"NBA hat mich nie wirklich interessiert"

Marc-Oliver Robbers
07. Mai 201416:32
Der Serbe Sasa Obradovic ist seit 2012 Cheftrainer von Alba Berlingetty
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Die Playoffs in der BBL stehen an und Alba Berlin mischt trotz eines großen Umbruchs wieder vorne mit. Im Interview mit SPOX erklärt Albas Coach Sasa Obradovic die Kunst, eine neue Mannschaft aufzubauen. Außerdem spricht der Serbe über die erfolgreichen 90er-Jahre, eigene NBA-Angebote und sein Verhältnis zu den Bayern-Verantwortlichen Svetislav und Marko Pesic.

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SPOX: Herr Obradovic, Sie waren 1997 Point Guard des Alba-Teams, das die erste Meisterschaft nach Berlin geholt hat. Erinnert Sie Ihre jetzige Mannschaft ein wenig an das Team von damals?

Sasa Obradovic: Damals spielten wir in der Max-Schmeling-Halle, die viel kleiner war als die O2 World. Es nahm alles erst seinen Anfang. Wir mussten uns entwickeln. Es hat drei Jahre gedauert, bis diese Entwicklung abgeschlossen war. Von daher erinnert es mich schon ein bisschen an die Zeit, aber es hat sich so viel getan. Alba hat danach so viele Titel gewonnen, die Erwartungshaltung ist eine andere. In den vergangenen Jahren hatten wir nicht immer die Waffen, um einen Titel-Run zu starten. Aber selbst im letzten Jahr hatten wir bereits eine gute Basis, um wieder anzugreifen. Die Rollen haben sich aber insgesamt ein wenig verschoben. Jetzt gibt es Bayern und Bamberg, die oben mitmischen und hohe Budgets zur Verfügung haben. Aber wir haben eine feste Basis, die die Grundlage für eine starke Entwicklung in der Zukunft ist.

SPOX: Lassen Sie uns noch einmal über das 97er-Team sprechen mit Wendell Alexis, Henrik Rödl, Stipo Papic... Was war so besonders an dieser Truppe?

Obradovic: Das ist ganz einfach. Wir waren einfach das beste Team. Keine andere Mannschaft hatte so viel Qualität. Wir haben in der ganzen Saison nur zwei Spiele verloren und hatten so ziemlich alle deutschen Nationalspieler im Team. Ich war damals schon Europameister und hatte Silber bei den Olympischen Spielen gewonnen. Das ist mit heute nicht mehr zu vergleichen. Es war einfach eine gute Gruppe.

SPOX: Es war der Anfang einer Ära in Berlin mit sieben Meisterschaften in Folge. Sie haben den Klub allerdings nach dem ersten Titel wieder verlassen. Bereuen Sie das im Nachhinein?

Obradovic: Ich glaube, dass es damals gut für mich war, etwas anderes zu machen. Ich bin dann nach Rom gewechselt und es war eine der schönsten Erfahrungen, die ich je gemacht habe. Rom ist eine großartige Stadt. Ich habe mich sehr wohl gefühlt. Ich hatte damals nicht das Gefühl, dass meine Karriere die falsche Richtung genommen hat. Aber es gab schon Momente, in denen ich sehr gerne zurückgekommen wäre.

SPOX: Ihr Nachfolger damals war Vasily Karasev. Sie gehörten beide zu den besten Point Guards in Europa, haben aber nie in der NBA gespielt. Warum eigentlich nicht?

Obradovic: Vielleicht kam meine Entwicklung zu spät. Ich habe erst mit 22, 23 so richtig den Durchbruch geschafft. Und damals war es für Europäer noch nicht so leicht, in die NBA zu kommen. Es gab zwar Interesse von einigen NBA-Klubs, aber das war nie richtig konkret. Außerdem war es auch nicht mein Ding, dort rüberzugehen und vielleicht für das NBA-Minimum zu spielen, ohne zu wissen, ob man sich dort letztendlich durchsetzen kann. Daher habe ich mir irgendwann gesagt, dass es besser ist, in Europa zu bleiben und hier auf einem guten Level zu spielen.

