Ex-Real-Präsident Calderon im Interview: "Lopeteguis Entlassung beschlossene Sache"

Ramon Calderon fungierte von 2006 bis 2009 als Real-Präsident.
© getty

Real Madrid hat seine Negativ-Serie von fünf sieglosen Spielen in Folge beendet. Der knappe 2:1-Sieg in der Champions League gegen Viktoria Pilsen verschaffte dem angezählten Trainer Julen Lopetegui vor dem Clasico im Camp Nou (Sonntag ab 16 Uhr LIVE auf DAZN) jedoch kaum Luft.

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Im Interview mit SPOX und Goal spricht Ramon Calderon, der frühere Präsident des Klubs (2006 bis 2009), über die Gründe für die Krise. Er nennt verblüffende Details über die Abgänge von Cristiano Ronaldo und Zinedine Zidane und verrät, warum Lopetegui unter seinem Nachfolger Florentino Perez keine Zukunft als Trainer hat.

SPOX/Goal: Herr Calderon, was ist eigentlich mit Real Madrid los?

Ramon Calderon: Die aktuelle Situation ist in erster Linie die Konsequenz des Verkaufs von Cristiano Ronaldo. Man kann keinen Spieler ersetzen, der in neun Jahren 450 Tore erzielt hat. Dass diese Qualität Real Madrid zurzeit fehlt, ist offensichtlich.

SPOX/Goal: Kann man die Probleme einer Mannschaft, die auch defensiv alles andere als stabil wirkt, wirklich nur auf die Abwesenheit eines Einzelnen reduzieren?

Calderon: Nicht nur. Die Weltmeisterschaft hat sicherlich auch einen Teil zur schlechten Form beigetragen. Wichtige Spieler wie Luka Modric oder Raphael Varane sind nicht frisch, weil sie bei der WM alle Spiele bestritten haben. Auch Sergio Ramos merkt man an, dass er letztes Jahr an die 60 Spiele gemacht hat. Dieses Problem haben andere große Mannschaften aber auch. Ich bleibe dabei: Cristianos Abwesenheit ist der Hauptgrund für die Verfassung von Real Madrid. Er war mehr als ein Torjäger. Er trug die Mannschaft förmlich auf seinen Schultern, ähnlich wie Lionel Messi den FC Barcelona. Wenn eine Mannschaft ein Problem hat, sucht sie ihren Anführer, der dieses Problem löst. Und Real Madrid hat einen solchen Anführer, einen solchen Protagonisten jetzt nicht mehr.

SPOX/Goal: Warum ging Ronaldo überhaupt? Es hieß, er habe sich mit dem Präsidenten Florentino Perez, ihrem Nachfolger, zerstritten.

Calderon: Davon ist auszugehen. Sie müssen wissen: Cristiano hatte schon vom ersten Tag an einen schweren Stand beim Präsidenten.

SPOX/Goal: Warum? Ronaldo war einer der Galaktischen, die Perez nach seinem Amtsantritt im Sommer 2009 feierlich präsentierte.

Calderon: Er war aber nicht "sein" Spieler. Ich hatte im Vorjahr mit Cristiano und Manchester United eine Einigung über einen Wechsel erzielt. Wäre es nach Herrn Perez gegangen, hätte er den Transfer sogar noch verhindert, weil es mein und nicht sein Transfer war. Cristiano hatte zu diesem Zeitpunkt aber schon längst unterschrieben.

SPOX/Goal: Für Real lohnte sich der Deal. Mit Ronaldo gewann der Klub innerhalb von fünf Jahren vier Mal die Champions League.

Calderon: Absolut. Cristiano war aber, obwohl er die meisten Spiele mit seinen Toren entschied, nie der Liebling des Präsidenten. Wenn ein Arbeitnehmer hervorragende Arbeit leistet und entscheidend zum Erfolg seines Arbeitgebers beiträgt, wünscht er sich etwas von seinem Arbeitgeber zurück. Eine kleine Aufmerksamkeit.

