Manchester United hatte jahrelang versucht, Jadon Sancho zu verpflichten. Wer konnte es den Red Devils verdenken? Der Flügelstürmer hatte sich in der Bundesliga beim BVB zu einem tollen Spieler entwickelt und war am Ende seiner Zeit in Dortmund in fast jedem Spiel an einem Tor beteiligt gewesen.
Seit 2018 hatte ihn Manchester United beobachtet, 2019 war dem BVB die Ablöse zu niedrig gewesen. Im Juli 2021 war es dann aber schließlich so weit, für 85 Millionen Euro bekamen die Red Devils ihren Wunschspieler.
Doch schon zwei Jahre später ist Sancho von der nächsten großen Hoffnung des englischen Fußballs zu einer geisterhaften Figur geworden.
In der vergangenen Saison stand er mehrere Monate lang nicht im Kader von United. Als der 23-Jährige zurückkehrte, war er nur selten gut ins Spiel eingebunden. Das Tempo, seine Physis und der Einfallsreichtum, die ihn zu einem so vielversprechenden Spieler gemacht hatten, waren wie weggeblasen.
In der Saison 2023/24 kam Sancho in den ersten drei Spielen nur zu Kurzeinsätzen, beim FC Arsenal (1:3) fehlte er dann komplett.
Die Fans nahmen an, dass er verletzt sei, aber nach dem Spiel gab Erik ten Hag eine überraschend ehrliche Antwort auf die Frage nach Sanchos Fehlen: "Wir haben ihn aufgrund seiner Leistungen im Training nicht mitgenommen. Man muss bei Manchester United jeden Tag auf hohem Niveau spielen. In der ersten Reihe kann man Entscheidungen treffen, deshalb wurde er in diesem Spiel nicht in den Kader berufen."
Sancho schlug direkt zurück und verteidigte sich, indem er behauptete, er sei "seit langem zum Sündenbock gemacht worden". Der Engländer riskierte, sich mit seiner Antwort in Schwierigkeiten zu bringen, aber immerhin wehrte er sich. Nun kann ihn ausgerechnet Ex-Klub Borussia Dortmund aus dem Sumpf ziehen.
SPOX und GOAL zeichnen den Aufstieg und Fall eines der größten Talente Englands nach, das in der Bundesliga brillierte, aber in seiner Heimat nicht zurechtkommt.
Jadon Sancho: Groß geworden in den Straßen Süd-Londons
Sancho ist in Kennington, im Süden Londons, geboren und aufgewachsen. Der Süden der Hauptstadt hat sich in den letzten zehn Jahren zu einer Brutstätte des Fußballs entwickelt. Eine Studie aus dem Jahr 2021 ergab, dass zehn Prozent der Premier-League-Spieler aus diesem Gebiet unterhalb der Themse stammten.
Joe Gomez, Ruben Loftus-Cheek, Aaron Wan-Bissaka, Eberechi Eze und Tammy Abraham sind nur einige der Spieler, die aus der Südlondoner Fußballszene hervorgegangen sind, die das Zentrum der von Rio Ferdinand präsentierten Fernsehserie South of the River war. Und Sancho, dessen Fähigkeiten auf den unbarmherzigen Betonplätzen der Gegend, den so genannten Käfigen, verfeinert wurden, war der größte Star der Gegend.
Jadon Sancho wurde in Watford ausgebildet
Obwohl er aus dem Süden des Landes stammt, sammelte Sancho seine ersten Erfahrungen im Norden der Hauptstadt bei Watford. Dorthin ging er im Alter von sieben Jahren und blieb bis zu seinem 15.
Obwohl er den Verein vor einem möglichen Übergang zu den Profis verließ, hat er sehr gute Erinnerungen an seine Zeit bei den Hornets. "Watford hat mir sehr viel Spaß gemacht", sagte Sancho 2022 auf der Website von Manchester United: "Ich war glücklich, als ich dort war und ich hatte viele Freiheiten im Spiel. Das ist es, was mich glücklich macht und mich zum besten Spieler macht, der ich sein kann - wenn ich einfach frei bin und das tue, was ich liebe. In Watford habe ich viel an meinen Fähigkeiten gearbeitet und ich wollte den Leuten zeigen, was ich kann."
