SPOX: Herr Kulawick, Sie haben gestern mit Göttingen in letzter Sekunde, durch den Buzzer-Beater von Trenton Meacham, den zweiten Eurocup-Sieg eingefahren. Wie haben Sie das Spiel und die Spannung im Vorfeld erlebt?
Robert Kulawick: Das war sehr aufregend, vor allem der riesige Hype um Allen Iverson. Nach der blamablen Leistung in Braunschweig am Wochenende wussten wir gar nicht, wie viele Leute kommen würden. Zum Glück haben wir gut ins Spiel gefunden und sind relativ deutlich in Führung gegangen. Am Ende sind wir leider ein bisschen eingebrochen, haben aber das glückliche Ende für uns gehabt.
VIDEO: Göttingens Triumph über Iversons Besiktas
SPOX: Im Gegensatz zur Liga läuft es im Eurocup rund. Auch für Sie persönlich: Sie machen 14,5 Punkte pro Spiel, versenken 56,3 Prozent Ihrer Dreier-Versuche. Wie erklären Sie sich diesen Unterschied?
Kulawick: Im Moment haben wir das Problem, dass wir uns auf die Eurocup-Spiele mehr konzentrieren, weil da die größeren Namen spielen. Da können wir die Extraprozente abrufen, im Gegensatz zur Liga, wo wir immer wieder Schwächephasen haben. Ich glaube, bei mir persönlich liegt es daran, dass ich in der Liga inzwischen als Dreierschütze bekannt bin und mir permanent jemand auf die Füße gestellt wird. In Europa hat sich das anscheinend noch nicht rumgesprochen - was ich ganz schön finde, ich will mich nicht beschweren (lacht). Meine Mitspieler suchen mich zwar ständig, aber es gibt in der BBL Spiele, in denen speziell jemand für mich abgestellt wird.
SPOX: Sie haben den Hype um Iverson schon angesprochen. Wie haben Sie das erlebt - viel Iverson, wenig Göttingen, und am Ende holt Ihr Team trotzdem den Sieg.
Kulawick: Iverson war auch ein Held meiner Jugend. Gegen ihn zu spielen, war eine tolle Erfahrung. Es war beeindruckend zu sehen, wie schon beim Warm-Up 200 Leute um das Halbfeld der Istanbuler standen, um Fotos zu machen, und uns gar keiner beachtet hat. Im Spiel habe ich es schon ein Stück weit persönlich genommen, klar, wenn ich gegen ihn gespielt habe oder er auf mich zukam.
SPOX: Ist auch ein wenig Genugtuung dabei, wenn Sie sehen, dass Ihr Kollege Kyle Bailey gegen Iverson eine so tolle Leistung gezeigt hat, auch wenn dem Ex-NBA-Star 18 Zähler gelangen?
Kulawick: Das ist eine super Sache. Wenn man Iverson unter 20 Punkten hält, ist das schon ein Erfolg. Er ist zwar noch nicht so sehr auf den europäischen Stil eingestellt, aber wenn er machen darf, was er will, dann kann er auch mal 40 einstreuen. Wir haben ihn gut unter Druck gesetzt und immer wieder einen anderen Verteidiger auf ihn angesetzt. Und Kyle hat natürlich einen super Job gemacht.
SPOX: Wie war es für Sie persönlich, gegen ihn zu spielen?
Kulawick: Er hat zwei relativ schnelle Crossover hingelegt, die mich schon erstaunt haben. Er wird sicher nie mehr so schnell sein, wie noch vor ein paar Jahren, aber vom Ballhandling und vom Antritt her hat er es noch voll drauf.
SPOX: Sie haben es schon erwähnt: Iverson war ein Held Ihrer Kindheit. Gehörte er zu Ihren Lieblingsspielern, hatten Sie vielleicht sogar Poster von ihm im Zimmer hängen?
Kulawick: Poster selber nicht, ich habe Karten gesammelt, und Freunde von mir hatten immer seine Schuhe. Klar, Iverson war ein sehr guter Spieler, aber ich war mehr auf Leute wie Michael Jordan, Shaquille O'Neal oder Karl Malone fixiert. Die haben mir irgendwie besser gefallen als Iverson. Trotzdem: Er ist einer der Großen.
SPOX: Spielerisch war er für Sie als Guard also kein Vorbild?
Kulawick: Eigentlich nicht, weil er mehr der Spielertyp ist, der den Ball bringt und sehr gute Sprungkraft besitzt. Ich bin eher ein Shooter. Reggie Miller oder Steve Kerr, das waren Spieler, wo ich dachte: "Wow, das ist schon wirklich beeindruckend, wie die Jungs von außen die Dinger reinlöten können". Wenn Iverson einen Putback zeigt, sieht das in den Highlights supergeil aus, aber so zu sein wie er, habe ich nie angestrebt.
SPOX: Iversons Gehalt ist fast doppelt so hoch wie der Spieleretat der BG Göttingen. War das auch eine Motivation vor dem Spiel?
Kulawick: Ja, natürlich. Er hat es verdient, hat viel dafür geleistet. Aber wenn man hört, dass jemand so viel Geld verdient, dann guckt man schon mal, ob der wirklich soviel besser ist als man selbst. Die Unterschiede sind extrem groß, aber das weiß ich ja auch. Ich gönne ihm das, aber wenn ich überlege, dass er mehr verdient als die ganze Mannschaft, dann ist das schon ziemlich krass.
SPOX: Besiktas hat wegen der chaotischen Endphase Protest gegen die Wertung eingelegt. Die Spieluhr funktionierte nicht richtig, weswegen der Buzzer Beater womöglich zu spät fiel. Können Sie dazu etwas Genaueres sagen?
Kulawick: Ich finde es gut, dass sie Protest eingelegt haben, denn wenn sich am Ende rausstellt, dass etwas falsch gelaufen ist, und es wurde nicht protestiert, dann ist der Skandal noch größer. Letztendlich soll die FIBA entscheiden. Meiner Meinung nach war alles in Ordnung. Ich denke und hoffe, dass uns der Sieg bleibt, ansonsten wäre das eine ganz bittere Pille.
SPOX: Ihr nächster Eurocup-Gegner, KK Hemofarm Stada, hat auch gegen Besiktas gewonnen. Haben Sie sich die Videos zur Vorbereitung angeschaut?
Kulawick: Ja, ich habe gesehen, wie Besiktas mit 17 vorne lag und Hemofarm beeindruckend mit einer Dreier-Serie zurück gekommen ist. Das ist eine super Mannschaft. Wir sollten ohne große Erwartung ins Spiel gehen und schauen, dass wir gut mitspielen, denn wir sind weiterhin der Außenseiter. Der große Fokus liegt bei uns jetzt auf der Bundesliga, da müssen wir endlich in Fahrt kommen. Es kann nicht angehen, dass wir in Europa gewinnen und in der BBL auf dem vorletzten Platz stehen. Der Eurocup ist gut, um sich Selbstvertrauen zu holen, aber wir sollten uns auf die Bundesliga konzentrieren.
SPOX: Eine letzte Frage zu Hemofarm: Milan Macvan ist der Star des Teams und hat für Serbien bei der WM eine gute Rolle gespielt. Wie wollen Sie ihn stoppen?
Kulawick: Wir müssen den Jungs auf den Füßen stehen. Da kann man keinen frei stehen lassen, denn die können alle Dreier werfen. Wenn wir sie ins Rollen kommen und die Würfe nehmen lassen, dann können wir leicht mit 20 untergehen. Aber wenn wir so spielen wie in den letzten Partien im Europacup, dann ist vielleicht wieder eine Überraschung drin.