Julian Draxler steht kurz davor, das Opfer einer Kultur zu werden, die schwer nachzuvollziehen ist, im Fußball allerdings immer größeren Einfluss nimmt. Der 23-Jährige ist das Musterexemplar für eine bedenkenswerte Entwicklung. Eine Entwicklung, in der selbst hochtalentierte und leistungsstarke Spieler wie Objekte ersetzt werden.
Noch im Januar kam der Deutsche aus tatsächlich nachvollziehbaren Gründen in die französische Metropole. Draxler sollte PSG nach einer schwachen Hinserie in der Ligue 1 dabei unterstützen, eine Aufholjagd auf die stark aufspielende AS Monaco zu starten.
Die linke Außenbahn konnte zu diesem Zeitpunkt schlicht nicht überzeugen. Lucas Moura, Angel Di Maria und Goncalo Guedes blieben allesamt hinter den Erwartungen zurück. Sommertransfer Jese verließ das Team von Emery in Richtung Spanien. Schließlich wurden 40 Millionen in den zu dieser Zeit bei Wolfsburg unglücklichen Draxler investiert. Selbst die Richtlinien des Financial Fairplays wurden nicht verletzt.
Nach Ankunft: Draxler nutzt Chance bei PSG
Das neue Abenteuer ging vielversprechend los. Draxler traf sowohl beim Liga- als auch beim Pokaldebüt. Er startete in zwölf der 17 Rückrundenpartien, erzielte wettbewerbsübergreifend zehn Tore und wurde gerade nach dem Champions-League-Achtelfinal-Hinspielerfolg gegen den FC Barcelona von der nationalen wie internationalen Presse mit Lob überschüttet.
Drei Wochen später allerdings brach die kurzzeitige Pariser Euphorie wieder in sich zusammen. Das Team von Unai Emery konnte sich trotz des 4:0-Hinspielsieges nicht gegen die Katalanen durchsetzen. Ein Mann stellte im Camp Nou alle in den Schatten. Neymar krönte seinen imposanten Auftritt mit zwei Toren und zwei Vorlagen.
Die Schmerzen, die der Brasilianer mit seiner Show bei den Verantwortlichen von PSG verursachte, müssen fast genauso groß gewesen sein wie die Begehrlichkeiten, die er offenbar weckte. Nachdem der französische Hauptstadtklub seinen Ansprüchen nämlich auch auf nationaler Ebene nicht gerecht wurde, war es für den katarischen Klub-Präsidenten Nasser Al-Khelaifi an der Zeit, zu drastischeren Maßnahmen zu greifen.
Neymar-Ankunft macht Draxler vergessen
Drastischer als sich die Fußballwelt und wohl auch Julian Draxler hätten vorstellen können. Beim Confederations Cup in Russland noch als Kapitän der Nationalmannschaft aufgelaufen, fand er an seiner Wirkungsstätte Anfang August plötzlich überhaupt keine Erwähnung mehr. Die Ankunft des 222-Millionen-Euro-Transfer ließen der Pariser Anhängerschaft und den Verantwortlichen die positiven Leistungen Draxlers offenbar gänzlich in Vergessenheit geraten.
Der 23-Jährige stand bei den ersten drei Pflichtspielen der neuen Saison nicht einmal im Kader. Bei den letzten beiden Auftritten durfte er, jeweils eingewechselt für Di Maria, zumindest für fünf, respektive sieben Minuten auf den Rasen.
Zwar erklärte Draxlers Berater, Roger Wittmann, kürzlich, dass sich sein Mandant "bei PSG wohl" fühle und ein "Wechsel überhaupt kein Thema" sei. Ob diese Meinung allerdings auch bei der Vollendung des nächsten Pariser Wahnsinn-Transfers aktuell ist, gilt es zu bezweifeln.
Auch Mbappe vor PSG-Wechsel
Mit Kylian Mbappe steht bereits die nächste Offensiv-Waffe auf der Matte. Mbappes "Noch-Klub" Monaco hat seine Rückennummer offenbar bereits weitervergeben. Das Arsenal an Superstars, auf welches Trainer Emery zurückgreifen kann, soll um einen weiteren großen Namen mit größerer Strahlkraft als dem von Julian Draxler erweitert werden. Der Transfer des Shootingstars der abgelaufenen Saison scheint nur noch Formsache zu sein.