SPOX: Von welchen NBA-Teams gab es damals Interesse?

Obradovic: Das kann ich gar nicht mehr sagen. Wie gesagt, es war nie so richtig konkret. Es gab immer mal wieder Gerüchte. Aber ich glaube, es war mehr Gerede von den Beratern. Mich hat das nie wirklich interessiert. Wenn ich mir anschaue, wer da damals gespielt hat, glaube ich schon, dass ich es dort hätte schaffen können. Mit meiner Größe und meiner Physis hätte ich schon etwas beitragen können. Ich bin aber nicht böse, dass es nichts geworden ist.

SPOX: Bis heute ist es so, dass viele europäische Stars nicht so den großen Einfluss in der NBA haben. Das letzte Beispiel ist Luigi Datome, der als italienischer MVP nach Detroit ging, aber dort keine Rolle spielt. Woran liegt das?

Obradovic: Ich muss da widersprechen. Es gibt genug Gegenbeispiele von Europäern, die sehr wohl Einfluss haben. Einzig bei Sergio Rodriguez hat es mich gewundert, dass er es nicht gepackt hat. Aber Jose Calderon oder Ricky Rubio beweisen schon das Gegenteil. Richtig ins Detail gehen kann ich aber nicht, weil ich dafür einfach zu wenig NBA schaue. Ich konzentriere mich auf den europäischen Basketball. In den Playoffs schaue ich dann aber auch mal NBA.

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SPOX: Sie spielen am 8. Oktober im Rahmen der NBA Global Games gegen die San Antonio Spurs. Sind die Spurs mit ihrer europäischen Spielweise das Team, das sie sich am liebsten anschauen?

Obradovic: Ja, auf jeden Fall. Zu Coach Gregg Popovich gibt es eine sehr gute Verbindung. Er hat aufgrund seiner Vorfahren einen guten Draht zu den serbischen Trainern. Man sieht das schon an seiner Philosophie. Er mag gerne europäische Spieler, weil sie das Spiel verstehen. Von daher interessieren mich die Spurs schon. Dort sind immer alle Spieler involviert und es gibt keine One-Man-Show. Das konnte vielleicht Michael Jordan, aber es gibt nicht viele, die das sonst können. Viele glauben aber, dass sie es können.

SPOX: In einem früheren Interview berichteten Sie von einer Coaching-Methode, die Sie von einem Coach der Dallas Mavericks übernommen haben. Wenn ein Spieler im Training keine zwei Freiwürfe in Serie verwandelte, musste er einmal den Platz hoch- und runterlaufen.

Obradovic: Ja, das habe ich von einem Mentaltrainer übernommen. Wir haben uns damals kurz unterhalten und ich fand es interessant. Ich mache das gerne mal. Man kann da immer mal etwas Neues mitnehmen. Ich habe mir auch viele Clinics vom damaligen Mavs-Assistant-Coach Jim O'Brien angeschaut. Es ist immer eine Freude, solche Leute zu treffen.

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SPOX: Sie sagten bereits, dass Sie das Coaching von Popovich mögen. Wie sieht es mit Erik Spoelstra aus? Der Heat-Coach wird ja gerne unterschätzt.

