Ein Superstar ist geboren! Jordan Spieth gewinnt beim Masters in Augusta in überragender Manier seinen ersten Major-Titel. Und der Typ ist auch noch der netteste Mensch der Welt - irre! Martin Kaymer und das Paradies können sich weiter nicht leiden, dafür sendet Tiger Woods Lebenszeichen ab. Außerdem: Wenn du die Finalrunde nicht sehen kannst...
10. Das darf nicht wahr sein!
Eigentlich ist es nicht so schwer. Es gibt genau vier Sonntage im Jahr, an denen du sicherstellen musst, dass du ordnungsgemäß vor dem Fernseher sitzen und Golf schauen kannst. Aber du kannst doch nicht am Masters-Finalabend im Flieger nach China sitzen, das geht doch nicht. Manchmal kann man im Leben ja aber nicht alles beeinflussen, also trug ich diesen schlimmen Gedanken schon seit Monaten mit mir herum. Ich werde den Finaltag nicht sehen können, es würde der schlimmste Sonntag der Weltgeschichte werden. Hölle.
Kurzzeitig keimte Hoffnung auf, weil im potenziell großartigen Live-TV-Kanal im Flieger das Masters tatsächlich laufen sollte. Aber dann: "Dieser Service ist aktuell nicht verfügbar." War klar. Hass. Ich will Golf sehen, verdammt!
Zum Glück verfügt das Masters über die weltbeste Homepage. Also los, Spieths Scorekarte angeklickt und jedes verfügbare Loch angeschaut. Fertig, jetzt Rosie. Fertig, jetzt Phil. Dann Tiger, dann Rory... Faszinierend, wie viel Zeit man verbringen kann, indem man sich stundenlang diese kleinen Highlight-Schnipsel reinzieht. Eines ist klar: Ich will das nie wieder erleben.
9. Kaymer kann kein Augusta
76, 75 - den Cut mal wieder verpasst und jetzt in 22 Masters-Runden genau 2 (!) Mal unter Par geblieben (70, 71). Es ist doch einfach nicht zu fassen, dass Martin Kaymer das Golf-Paradies Augusta National nicht spielen kann. In den ersten Jahren konnte er den Platz rein technisch gar nicht spielen, Kaymer reagierte und brachte sich den Draw bei. Mit Erfolg. In den letzten drei Jahren hatte er immerhin das Wochenende erreicht, spielte an sich ganz gut, hatte aber keine Chance auf eine vordere Platzierung, weil er es auf den Grüns nicht auf die Reihe bekam.
Auch in diesem Jahr war vor allem das kurze Spiel am Scheitern schuld. Jetzt kommt das alles nicht wirklich überraschend, wenn man die nicht gerade prächtige Form bedenkt, mit der Kaymer nach Augusta reiste. Aber dennoch ist und bleibt seine Beziehung zum Masters ein Drama. Er ist der einzige absolute Weltklassespieler, der den wichtigsten Kurs der Welt nicht spielen kann. Es ist, als würde man als mehrfacher Grand-Slam-Champion jedes Jahr in Wimbledon in der ersten Runde rausfliegen. Wahnsinn. Das Par-10 ist ratlos.
Da Bernhard Langer in diesem Jahr mal nicht die Zeit zurückdrehen konnte (Scheiß Par-5s) und ebenfalls früh ausschied, musste Bernd Wiesberger die deutschsprachige Ehre retten. Der Österreicher spielte sich bei seiner ersten Masters-Teilnahme nach schlechtem Start stark ins Turnier, drei Runden unter Par und Rang 22 waren das Ergebnis, echt nicht schlecht. Da kommt in den nächsten Jahren ziemlich sicher noch mehr vom Ösi, der Bernd hat's drauf.
8. Tschüss, Gentle-Ben!
44 Masters-Teilnahmen, 2 Triumphe (1984/1995) - Ben Crenshaw ist eine Legende. In diesem Jahr schlug der 63-Jährige zum letzten Mal in Augusta ab. Dass er nach Runden von 91 und 85 Schlägen Letzter wurde, war völlig uninteressant. Crenshaw war neben Spieth der Champion des Turniers. Die Bilder an der 18, als sein langjähriger Caddie Carl Jackson, der aus gesundheitlichen Gründen die Tasche nicht ein letztes Mal tragen konnte, im Caddie-Overall am Grün stand und auf seinen Boss und Freund wartete.
Die Umarmung ("I love you! I love you back!"), Crenshaws Frau und Töchter, die natürlich auch da waren, es war Gänsehaut pur. Und wie passend es doch ist, dass ausgerechnet 2015 der große Sieger Jordan Spieth heißt, für den Mr. Crenshaw (wie Spieth ihn ehrfürchtig nennt) so was wie ein Mentor ist. Crenshaw ist Texaner, war einer der besten Putter aller Zeiten und ist einer der nettesten Typen, die man so finden kann. Kommt einem irgendwie bekannt vor...
