Ist das alles noch real?

Florian Schimak
23. Juli 201419:12
Reals neues Starensemble: James, Kroos, Bale und Ronaldo sollen wirbelnspox
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Real Madrid hat sich in der letzten Saison seinen langersehnten Traum von La Decima erfüllt. Doch die Königlichen verstärken ihren Kader zur neuen Saison weiter und verpflichten mit Toni Kroos und James Rodriguez die beiden besten Spieler der gerade beendeten WM. Doch wer hat im königlichen Luxus-Kader überhaupt noch Platz? Ändert Carlo Ancelotti gar das System? SPOX geht fünf mögliche Formationen durch.

Mit der Verpflichtung von Toni Kroos und James Rodriguez setzt Real Madrid mal wieder ein Ausrufezeichen auf dem Transfermarkt. Für einige Kritiker ist der James-Deal wieder nur eine Machtdemonstration von Präsident Florentino Perez. Doch bei genauerer Betrachtung ergeben beide Transfers durchaus Sinn.

Zum einen spürt Cristiano Ronaldo nach über zehn Jahren auf allerhöchstem Niveau die ersten körperlichen Verschleißerscheinungen und wird zur neuen Saison wohl die ein oder andere Pause mehr bekommen, zum anderen will man in Madrid nach dem Gewinn der Champions League in der kommenden Saison neue Reize setzen.

So könnten und werden wohl Spieler wie Angel di Maria oder Sami Khedira die Königlichen bis Ende August noch verlassen. Dass auch Asier Illarramendi auf der Abschussliste steht, wurde immer wieder spekuliert. Doch dem Youngster, der vor einem Jahr immerhin für 38 Millionen Euro zu Real kam, gehört die Zukunft.

Trainer Carlo Ancelotti hat mit den Neuzugängen auch neue taktische Möglichkeiten, die Real noch unberechenbarer machen. Die Modelle sind vielseitig...

Variante 1: 4-3-3-System - Kroos als Mosaikstein

Mit diesem System holte Real im letzten Jahr den Champions-League-Titel. In der Regel gab Xabi Alonso den alleinigen Sechser vor der Abwehr, Luka Modric und Angel di Maria spielten auf den Halbpositionen und waren in der Offensive für die Kreativmomente verantwortlich. Alle drei waren gleichermaßen dafür verantwortlich, dass nach Ballgewinn in der eigenen Hälfte sehr schnell umgeschaltet wurde.

Eigentlich schwer vorstellbar, dass Carlo Ancelotti dieses System ändert, hat er doch mit Cristiano Ronaldo und Gareth Bale die idealen Außenspieler für diese Formation. Mit Toni Kroos kommt zudem ein Spieler, dem dieses taktische Grundgerüst wie auf den Leib geschneidert ist. Kroos spielt die Position des Achters sowohl beim FC Bayern als auch in der Nationalmannschaft.

Die Frage ist: Wohin mit Neuzugang James Rodriguez? Der Kolumbianer ist nicht der klassische zentrale Mittelfeldspieler, sondern fühlt sich auf der Zehn oder der Außenbahn deutlich wohler, da ihm für das zentrale Mittelfeld (noch) die körperliche Robustheit fehlt.

Das gleiche Problem hatte im letzten Jahr auch Isco, der sich erst an die neue Rolle gewöhnen musste und häufig nur von der Bank kam - weil die Konkurrenz auf allen Positionen zu groß war. Erst gegen Ende der Saison und der Verletzung Ronaldos wurde der 22-Jährige ein Faktor im Real-Spiel.

Den klassischen Spielmacher gibt es in Ancelottis System nicht, das musste auch Mesut Özil erfahren und wurde zu Arsenal abgeben. Auch James spielt am liebsten auf der Zehn. Möglich ist, dass der Kolumbianer als Backup für Ronaldo/Bale und gemeinsam mit di Maria als Dampfmacher für Kroos/Modric fungiert.

Vor allem di Marias Zukunft scheint nach seiner starken WM und wohl besten Saison bei den Blancos relativ ungewiss. Ebenso bleibt abzuwarten, wie fit sich CR7 in der Vorbereitung präsentiert. Der Portugiese hatte fast über die ganze Saison mit kleineren bis mittelgroßen Wehwehchen zu kämpfen - durch den Rodriguez-Deal könnte er diese in der kommenden Saison auch auskurieren.

Xabi Alonso hat trotz seines inzwischen fortgeschrittenen Alters und der Kritik aus den spanischen Medien wohl noch die Nase vorn. Der Spanier ist als Bindeglied im königlichen Spiel eigentlich unersetzlich, da der 32-Jährige es wie kein zweiter beherrscht, die Balance zu wahren. Aber mit Illaramendi könnte sich auch ein junger Konkurrent aufmucken, zumal dieser von den Anlagen her der klassische Alonso-Nachfolger ist.

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Seite 2: Pause für CR7 und ein breites Spektrum

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Variante 2: 4-2-3-1-System - Platz für James, Pause für CR7

Aufgrund der hohen Anzahl an Mittelfeldspielern kann Ancelotti auch in leicht modifizierter 4-2-3-1 -Formation auflaufen lassen. Bei diesem System würden Alonso und Modric die Doppelsechs bilden, wobei der Kroate den etwas offensiven Part innehaben würde.

Auf der Zehn könnte entweder Kroos den klassischen Regisseur geben oder James bekommt den Platz auf seiner Lieblingsposition. Sollte der Weltmeister den Vorzug erhalten, so wird James auf den Flügel rücken und so CR7 ab und an eine Pause verordnen. Der Portugiese möchte laut spanischen Medienberichten "piano, piano" in die Saison gehen, um derartige Verletzungsprobleme wie in der vergangenen Runde zu vermeiden.