Apropos Formsache. Entscheidet sich Draxler für einen Verbleib, in etwa als Schoßhund neben dem Dreiköpfigen Monster Neymar-Cavani-Mbappe, so riskiert er bei entsprechend gering erwarteter Spielzeit womöglich auch den Platz in der Nationalelf. In der Saison vor der Weltmeisterschaft ein nicht unbedeutender Faktor.
"Die Spieler wissen, dass wir eine große Konkurrenzsituation haben", erklärte Joachim Löw vor der anstehenden Nationalmannschaftsreise. In der Tat hat er mit Marco Reus, Leroy Sane, Julian Brandt, Serge Gnabry, Andre Schürrle und eben Draxler ein Luxusproblem für die Position auf der linken Außenbahn. Ein Jahr, in dem Draxler zum Großteil auf der Bank Platz nehmen muss, könnte ihn den Kredit vom Sommer kosten.
Neymar-Millionen - Draxler geht bislang leer aus
Aber welche Optionen hat Draxler? Freilich ist der Medienlandschaft die Situation des ehemaligen Schalkers und Wolfsburgers nicht verborgen geblieben. Entsprechend schnell machten auch die ersten Transfergerüchte die Runde. Vom entstandenen Erdrutsch in Folge der am Financial Fairplay vorbeigeschleusten 222 Millionen Euro konnte Draxler bis dato allerdings nicht profitieren.
Barcelona ersetzte die vakante Neymar-Position durch Ousmane Dembele. Der BVB hat dessen Nachfolger hingegen relativ schnell im Ukrainer Andriy Yarmolenko ausgemacht. Die ukrainische Premier Liga stellt eine zumindest wenig realistische Variante dar.
Die englische Presse sieht Draxlers künftige Station freilich in der Premier League. Schließt sich Philippe Coutinho nämlich beim FC Barcelona an, so würde Jürgen Klopp den Deutschen mit offenen Armen an der Anfield Road empfangen. Alternativ könnte er mit Mesut Özil ein deutsches Offensiv-Duo beim FC Arsenal bilden. Die Gunners locken laut der Times mit einem Wochengehalt von 100.000 Euro.
FC Bayern für Draxler beste Option?
Auch dem FC Bayern wurde zuletzt ein Interesse am 23-Jährigen nachgesagt. Und wo eine Verbesserung zur Situation in Paris angesichts der Stärke des Münchner Kaders auf den ersten Blick nicht wirklich erkenntlich ist, so macht ein Bayern-Draxler-Szenario beim zweiten Blick womöglich doch gar nicht so wenig Sinn.
Auf den bayrischen Flügeln befinden sich mit Franck Ribery, Arjen Robben und Kingsley Coman lediglich drei originale Außenbahnspieler im Kader. Ribery und Robben sind aufgrund ihrer Verletzungsanfälligkeit schwierig fest einzuplanen. Coman hingegen mangelt es in seinem Spiel oftmals an der nötigen Effizienz.
Wenn es dem Bayern-Kader vielleicht an einem fehlt, dann an einer weiteren Verstärkung auf dem Flügel. Günstig wäre ein Draxler-Transfer jedoch nicht. PSG verlangt für die Dienste Draxlers Medienberichten zufolge nicht weniger als den Einkaufspreis von 40 Millionen Euro.
Draxler ist Beispiel für unschöne Entwicklung
So oder so könnte Draxlers Zeit in Paris nach nur einem halben Jahr wieder ein Ende gefunden haben. Ein Ende in einem Szenario, welches sich vor wenigen Wochen noch niemand hätte vorstellen können. Ein Ende, welches nicht auf die Leistungen des deutschen Nationalspielers, sondern schlichtweg auf den Wahn des Marktes und eines katarischen Geldgebers zurückzuführen ist.
Der Wahnsinn greift um sich - und Draxler ist international eines der prominentesten Opfer.