Note 6 - in Deutschland löst diese Bewertung Entsetzen und Panik aus. Alexander Merkel erhielt bei seinem Startelfdebüt für den AC Milan genau diese Note von der renommierten "Gazzetta dello Sport" - und dürfte sich gefreut haben.
3:0-Sieg gegen Bari: Merkel trifft im Pokal für Milan
Denn in Italien steht die "6" für grundsolide. "Ein vielversprechendes Debüt", schrieb die größte Sporttageszeitung Italiens. "Sein Kopf ist immer oben und seine Füße sind feinfühlig."
Nachdem Merkel im Dezember bereits in der Champions League gegen Ajax Amsterdam ein paar Minuten lang Profiluft schnuppern konnte, stand er neulich in Cagliari von Beginn an auf dem Spielfeld - und das gleich als Zehner hinter dem Sturmduo Pato/Robinho.
73 Minuten lang fütterte Milans Nummer 52 die zwei brasilianischen Stürmer mit Vorlagen, arbeitete nach hinten und trat einen Großteil der Ecken.
"Das ganze Trainerteam war zufrieden. Auch meine Mitspieler haben mir gratuliert. Alle wussten, wie wichtig das war. Schließlich steht nicht jeden Tag ein 18-Jähriger in der Startelf", sagte der überaus glückliche Merkel nach dem Schlusspfiff.
"Wer ist dieser Wirbelwind?"
Merkels Debüt von Beginn an überraschte trotz der vielen Verletzten im Milan-Mittelfeld nicht wenige Beobachter. Abgezeichnet hatte es sich aber schon im Sommer. Denn bereits da hatte sich herausgestellt, dass Coach Massimiliano Allegri auf die Spielweise des deutschen U-19-Nationalspielers steht.
Insgesamt fünf Testspiele bestritt er in der Vorbereitung für die Profis, Allegris Urteil klang bereits damals vielversprechend: "Er hat eine gute Grundtechnik, eine feine Passtechnik und ein gutes Gefühl für die Position."
Merkel stach dem neuen Milan-Coach, der bereits in Cagliari viel Wert auf die Arbeit mit jungen Spielern gelegt hatte, angeblich direkt in einem der ersten Trainingsspielchen ins Auge. Nach nur 20 Minuten soll er "Wer ist dieser Wirbelwind?" über den Platz gerufen haben. Merkel war da noch Mitglied des "Primavera"-Teams, Milans zweiter Mannschaft.
Inzaghi als Nachbar
Wenige Monate später ist Merkel, der 2008 vom VfB Stuttgart nach Mailand gewechselt war, mittendrin in der Startruppe um Zlatan Ibrahimovic, Andrea Pirlo, Alessandro Nesta und Co.
So wurde er vor dem irren 4:4 gegen Udinese zum "Opfer" von Spaßvogel Antonio Cassano. Während Merkel einem TV-Sender in San Siro ein Interview gab, huschte Cassano vorbei und hielt ihm sekundenlang den Mund zu. Dann verschwand der Ex-Real-Spieler mit einem Grinsen im Gesicht.
"Der Trainer und meine Kollegen haben großes Vertrauen in mich", berichtete Merkel dem "Milan Channel". Er hat sich bereits mit Pato und Kevin-Prince Boateng angefreundet und wohnt neben Filippo Inzaghi und anderen Milan-Stars nur einen Katzensprung vom Trainingszentrum in Milanello entfernt in seiner eigenen Wohnung.
Milans Alexander Merkel im SPOX-Interview
Symbol für Milans neuen Jugendstil
Merkel ist jetzt schon zusammen mit dem 20-jährigen Rodney Strasser, der bei Merkels Debüt in Cagliari den 1:0-Siegtreffer markierte, zum Symbol für das "neuen Milan" geworden.
Neben dem Youngster-Duo standen auf Sardinien mit Luca Antonini und Ignazio Abate zwei weitere schwarz-rote Eigengewächse auf dem Rasen. Stürmer Giacomo Beretta, 18 Jahre alt, trainiert auch schon fix bei den Profis mit, in den vergangenen Tagen holte Allegri mit Simone Calvano, Marco Ezio Fossati und Davide Di Fabio drei weitere "Primavera"-Spieler dazu.
Allegri hat dem Jugend-Trend, der 2009 mit einer signifikanten Erhöhung der Investitionen in den Nachwuchsbereich initiiert wurde, eine neue Dimension verliehen.