Durch die Umstellung auf das 4-2-3-1 würde Real sich mehr in Richtung Ballbesitz-Spiel orientieren. Kroos, Modric und Alonso könnten den Ball im Zentrum zirkulieren lassen. Mit James auf den Außen würde vielleicht ein wenig mehr Spielwitz und Klein-klein entstehen. Ronaldo und Bale leben doch eher von ihrer Physis.

Die Königlichen hatten im letzten Jahr so ihre Probleme, wenn sie das Spiel machen musste. Gegen tiefstehende Gegner hatte Real selten einen Plan B und tat sich im Spiel nach vorne arg schwer. Letztlich auch ein Grund, warum es nicht zur Meisterschaft reichte und am Ende nicht das Triple zu Buche stand.

Sollte Kroos in der offensiven Zentrale spielen, hätte es den Vorteil, dass Real einen schussgewaltigen Spieler öfter in aussichtsreicher Position gebracht werden könnte. Gerade aus dem Zentrum kamen in der letzten Saison zu wenige Abschlüsse.

Auch denkbar in diesem System: Ronaldo beginnt in vorderster Front. In diesem Fall würde Benzema nur die Bank bleiben.

Variante 3: 4-4-2-System - Die Breite des Platzes nutzen

Im klassischen 4-4-2-System mit der flachen Vier würde Reals Spiel noch breiter werden. Alonso und Modric könnten das Zentrum dicht machen - der Rest wäre geballte Offensivpower. James würde den klassischen Linksaußen geben und die Stürmer mit Flanken füttern.

Möglich, dass er mit Bale - je nach Spielsituation - im Spiel die Seiten tauscht, so dass auch der Waliser ab und an über seine noch immer bevorzugte linke Seite kommen dürfte. Im Sturmzentrum würden Benzema und Ronaldo auflaufen.

Beide beherrschen es, sich im Zweifelsfall fallen zu lassen und so Räume für den anderen zu schaffen und würden sich in diesem Fall bestens ergänzen. Vor allem Ronaldo könnte seine überragende Kopfballtechnik noch öfter einsetzten, sollte er mit Flanken gefüttert werden.

Das Problem an der Formation: Mit James, Ronaldo und Benzema hätte Real drei Spieler auf dem Platz, die nicht zwingend für ihre defensiven Laufwege bekannt sind. Dadurch dürfte für Modric und Alonso ordentlich Arbeit zu kommen, sollte sich Ancelotti für diese offensive Grundausrichtung entschließen.

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Variante 4: 4-1-2-1-2-System - Zentrum dicht, plus Mega-Sturm

Sollte Ancelotti die Raute wählen, hätte Real im Zentrum wahnsinnig viel Qualität auf dem Platz und würde die Mitte zu machen. Nachteil: Man wäre anfällig für schnelle Angriffe über Außen.

Alonso auf der Sechs, di Maria und Kroos auf den Halbpositionen, James mit allen Freiheiten auf der Zehn und im Sturm - vielleicht auf den ersten Blick etwas gewöhnungsbedürftig - Ronaldo und Bale.

Real Madrid hätte mit dieser Aufstellung aber vor allem eine unfassbare Offensiv-Power zu bieten, die sich in jedem Fall perfekt ergänzen würde. Kroos und di Maria haben inzwischen gelernt auch defensiv zu denken, würden so Alonso bei der Defensivarbeit tatkräftig unterstützen. James, Ronaldo und Bale hätten in der Offensive alle Freiheiten.

Vor allem der Waliser hat bei den Spurs schon bewiesen, dass er in der Spitze agieren kann. Auch wenn er dort etwas hängender eingesetzt wurde.

In diesem System kommt es stark auf die Außenverteidiger an. Marcelo und Carvajal wären für diese Formation durchaus geeignet, bei Coentrao fehlt die richtige Qualität in der Vorwärtsbewegung. Arbeloa käme für dieses System eher nicht in Frage, da es dem Europameister von 2012 schlichtweg an Agilität und Schnelligkeit fehlt, um seine Seite ausreichend zu beackern. Zudem muss man abwarten, ob der 32-Jährige nach seinem Kreuzbandriss wieder ganz der Alte wird.

Variante 5: 3-4-3-System - taktischer Schachzug mit drei Innenverteidigern

Spätestens die WM zeigte, dass die Dreierkette wieder salonfähig ist. Auch Pep Guardiola setzte sie zum Ende der vergangenen Saison beim FC Bayern ein und triumphierte mit diesem taktischen Stilmittel im DFB-Pokalfinale über den BVB. Warum sollte sich nicht auch Carlo Ancelotti für dieses System in Ausnahmefällen begeistern können?

Mit Raphael Varane, Sergio Ramos und Pepe hat Real drei Innenverteidiger von internationalem Format im Kader. Im Vierermittelfeld würden Carvajal (rechts) und Bale (links) die Außenbahnen besetzen und sich bei Ballverlust auf Höhe der Außenverteidiger schieben.

Im Zentrum hätte man so die Möglichkeit mit Modric und Kroos viel Kreativität und Passsicherheit an den Tag zu legen, während ganz vorne Benzema, Ronaldo und James viele Rochaden bilden könnten. Mit Isco hat Ancelotti eigentlich für alle Offensivpositionen eine wichtige Alternative.

In dieser Formation könnte Real sowohl seine geliebtes und schnelles Umschaltspiel einbringen, als auch Ballbesitz generieren, was vor allem gegen kleinere und schwächere Gegner wichtig wäre.

Allerdings bleibt abzuwarten, ob der Italiener bereit ist, sein System komplett aufzubrechen und Real neu auszurichten.

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Real Madrid im Überblick