"Hatte Angst, blind zu werden": Als ein einäugiger Roberto Firmino dem FC Liverpool und Jürgen Klopp den Weg zum CL-Titel ebnete

Von Christian Guinin
Roberto Firmino, Jan Vertonghen
© getty

Der nächste Teil der SPOX-Serie: Ein einäugiger Roberto Firmino rettet Jürgen Klopp und dem FC Liverpool den CL-Triumpf 2019.

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Fußball ist ein - da sind wir uns wahrscheinlich alle einig - manchmal gar nicht so ungefährlicher Kontaktsport, bei dem es nicht selten vorkommt, dass sich Spieler in Zweikämpfen oder dergleichen teilweise heftige und vor allem langwierige Verletzungen zuziehen.

Was am 15. September 2018 im Londoner Wembley Stadium passierte, war dennoch aus gleich mehreren Perspektiven äußerst ungewöhnlich. Nicht nur aufgrund der Art und des Hergangs der Verletzung, sondern auch aufgrund dessen, was im Nachgang passierte. Doch beginnen wir von vorne.

Als sich an jenem Samstagnachmittag Tottenham Hotspur und der FC Liverpool gegenüberstanden, sah vieles zunächst nach einem vergleichsweise unspektakulären Spiel aus. Durch die Tore von Georginio Wijnaldum und Roberto Firmino hatten sich die von Jürgen Klopp trainierten Reds bis Mitte der zweiten Halbzeit einen komfortablen Vorsprung herausgespielt, ehe die 70. Spielminute kam und Firmino nach einem Zweikampf gegen Spurs-Verteidiger Jan Vertonghen plötzlich zu Boden sackte.

Roberto Firmino
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Klopp zu sich: "Komm, bring ihn!"

Was zunächst nach einem eher harmlosen Patscher mit der Hand aussah, entpuppte sich nämlich kurze Zeit später als ziemlich böse Verletzung. Erst in der Zeitlupe war nämlich zu erkennen, dass etwa die Hälfte des linken Zeigefingers des Belgiers einen Moment lang in der Augenhöhle des Brasilianers steckte. Eine Schrecksekunde.

Firmino musste auf dem Platz behandelt werden, schnell aber war klar, dass es für den Offensivspieler nicht weitergehen würde. Das linke Auge schwoll extrem schnell an, im Anschluss wurde der Brasilianer vom Feld geleitet. Noch am Abend folgte die Diagnose: Es hätte einen Abrieb am Augapfel gegeben, bleibenden Schäden seien aber glücklicherweise nicht zu befürchten.

Dennoch: Bei Liverpool und Klopp begann das große Zittern, schließlich stand nur drei Tage später der enorm wichtige Champions-League-Auftakt gegen Paris Saint-Germain auf dem Plan. Zwar gab Firmino später aus dem Krankenbett selbst noch ein Update und sprach von einem lediglich leichten "Schreck", trainieren konnte er vor dem Kracher gegen die Franzosen selbstredend aber nicht.

Klopp hielt es trotzdem nicht davon ab, den Brasilianer, dessen Auge selbst am Spieltag noch völlig blutunterlaufen war, mit in den Kader und auf die Ersatzbank zu nehmen. "Am Sonntag sah ich keine Chance auf einen Einsatz und am Montag sah es ebenfalls nicht gut aus", meinte der Deutsche später. Als er am Dienstag jedoch eine klitzekleine Möglichkeit auf einen Einsatz des Offensivspielers sah, musste er sich selbst zwingen, das Glück nicht doch herauszufordern. "Wenn er zur Verfügung steht, denkst du immer: Komm, bring ihn!"

Roberto Firmino
© getty

Roberto Firminos Tor rettet Liverpool in die K.o.-Phase

Und tatsächlich sollte Klopps Mut belohnt werden. Entgegen vermutlich jeder medizinischen Empfehlung schmiss der Deutsche seinen immer noch lädierten Einäugigen in der 72. Spielminute in die Partie und durfte bestaunen, wie dieser nach einem sehenswerten Solo durch die komplette PSG-Defensive mit der buchstäblich letzten Aktion des Spiels den heftig umjubelten Siegtreffer zum 3:2 erzielte.

Beim anschließenden Jubel nahm sich der Brasilianer dann selbst ein wenig auf den Arm, lief in Richtung der Liverpooler Fans und hielt sich dabei demonstrativ die linke Hand auf das angeschlagene Auge. Frei nach dem Motto: ‚Seht her. Ich bin hier praktisch immer noch einäugig unterwegs. Davon einbremsen lasse ich mich aber nicht.' "Ich kann nicht genug gute Dinge über ihn erzählen. Nach dieser Verletzung von der Bank aufs Spielfeld zu kommen, das ist unglaublich", schwärmte James Milner über das Blitz-Comeback seines Mitspielers.

Auch Firmino konnte nach Abpfiff wieder lachen. "Ich hatte Angst, auf einem Auge blind zu werden und nicht mehr sehen zu können", gestand er erleichtert am Sky-Mikrofon. "Aber Gott sei Dank ist nichts dergleichen passiert und es wurde von Tag zu Tag besser. Jetzt ist es viel besser. Der Schmerz ist weg und ich spüre nichts mehr."

Und als würde das alleine dem Fußballgott nicht schon als gute Geschichte genügen, war Firminos Treffer letztlich sogar dafür verantwortlich, dass die Reds nicht schon in der CL-Vorrunde die Segel streichen mussten. Denn nur aufgrund des hauchdünnen Vorsprungs von zwei Toren schaffte es Liverpool vor der punktgleichen SSC Neapel in die K.o.-Runde. Deren Ausgang dürfte dann wieder etwas besser bekannt sein. Klopp, Firmino und Co. krönten sich nämlich rund fünf Monate später zum Champions-League-Sieger.