SPOX: Herr Lövgren, Sie waren als tadelloser Sportsmann bekannt. Es gab aber eine unrühmliche Ausnahme, als Sie 2005 beim Derby zwischen Kiel und Flensburg eine Schlägerei auslösten, die erst durch die Polizei beendet werden konnte. Was war da denn los?
Stefan Lövgren: Das Derby zwischen Kiel und Flensburg ist ein Mythos. Sie sprechen die Szene an, als ich mehr oder weniger über Johnny Jensen drüber gefallen bin (lacht).
SPOX: Es gibt Menschen, die diese Situation anders beschreiben. Sie rissen Jensen, der den Ball Sekunden vor Schluss beim Stande von 26:26 zum Sieg für Flensburg ins Tor hätte werfen können, an der Mittellinie um. Daraufhin kam es zu wüsten Szenen.
Lövgren: Ich gebe es zu, das war nicht okay von mir. Ich konnte die wütenden Reaktionen von Johnny und den Flensburgern nachvollziehen. Aber Johnny und ich gaben uns später die Hand. Er sagte dann sogar, er hätte an meiner Stelle genauso gehandelt.
SPOX: Noch härter als die Partie und die Prügelei soll es für Sie aber anschließend zu Hause geworden sein, stimmt das?
Lövgren: Absolut. Als ich nach Hause kam, musste ich meinem Sohn erklären, was da passiert war. Er hatte die Szenen im Fernsehen gesehen und stellte mir nun Fragen. Warum war da die Polizei? Warum hast du so ein Foul gemacht? Es war nicht so leicht, die richtigen Worte zu finden. Der Papa sollte ja Vorbild sein. Ich versuchte, es ihm zu erklären und gestand meinen Fehler natürlich ein.
SPOX: Ansonsten war nur Glanz und Gloria. In zehn Jahren beim THW wurden Sie sieben Mal Meister, gewannen die Champions League. Welche Erinnerungen sind geblieben?
Lövgren: Sehr viele schöne Erinnerungen natürlich. Die Zeit in Kiel war einfach nur toll. Da geht es aber nicht nur um den Handball, sondern auch um die Menschen. Wir haben nach wie vor einige Freunde in Deutschland. Sportlich und privat hat es in Kiel einfach sehr gut gepasst. Zehn Jahre durfte ich in einem der absoluten Topteams der Welt spielen und Erfolge feiern.
SPOX: Was macht den THW so besonders?
Lövgren: Es ist vor allem die Art, wie Handball in Kiel gelebt wird. Die Menschen sind einfach handballverrückt. Heimspiele vor über 10.000 Zuschauern - besser geht es nicht.
SPOX: Wenn man an Ihr Abschiedsspiel 2009 denkt, bekommt man noch heute Gänsehaut. Die Stars und Fans strömten von überall herbei. Wie war es für Sie?
Lövgren: Das bedeutete mir sehr viel, es war ziemlich emotional.
SPOX: Der Handball ermöglichte Ihnen also ein aufregendes Leben. Dabei wollten Sie lange Zeit gar nicht Profi werden.
Lövgren: Ich träumte schon davon, Profi zu werden - aber Fußballprofi. Ich spielte im Sommer Fußball und im Winter Handball. Erst mit 17 oder 18 Jahren beschloss ich, mich auf Handball zu konzentrieren.
SPOX: Sie wurden einer der besten Spieler der Welt, Ihr Talent muss doch schon in jungen Jahren deutlich zu sehen gewesen sein. Warum also dauerte es so lange, bis Sie sich für Handball entschieden hatten?
Lövgren: Es war eben nicht so, wie Sie sagen. Als Jugendlicher war ich kein besonderes Talent, ich musste mir viele Dinge hart erarbeiten. Deshalb war ich mir gar nicht so sicher, ob es reichen würde. Und später stellte sich die Frage, ob ich es auch im Ausland, in einer größeren Liga, schaffen könnte. Ich hatte es damals nicht eilig, ins Ausland zu wechseln und fühlte mich lange auch gar nicht bereit dazu.
SPOX: Dennoch sind Sie schließlich dem Lockruf aus Deutschland gefolgt.
Lövgren: Ich kam an einen Punkt, an dem ich mich entscheiden musste. Ich wollte nicht mit 40 Jahren aufwachen und der Chance hinterher trauern.
SPOX: Sie gingen zunächst nach Niederwürzbach.
Lövgren: Genau. Doch der Verein bekam bald finanzielle Probleme. Das war traurig für den Klub, im Nachhinein gesehen für mich aber nicht so schlecht. Ich landete in Kiel, dann ging es los. Handball ist danach immer ein Teil meines Lebens geblieben.
SPOX: Aktuell ganz besonders. Sie sind als Sportdirektor der Schweden bei der WM in Katar dabei. Wie sieht Ihre Aufgabe aus?
Lövgren: Ich bin für die Frauen- und Männernationalmannschaft im Seniorenbereich verantwortlich. Aber Katar wird meine letzte Reise in sportlicher Verantwortung. Anschließend werde ich beim Verband in den geschäftlichen Bereich wechseln.
SPOX: Ihr letztes Turnier in sportlich verantwortlicher Position hat es in sich, schließlich sorgt die WM in der Wüste schon seit Monaten für Gesprächsstoff. Katar ist nicht gerade eine Handballnation, es gab viel Kritik an der Vergabe. Wie stehen Sie dazu?
Lövgren: Es geht nicht darum, ob Katar eine Handballnation ist oder nicht. Das kann nicht das wichtigste Kriterium sein.
SPOX: Sondern?
Lövgren: Menschenrechte, Arbeitsbedingungen. Darum geht es. Was wir aus Katar diesbezüglich gehört haben, halten weder wir Schweden noch ihr Deutschen für gut. Das kann man einfach nicht anders sagen. Auch solche Kriterien müssen meiner Meinung nach bei einer WM-Bewerbung mit einkalkuliert werden. Stimmen Menschenrechte und Arbeitsbedingungen nicht, dann kann man kein Kandidat werden.
SPOX: Wie geht man nun mit dieser Situation um?
Lövgren: Das ist nicht so einfach, denn jetzt ist es nun mal so. Wir nehmen natürlich teil und werden gegebenenfalls unsere Meinung sagen. Durch den Sport ist die Diskussion darüber in die breite Öffentlichkeit getragen worden. Nicht nur wegen der Handball-WM, sondern vor allem natürlich wegen der Fußball-WM. Dass darüber berichtet und diskutiert wird, finde ich gut.
Seite 1: Lövgren über ein wildes Derby, Kiel und Menschenrechte