SPOX/Goal: Sie meinen einen besser dotierten Vertrag?

Calderon: Auch. Es ging am Ende aber nicht mehr einzig und allein darum. Cristiano vermisste die persönliche Wertschätzung des Präsidenten. Er fühlte sich nicht mehr gewollt. Der Präsident war geradezu besessen von der Idee, Neymar zu verpflichten. Er wollte Paris Saint-Germain 350 Millionen Euro bezahlen und bot dem Spieler fast das Doppelte von Cristianos Gehalt. Dadurch reifte in Cristiano logischerweise der Gedanke, eine neue Herausforderung zu suchen. Ihm wurde klar: Der Klub verzichtet nicht nur darauf, mich zu unterstützen. Er will mich loswerden.

SPOX/Goal: Neben Ronaldo verließ auch Trainer Zinedine Zidane überraschend den Klub. Hatte er ebenfalls Schwierigkeiten mit Perez?

Calderon: Offensichtlich. Der Präsident bestimmt, wer kommt und wer geht. Eigentlich ist er der Trainer, weil er auch die Aufstellung vorgibt. Zidane resignierte irgendwann. Er konnte keinen Einfluss auf die Entscheidungen des Präsidenten nehmen. Ich glaube, dass ihn am Ende mehrere dieser Entscheidungen zu seinem Rücktritt bewogen.

SPOX/Goal: Welche?

Calderon: Soweit ich weiß, wurden seit Zidanes Amtsantritt fünf Spieler verpflichtet, die er nicht wollte. Er sah zum Beispiel keinen Sinn darin, einen neuen Torwart zu verpflichten. Er wollte ebenso wenig, dass Cristiano geht.

SPOX/Goal: Es kursierten auch Gerüchte um ein Zerwürfnis mit Gareth Bale.

Calderon: Zidane vertraute Bale, sah in ihm aber keinen absoluten Stammspieler. Auch das wollte der Präsident nicht akzeptieren, weil er Bale einst zum teuersten Spieler der Welt gemacht hatte. Solche Diskussionen gab es immer wieder. Am Ende war Zidane der Schlauste von allen, weil er ahnte, dass es ohne Cristiano nicht gut laufen würde.

SPOX/Goal: Letztlich scheiterte auch noch der Transfer von Neymar. Real bemühte sich aber um keine Alternative wie Eden Hazard. Warum?

Calderon: Neymar war das große Ziel des Präsidenten und ich denke, er wird es auch wieder werden. Man muss natürlich auch bedenken: Die wirtschaftliche Situation von Real Madrid ist gut, aber nicht herausragend. Der Klub ist keine Aktiengesellschaft. Er hat keinen Investor, sondern finanziert sich selbst. Umso vorsichtiger muss er mit seinen Ausgaben umgehen. Die Gehälter im Fußball sind in den vergangenen Jahren zudem enorm angestiegen. Ein Klub wie Real Madrid kann keine verrückten Dinge mehr auf dem Transfermarkt machen. Erst recht nicht, wenn sein Präsident davon besessen ist, 500 Millionen Euro für eine Stadionmodernisierung in die Hand zu nehmen.

SPOX/Goal: Sie scheinen den von Perez geplanten Umbau des Estadio Santiago Bernabeu nicht gerade für sinnvoll zu erachten.

Calderon: Es handelt sich um einen Akt der Willkür, um die Laune eines Präsidenten, der die sportliche Planung vergessen hat, um mit einem neuen Super-Stadion in die Geschichte einzugehen. Anfang 2009, als ich noch Präsident war, erhielten wir den Zuschlag für Champions-League-Finale 2010 im Bernabeu. Warum? Weil die UEFA das Bernabeu für eines der drei besten und modernsten Stadien in Europa hielt. Wenn Sie heute einen Fan von Real Madrid fragen, ob er sich unwohl im Bernabeu fühlt, ob ihn die Sitze oder irgendetwas anderes stören, dann antwortet dieser mit einem Nein.

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