7. Henrik does it again!
Das Par-10 liebt Spieler, die ausrasten, wenn es nicht so läuft. Ob das daran liegt, dass der Autor ebenfalls zum Jähzorn neigt, soll an dieser Stelle besser nicht weiter erörtert werden. Auch wenn er im Vorfeld krank war, kam Stenson als Mitfavorit nach Augusta. Schon nach den ersten beiden Tagen war aber klar, dass der erste Major-Sieg eines Schweden weiter warten muss.
An Tag 2 war Stenson nach einem Schlag aus dem Wald so angefressen, dass er seinen Schläger kurzer Hand über dem Knie zerbrach und die beiden Teile seinem Caddie reichte. So wie er es in den letzten Jahren schon mehrfach gemacht hat. Ach, Henrik, das Par-10 kann dich sehr gut verstehen.
Spieth schlüpft ins grüne Jacket
6. Der verhasste Bubba?
Wem würdest du nicht helfen, wenn er auf dem Parkplatz in einen Fight involviert wäre? Na klar, Bubba. Vor dem Masters hatte eine anonyme ESPN-Umfrage unter den Spielern für etwas Aufruhr gesorgt. Bubba wurde quasi als unbeliebtester Spieler ausgemacht, manche schrieben vom am meisten gehassten Golfer. Was natürlich unglaublicher Quatsch ist. Wie sehr es Watson aufs Gemüt schlug und ob es sein Spiel in irgendeiner Art und Weise beeinflusste, weiß nur er.
Aber in diesem Jahr spielte Bubba nach zwei Green Jackets innerhalb von drei Jahren keine Rolle, dafür lief es erst auf den Grüns und später auch im langen Spiel zu schlecht (+10 auf den Par-4s). Aber, und das muss auch mal erwähnt werden: Bubba zeigte mehrfach Größe abseits des Platzes. Er stand am 18. Grün und wartete, als Crenshaw seinen großen Moment hatte. Und er ging am Finaltag extra zu den Eltern von Spieth, um ihnen zu gratulieren. Well done, Bubba!
10-6: Kaymers Augusta-Fluch, Crenshaws Abschied, Stensons Wut
5-1: Tigers Comeback und Spieths Wahnsinn
5. Tiger ist ein bisschen back!
Ja, die 73 am Finaltag war jetzt nicht so berauschend. Ja, es waren wieder teils vo-gel-wilde Schläge dabei. Ja, eine doofe Baumwurzel hätte ihm beinahe das Handgelenk gebrochen. Und ja, ein 17. Platz kann einen bei Tiger Woods nicht vom Hocker reißen. ABER: Wer hätte vor dem Turnier gedacht, dass Tiger so eine gute Rolle spielen würde? Tiger hatte zwar gesagt, dass er sich den Arsch aufgerissen habe, um sein Spiel wieder auf die Kette zu bringen, aber ob er wirklich schon wieder soweit sein würde?
Niemand wusste es. Fast niemand traute ihm etwas zu. In Anbetracht dessen war es absolut gut und sehr sehr ermutigend, was Tiger zeigte. Vor allem sein kurzes Spiel, das zuletzt so katastrophal und so völlig Tiger-untypisch war, sah wieder richtig gut aus. Nach diesen vier Tagen kann man wieder ein bisschen mehr dran glauben, dass Tiger nicht für immer bei 14 Major-Titeln stehen bleiben wird. Tiger ist ein bisschen back - und das ist so wichtig für den Golfsport.
4. Phil ist back!
Mickelson war nicht so krass in der golferischen Wildnis verschwunden wie Tiger, aber auch Lefty hat eineinhalb furchtbare Jahre hinter sich. In dieser Saison hatte Mickelson noch überhaupt gar nichts gerissen. Er musste sich selbst wieder dazu bringen, aggressiv zu spielen und mehr Birdies zu fabrizieren, meinte Mickelson in seiner PK vor dem Turnier. Hä? Wie war das? Phil Mickelson muss sich dazu bringen, aggressiv zu spielen? Phil Mickelson ist der aggressivste Spieler ever.
Aber die Aussage zeigt, wie sehr Mickelson in der Krise steckte. Aber wenn er nach Augusta kommt, dann ist Krise Krise und es besteht immer die Chance, dass der Augusta-Phil zum Vorschein kommt. 14 unter Par hätte in praktisch jedem Jahr zum Sieg gereicht, in diesem Jahr hatte er mit 14 unter Par nicht mal eine faire Chance. Am Ende wurde es "nur" die neunte Top-3-Platzierung beim Masters. Aber hey, mehr als noch einen Masters-Sieg bräuchte Mickelson diesen fehlenden US-Open-Titel. Wer weiß, was in zwei Monaten in Chambers Bay passiert...
3. Rory vs. Jordan, bring it on!
Acht Monate lang hatte Rory McIlroy nach zwei Major-Siegen in Folge auf die Chance auf den Career Grand Slam gewartet. Und dann? Dann lag er Mitte der zweiten Runde nach einer desaströsen Front Nine bei drei über Par und drohte den Cut zu verpassen. Und dann? Dann spielte er die nächsten 45 Löcher in 15 unter Par und feierte auf Rang vier sein bestes Augusta-Resultat der Karriere.