Obradovic: Ich bewundere immer die Leute, die es schaffen, ihr Team wirklich zu führen - gerade in seinem Alter. Er scheint einen guten Draht zu den Spielern zu haben. Und das braucht man, um Erfolg zu haben. Ich halte nicht viel von den Geschichten, dass allein die Spieler für den Erfolg verantwortlich sind. Es ist immer gut, starke Spieler zu haben, aber es geht nicht ohne eine Taktik und eine gute Vorbereitung. Am Ende gewinnt man immer als Gruppe. Ich war mal in Orlando bei einem Training Camp und habe mich mit meinem alten kroatischen Freund Ivica Dukan unterhalten, der Special Assistant von Chicagos General Manager Gar Forman ist. Ich habe ihn gefragt, warum sie so viele Assistant Coaches haben. Er sagte: "Einer ist für die Defense, einer für die Offense usw." Was macht dann eigentlich noch der Head Coach? Ich bin der Meinung, dass der Head Coach nicht zu sehr außen vor sein sollte, er muss Teil der Gruppe sein. Ich habe daher sehr großen Respekt vor seiner Arbeit dort.

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SPOX: Sie sind immer sehr aktiv und aggressiv an der Seitenlinie. BVB-Trainer Jürgen Klopp sagt häufiger, dass er sich anschließend immer erschrickt, wenn er sich an der Seitenlinie wüten sieht. Geht es Ihnen ähnlich?

Obradovic: Manchmal hasse ich mich selbst. Manchmal ist es auch einfach notwendig oder Teil der Show. Es gibt aber auch Momente, da ist es total unnötig. Aber so bin ich nun mal. Das lässt sich auch nicht ändern. Natürlich weiß ich auch, dass wenn es nicht so gut läuft, dann häufig gesagt wird, dass der Coach das Team zerstört. Wenn es läuft, interessiert sich dafür aber niemand. Was allerdings viel wichtiger ist, ist die tägliche Arbeit. Es ist wichtig, dass die Leute verstehen, dass ich nicht grundlos sauer bin. Autorität ist wichtig. Ich gebe die Richtung und die Einstellung vor. Wenn man diese Art dann mit einer kommunikativen Art vermischt und auch mal gute Gespräche führt, wird es auch akzeptiert.

SPOX: Nicht alle ihrer ehemaligen Spieler konnten mit dieser Art umgehen. Würden Sie sagen, dass diese Spieler nicht tough genug waren?

Obradovic: Haben Sie da ein konkretes Beispiel? Ich hatte in den letzten zehn Jahren so viele Spieler.

SPOX: Letztes Jahr gab es beispielsweise ein paar Probleme mit Heiko Schaffartzik.

Obradovic: Es ist halt die Frage, was die Spieler erwarten. Wenn man nicht diszipliniert ist und sich über die Mannschaft stellt, und da rede ich jetzt gar nicht über Heiko, aber wenn man nicht bereit ist, sich unterzuordnen und sein eigenes Ding macht, dann entspricht das nicht meiner Philosophie. Ich erwarte, dass jeder sich einfügt, ein guter Teamspieler ist, Kritik annimmt und dann auch die richtige Reaktion zeigt. Das ist nun mal Teil des Jobs. Es reicht, wenn man auf die vergangene Saison schaut. Für die meisten Spieler war es der erste Titel überhaupt. Selbst DaShaun Wood hatte noch nichts gewonnen. Tja, und sie haben ihn gewonnen, obwohl ich so bin wie ich bin (lacht). SPOX

SPOX: Sie mussten vor der Saison ein komplett neues Team aufbauen. Sie haben viele Stars verloren und viele junge und hungrige Spieler in den Klub geholt, die teilweise völlig unbekannt waren. Verraten Sie uns Ihr Erfolgsgeheimnis.

Obradovic: Die Auswahl ist sehr wichtig. Man kann nicht immer die größten Talente holen, weil sie oftmals zu teuer sind. Genauso schwierig ist es, große Persönlichkeiten zu finden. Die größte Aufgabe für Mithat Demirel, Marco Baldi und mich war es, das bestmögliche Team zu finden. Ich konnte mich den ganzen Sommer am Strand nicht so richtig entspannen. Ich habe die ganze Zeit darüber nachgedacht, was das Beste für das Team ist. Wer passt zu meiner Philosophie? Es hängt heutzutage viel von der Physis ab. Wer ist bereit, Defense zu spielen? Offensivtalent ist schön und gut, aber es ist immer noch so, dass die Verteidigung die Meisterschaft gewinnt. Das hat die Vergangenheit gezeigt und viele Trainer hatten mit dieser Philosophie Erfolg. Ich identifiziere mich damit. Aber das Wichtigste für mich als Coach war es, das Selbstvertrauen zurück in den Klub zu bringen. Als ich zurückkam, war es schwierig, Spieler zu holen. Niemand der jungen Spieler wollte zu Alba kommen, weil sie hier keine Chance bekamen. Das hat sich nun geändert. Natürlich müssen sie die Chance jetzt auch nutzen.