Manchester Citys verpflichtete das Supertalent
Sanchos Talent sprach sich im ganzen Land herum, 2015 kam Manchester City auf ihn zu. Sancho sagte, der Wechsel zu den Skyblues "war eine gute Gelegenheit, aus dem Viertel herauszukommen. Dort gab es eine Menge schlechter Einflüsse".
Er spielte in der gleichen U18-Mannschaft wie Phil Foden und Brahim Diaz (heute Real Madrid), sehnte sich aber nach einer Chance auf einen Platz in der ersten Mannschaft. Als er bei der Vorbereitungstour durch die Vereinigten Staaten 2017 nicht im Kader von Pep Guardiola stand, während Foden mitreisen durfte, wurde Sancho wütend und nahm nicht mehr am Training teil.
Ein Flugzeug nach Dortmund
Während Guardiola der Meinung war, Sancho sei noch nicht reif für die erste Mannschaft, war der Spieler anderer Meinung und suchte sich sofort einen neuen Verein. Borussia Dortmund war bereit, ihn im Sommer 2017 für rund 10 Millionen Euro zu holen und ihn direkt in den Kader der ersten Mannschaft zu integrieren.
Sanchos Glaube an seine eigenen Fähigkeiten wurde bestätigt, als er im Oktober 2017 gegen Eintracht Frankfurt sein Profi-Debüt geben durfte. Im April 2018 erzielte er dann beim 4:0-Sieg gegen Bayer Leverkusen sein erstes Tor und bereitete zwei weitere Treffer vor.
Jadon Sancho: England-Debüt mit 18 Jahren
Sanchos tolle Leistungen für den BVB waren selbst in England nicht zu übersehen: Im Oktober 2018 wurde er von Gareth Southgate in den Kader Englands berufen. Beim 0:0-Unentschieden gegen Kroatien in der UEFA Nations League gab er sein Debüt, wurde für Raheem Sterling eingewechselt.
Im Alter von 18 Jahren und 200 Tagen war er damals der siebtjüngste englische Debütant aller Zeiten (mittlerweile ist er der neuntjüngste).
Premieren-Treffer in der Champions League
Nur zwei Wochen nach seinem Debüt für England erreichte Sancho einen weiteren Meilenstein: sein erstes Tor in der Champions League. Atlético Madrid war das Opfer. Borussia Dortmund lag bereits mit 2:0 in Führung, als er von der Bank kam und den Vorsprung seiner Mannschaft ausbaute - letztlich gewann der BVB 4:0.
Sanchos Durchbruchsaison war unglaublich, er beendete sie mit zwölf Toren in der Bundesliga und 18 Assists, sowie je einem in der Champions League. Aber seine nächste Saison, 2018/19, war noch stärker.
Sancho, der nun in einer Mannschaft mit Erling Haaland spielte, erzielte 17 Tore für Dortmund und war damit hinter Robert Lewandowski und Timo Werner der drittbeste Torschütze der Bundesliga in dieser Saison. Außerdem lieferte er 17 Assists - letztlich war er pro Spiel also im Schnitt an mehr als einem Tor beteiligt.
Jadon Sancho: Abgang mit einem Titel vom BVB
Seinen ersten Titel gewann Sancho dann nach vier Jahren beim BVB: Im Mai 2021 schlugen sie im DFB-Pokalfinale die Leipziger mit 4:1.
Der Flügelstürmer spielte dabei eine Hauptrolle und erzielte zwei Tore, während Haaland die beiden weiteren Treffer erzielte. Für Sancho war es das letzte Spiel im Dortmunder Trikot. Schade war nur, dass das Spiel wegen der Corona-Pandemie ohne Fans im Stadion stattfinden musste.
"Ich kann den Verantwortlichen von Borussia Dortmund nicht genug für die Chance danken, die sie mir als sehr jungem Spieler gegeben haben", sagte Sancho, als er Dortmund schließlich verließ. "Beim BVB konnte ich zu dem Spieler heranreifen, der ich heute bin. Der DFB-Pokalsieg in der letzten Saison war ein toller Abschluss meiner Zeit beim BVB. Aber ich werde die Unterstützung und Liebe der unglaublichen Fans immer als etwas Besonderes in Erinnerung behalten."