Es war in dieser Woche zu wenig, aber es sollte mit dem Teufel zugehen, wenn McIlroy das Masters nicht noch irgendwann gewinnt. Noch wichtiger: Es wird sich in den nächsten Jahren eine Rivalität entwickeln, die den Golfsport elektrisieren kann. Ein 25-jähriger Superstar aus Europa gegen einen 21-jährigen Superstar aus den USA. McIlroy vs. Spieth. Nummer 1 der Welt gegen die neue Nummer 2 der Welt. Etwas Besseres kann dem Sport gar nicht passieren.
2. Der Sieg mit Ankündigung
Jordan Spieth gewann Ende 2014 mit einer überragenden 63er-Runde die Australian Open. Fun Fact: An diesem Tag blieb bei brutalen Bedingungen übrigens kein anderer Spieler unter 70 Schlägen. Jordan Spieth gewann Ende 2014 die Hero World Challenge mit 26 unter Par und zehn Schlägen Vorsprung. Jordan Spieth stand inklusive Masters jetzt bei seinen letzten vier Turnieren im Final Pairing. 1., 2., 2., 1. Er liegt für die Saison ca. drei Millionen unter Par. Okay, genau genommen 103 unter Par.
So gesehen ist es kein Wunder, was er jetzt in Augusta veranstaltete. Spieth ist der erste Spieler, der jemals in Augusta 19 unter Par lag. Er stellte im Alter von 21 Jahren den Rekord des 1997 21-jährigen Tiger von 18 unter Par ein. Er ist der erste Sieger seit Raymond Floyd 1976, der von Runde eins an das Feld anführte. Er brach den Birdie-Rekord von Mickelson (25). Sorry, Jordan, aber 28 Birdies sind einfach nur krank. Und dieser Junge ist einfach nur unfassbar gut. Gefühlt locht Spieth alles, wenn es zählt. Vor allem locht niemand so viele lange Putts. Bei jedem Putt sieht man es ihm Gesicht an, dass er absolut erwartet, dass er ihn locht. Nicht wie bei uns Amateuren, die jedes Mal denken, dass der Putt sowieso wieder vorbei geht.
Wie stark dieser Spieth, der mit seinem Golfball spricht wie kein Anderer, mit 21 im Kopf ist? Man muss sich nur die 18 am Moving-Day anschauen. Nach einem bitteren Doppel-Bogey an der 17 droht er tatsächlich ganz leicht wegzubrechen, aber was macht Spieth? Er spielt einen unmöglichen Flop-Shot und locht den Putt. Par. Ganz ganz groß. Spieth hat das wahrgemacht, was er als 14-Jähriger im Video ankündigte. Er ist Masters-Champion. Und wehe, es sagt ihm einer, dass er gerade einen herausragenden Run hat. Es ist kein Run, er spielt nur so, wie er es von sich erwartet. Ein Statement, das dem Rest der Golfwelt Angst machen kann.
1. Unfassbar gut, aber auch unfassbar nett
Kann es einen sympathischeren Superstar geben als diesen Jordan Spieth? Wohl kaum. Spieth ist nicht nur ein ganz besonderer Golfer, er kommt auch als Mensch sehr besonders daher. Einen gewichtigen Anteil daran hat, wie könnte es auch anders sein, seine Familie. Spieths kleine Schwester Ellie, 14 Jahre alt, leidet an einer Form des Autismus. Mit ihr verbindet ihn eine ganz spezielle und extrem innige Beziehung.
Die Behinderung seiner Schwester hat Spieth auch gelehrt, was das richtige Leben ist. Das Masters zu gewinnen, ist grandios, aber es ist nicht das richtige Leben. Wenn die ganze Familie am Tisch sitzt und essen will, Ellie aber nicht und einen Anfall bekommt, wie Mama Chris Spieth in den Tagen von Augusta erzählte. DAS ist das richtige Leben. Spieth weiß, worauf es ankommt. Dass er Ellie jetzt von seinem Triumph erzählen kann, wird vielleicht seine größte Freude überhaupt sein.
In den Masters-Tagen schaffte es Spieth, zwischen den Runden mit Familie und Freunden abzuschalten, es gab auch kein Golf im Fernsehen. Das Problem: Außer Jordan wollte der Rest aber natürlich schon gerne die Highlights sehen. Die Lösung: Spieths Freundin Annie musste dran glauben. Die Message der Familie: Hey Annie, kannst Du dich opfern, reingehen und mit ihm das Mavs-Spiel oder so anschauen, wir wollen hier draußen Golf sehen, danke. Herrlich, diese Spieths von nebenan.
10-6: Kaymers Augusta-Fluch, Crenshaws Abschied, Stensons Wut
5-1: Tigers Comeback und Spieths Wahnsinn
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