsspiel im Jahr 2007 hinaus.
Sein Rauswurf in Newcastle wird ihm in Sachen Nationalmannschaft nicht wirklich helfen. Womöglich ist dieser Zug sogar endgültig abgefahren. Barton wird allerdings auch künftig auffallen - auf dem Platz oder daneben. Wie kürzlich, als er auf die Frage, wer denn der beste englische Mittelfeldspieler sei, antwortet: "Um ehrlich zu sein, ich denke, ich bin es."
Joey Barton im Steckbrief