Der große Transfer zu Manchester United
United hatte Sancho seit mehr als einem Jahr im Visier und einigte sich schließlich im Juli 2021 mit Dortmund auf eine Ablösesumme von 85 Millionen Euro. Obwohl er zwei Jahre bei City verbracht hatte, äußerte Sancho seine langjährige Bewunderung für die Red Devils: "Als ich aufwuchs, war Manchester United einer der größten Vereine, den jeder kennt. Natürlich haben sie viele Titel gewonnen und viele legendäre Spieler, die vor mir gekommen sind", sagte der Engländer. "Deshalb bin ich sehr glücklich, dieses Trikot jetzt zu tragen."
Jadon Sanchos folgenschwerer Fehlschuss bei der EURO 2021
Sancho spielte nur eine untergeordnete Rolle bei Englands Einzug ins Finale der EURO 2021, doch sein Turnier endete mit einer tragischen Geschichte: Im Finale wurde er gegen Italien im Wembley-Stadion erst spät in der Verlängerung eingewechselt - im Elfmeterschießen verschoss er seinen Versuch und war so mitverantwortlich für die Niederlage.
Schwierige erste Saison 2021/22 bei ManUnited
Sancho war im Sommer 2021 bei Weitem nicht der Star unter den Neuverpflichtungen von United: Seine Ankunft wurde durch die überraschende Rückkehr von Cristiano Ronaldo ins Old Trafford in den Schatten gestellt.
Sancho hatte Mühe, sich an sein neues Team anzupassen. United erlebte eine seiner schlechtesten Saisons in der Premier League, die man als Sechster beendete und die wenigsten Punkte seit 30 Jahren holte. Auch individuell war es eine schwierige Saison, Sancho erzielte in der Liga nur drei Tore.
2022/23 ging es für Jadon Sancho gut los
Zu Beginn seiner zweiten Saison bei United war Sancho dann wieder der Spieler, für den sie 85 Millionen Euro gezahlt hatten.
Der Flügelspieler erzielte beim 2:1-Sieg gegen Liverpool ein brillantes Tor, legte gegen Leicester ein weiteres entscheidendes nach und traf auch in der Europa League gegen Sheriff.
"Er hat verstanden, dass er jetzt in seine Physis investieren muss und das hat er getan. Jetzt kann er die Belohnung bekommen, muss weiter abliefern. Ich bin sicher, dass das erst der Anfang für ihn ist", freute sich ten Hag. "Mit seinem Potenzial gibt es noch viel Raum für Verbesserungen, er kann noch wichtiger werden und mit seiner Kreativität und seinen Toren und Assists zu unserem Erfolg beitragen."
Jadon Sancho: Vor der WM aus dem United-Kader geschmissen
Sanchos glänzender Start verblasste jedoch bald und er trug immer weniger zum Erfolg bei. Dann griff ten Hag entschlossen durch, nahm ihn komplett aus dem Kader und erstellte ein individuelles Trainingsprogramm, um den Flügelspieler wieder fit zu machen und ihn zu motivieren.
"Als die Liga begann, hat er einige gute Spiele gemacht, aber danach haben wir einen Leistungsabfall erlebt. Manchmal weiß man nicht, woran das liegt", so der Niederländer. "Meistens kommt es langsam. Zuerst beobachtet man es, aber die Statistiken bestätigen es. Zu Beginn der Saison hatte er einige Tore und Vorlagen, aber seine Schlüsselmomente und -aktionen wurden immer seltener. Es ist eine Kombination aus physischen und mentalen Faktoren."
Eine starke Rückkehr - vorerst
Im Februar 2023 kehrte Sancho schließlich nach einer verpassten WM mit England ins United-Team zurück und wurde von den Fans bei seinem Comeback gegen Nottingham Forest begeistert empfangen. Er war mehr als dankbar und schrieb in den sozialen Medien: "Wow! Ich möchte mich bei allen für die Unterstützung bedanken, die ich in den letzten Wochen erhalten habe, vor allem bei den Fans. Mein Fokus liegt darauf, alles für mein Team und den Verein zu geben. Ich bin so froh, wieder auf dem Platz zu stehen, bis bald."