Anfang des Jahres war Milan aufgrund der vielen Verletzten noch händeringend auf der Suche nach einem Mittelfeldspieler. Die guten Leistungen von Merkel und Strasser haben den Klub nun anscheinend zu einem Stretegiewechsel bewogen: Ein Mittelfeldspieler ist kein Muss mehr, die Jungen sind schließlich schon reif für die Profis.
Ein Verdienst der Nachwuchsabteilung um Filippo Galli. Der Jugendsektorleiter sagt im Gespräch mit SPOX über Merkel: "Alex ist technisch sehr stark, seine Laufstärke und Ausdauerwerte sind auch sehr gut. Verbessern muss er sich noch, wenn es darum geht, die richtige Entscheidung auf dem Platz zu treffen, wenn er den Ball hat."
Galli schloss damals auch eine Ausleihe nicht aus, damit der 18-Jährige Spielpraxis sammeln könne. Doch das war Ende Oktober.
Milans Jugendsektorleiter Filippo Galli im SPOX-Interview
Mittlerweile ist Merkel fester Bestandteil des Profiteams und Mannschaften, die kürzlich mit ihm in Verbindung gebracht wurden, können sich ihre Anfragen gleich sparen. Wie der FC Parma, der angeblich Interesse an einem Leihgeschäft gezeigt hatte. "Alexander bleibt tausendprozentig bei Milan, er fühlt sich pudelwohl", ließ sein Berater Oscar Damiani vor wenigen Tagen verlauten.
Merkel und der angebliche russische Traum
Merkel und Milan - das passt. Ob der Youngster eines Tages womöglich auch für die deutsche A-Nationalmannschaft spielen wird, ist hingegen noch offen - und das, obwohl er im November gleich in seinem ersten Spiel für die deutsche U 19 traf und alles reibungslos verläuft.
"Ich habe mich in den deutschen Junioren-Nationalmannschaften immer wohl gefühlt und mich sehr gefreut, dass nun auch der U-19-Trainer Ralf Minge auf mich baut", sagte Merkel im Interview mit "dfb.de".
Nach dem Cagliari-Spiel antwortete er auf seine Nationalmannschaftspläne angesprochen allerdings: "An erster Stelle steht Deutschland. Aber was in der Zukunft liegt, wird man dann sehen." Es scheint, als wolle sich der große Zidane-Bewunderer alle Optionen offen halten.
Vor allen Dingen eine, die momentan noch gar nicht zu realisieren ist. "Es ist hervorragend, dass die Fußball-WM 2018 in Russland stattfindet", wurde Merkel von der russischen Nachrichtenagentur "RIA Novosti" im Dezember zitiert.
"Wenn ich ein Angebot bekomme, für die russische Nationalelf zu spielen, werde ich ohne Zögern gleich ja sagen." Das Problem: Merkel, der sich der russischen Seite "eher verbunden" sieht als der deutschen, besitzt die russische Staatsbürgerschaft (noch) nicht, denn er ist in Kasachstan geboren und besitzt deshalb neben dem deutschen "nur" den kasachischen Pass.
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Coach Allegris Pläne mit Merkel
Sein Vater betont allerdings: "Alexander wurde nur aus dem Grund Staatsbürger Kasachstans, weil die UdSSR zwei Monate vor seiner Geburt zerfiel. Wir sind aber Russen, wir sprechen Russisch, pflegen russische Traditionen und verfolgen die russische Meisterschaft. Deshalb will er auch für die russische Nationalelf spielen."
Bis dahin dürfte allerdings noch einiges an Zeit vergehen. Zeit, in der Merkel weiter an sich arbeiten wird: "Ich würde nicht sagen, dass das Spiel in Cagliari mein Durchbruch war. Das war der erste Schritt, aber ein Schritt reicht nicht. Das war nur der Anfang. Jetzt muss ich mich durchsetzen, damit ich noch mehr Einsätze bekomme. Jeder Tag, jedes Training ist dabei wichtig."
Womöglich auch für eine Metamorphose. "Momentan spielt er auf der Zehn, aber ich glaube, dass seine Zukunft weiter hinten auf der Acht liegt", sagt Allegri. Ein kleiner Rückschritt auf dem Rasen, der Merkels Karriere-Vormarsch aber kaum aufhalten dürfte.
Milans Alexander Merkel im Steckbrief