Sancho erzielte zwei Treffer innerhalb weniger Tage: zunächst bei seinem Comeback gegen den Rivalen aus Leeds und dann beim 3:0-Sieg gegen Leicester. Aber leider war sein Aufschwung nur von kurzer Dauer. Er beendete die Saison mit nur zwei Treffern in den letzten drei Monaten und befand sich in wenig überzeugender Form.
Ärger mit Erik ten Hag
Sancho war in der Vorbereitung auf die Saison 2023/24 in Top-Form, während der USA-Tour wurde er als falsche Neun eingesetzt. Beim Premier-League-Auftakt gegen die Wolves (1:0) sowie in den darauffolgenden Spielen gegen Tottenham (0:2) und Nottingham Forest (3:2) stand er jedoch nicht in der Startaufstellung, kam zumindest von der Bank.
Seine Nichtberücksichtigung im Spiel gegen Arsenal hat jedoch einen Konflikt mit ten Hag ans Tageslicht gebracht. Der Niederländer ist unbarmherzig und hat Spieler, die gegen ihn rebelliert haben, hart bestraft - auch bei Ronaldo hatte er damals keine Ausnahme gemacht. Es folgten eine Suspendierung und Sanchos Weigerung, sich bei seinem Teammanager zu entschuldigen.
Jadon Sancho: Rückkehr zum BVB?
Und da kommt nun der BVB wieder ins Spiel. Wie Sky, Bild und auch Transferexperte Fabrizio Romano berichteten, soll der deutsche Vizemeister intensiv an einer Rückholaktion des Flügelspielers arbeiten und dabei einer Leihe bis zum Saisonende zugestimmt haben. Die beiden Klubs selbst haben noch nichts davon bestätigt.
Laut Sport-Bild-Experte Christian Falk soll United sogar bereit sein, einen Teil von Sanchos Gehalt zu stemmen. Dem Wechsel könnte jedoch noch ein dritter Verein in die Quere kommen, der Sancho im Winter fest verpflichten will. In diesem Fall würde der BVB wieder leer ausgehen.
So oder so, diese Entwicklung war vor zweieinhalb Jahren gewiss nicht absehbar.
Premier League: Die aktuelle Tabelle
Rang | Mannschaft | Sp. | S | U | N | Tore | Diff. | Pkt. |
1 | Liverpool FC | 20 | 13 | 6 | 1 | 43:18 | 25 | 45 |
2 | Aston Villa | 20 | 13 | 3 | 4 | 43:27 | 16 | 42 |
3 | Manchester City | 19 | 12 | 4 | 3 | 45:21 | 24 | 40 |
4 | Arsenal FC | 20 | 12 | 4 | 4 | 37:20 | 17 | 40 |
5 | Tottenham Hotspur | 20 | 12 | 3 | 5 | 42:29 | 13 | 39 |
6 | West Ham United | 20 | 10 | 4 | 6 | 33:30 | 3 | 34 |
7 | Brighton & Hove Albion | 20 | 8 | 7 | 5 | 38:33 | 5 | 31 |
8 | Manchester United | 20 | 10 | 1 | 9 | 22:27 | -5 | 31 |
9 | Newcastle United | 20 | 9 | 2 | 9 | 39:29 | 10 | 29 |
10 | Chelsea FC | 20 | 8 | 4 | 8 | 34:31 | 3 | 28 |
11 | Wolverhampton Wanderers | 20 | 8 | 4 | 8 | 30:31 | -1 | 28 |
12 | AFC Bournemouth | 19 | 7 | 4 | 8 | 28:35 | -7 | 25 |
13 | Fulham FC | 20 | 7 | 3 | 10 | 28:35 | -7 | 24 |
14 | Crystal Palace | 20 | 5 | 6 | 9 | 22:29 | -7 | 21 |
15 | Nottingham Forest | 20 | 5 | 5 | 10 | 24:35 | -11 | 20 |
16 | Brentford FC | 19 | 5 | 4 | 10 | 26:31 | -5 | 19 |
17 | Everton FC | 20 | 8 | 2 | 10 | 24:28 | -4 | 16 |
18 | Luton Town | 19 | 4 | 3 | 12 | 23:37 | -14 | 15 |
19 | Burnley FC | 20 | 3 | 2 | 15 | 20:41 | -21 | 11 |
20 | Sheffield United | 20 | 2 | 3 | 15 | 15:49 | -34 | 9 |