SPOX: Aber macht es nicht auch Spaß, mit einem weißen Papier anzufangen und ein Team ganz nach den eigenen Vorstellungen aufzubauen?

Obradovic: Natürlich. Dieses Jahr war nur der Anfang und ich will diese Mission jetzt zu Ende bringen. Wir haben eine gute Basis geschaffen und es war auch wichtig, dass wir den Pokalsieg geholt haben. Bis zu diesem Zeitpunkt, war es eine gute Saison, aber abgerechnet wird nun mal am Ende. Es geht aber nicht nur um den Erfolg, sondern auch darum, die jungen Spieler weiterzuentwickeln. Jonas (Wohlfarth-Bottermann, Anm. d. Red.) und Akeem (Vargas, Anm. d. Red.) haben sich in den Fokus gespielt. Oder schaut man auf Ismet Akpinar, der in unserem Juniorteam explodiert ist und an jedem Profitraining teilnimmt. Das ist ganz wichtig. Nur so kann er sich physisch und taktisch weiterentwickeln. Die Entwicklung von mehr Qualität fängt bereits in den Nachwuchsteams an. Alba muss wieder dahinkommen, sich im Nachwuchs bedienen zu können. Wie damals als Jörg Lütke oder Demirel hochkamen. Dieses Projekt haben wir gestartet. Die Leute verstehen das und unterstützen uns, weil sie sich damit identifizieren können.

SPOX: Sie haben vor der Saison viele Spieler an Bayern München verloren. Jetzt könnte das wieder mit David Logan passieren. Wie können Sie das in Zukunft vermeiden?

Obradovic: Die Sache bei Logan ist doch, ob man der Geschichte überhaupt Glauben schenken sollte. Ich beschäftige mich damit nicht. Das passiert doch immer wieder. Man hört, dass Spieler wegwollen oder irgendwelche anderen Teams Interesse an einem Spieler haben. Letztlich ist es egal, wer diese Gerüchte streut, das Ziel ist immer, Unruhe bei uns reinzubringen. Man kann ja nicht anfangen, mit Spielern zu verhandeln, die noch Vertrag haben. Und das hat Logan. Logan ist sehr wichtig für unser Spiel, aber Alba hängt nicht alleine von einem Spieler ab. Wenn man eine gute Basis hat, kann man das auffangen. Letztes Jahr haben uns vier wichtige Spieler verlassen und wir haben auch guten Ersatz gefunden.

SPOX: Aber ist es nicht frustrierend, dass Bayern in der Lage ist, so viel mehr zu bieten als Alba?

Obradovic: Wenn ich mir darüber zu viele Gedanken machen würde, würde ich meinen Fokus verlieren. Das sind Sachen, die ich nicht kontrollieren kann. Daher schenke ich dem keine große Beachtung. Es geht viel mehr darum, wo man selbst steht und was man verbessern kann.

SPOX: Es gibt immer viel Rummel zwischen Alba und Bayern über die Medien - auch mit Coach Svetislav Pesic. Sie kennen ihn schon lange, haben unter ihm gespielt und kommen beide aus Serbien. Wie ist eigentlich Ihr Verhältnis zu ihm?

Obradovic: Das ist immer noch in Ordnung. Wir reden jetzt nicht mehr so viel wie vorher, weil wir nun Konkurrenten sind, aber das ist normal. Man kann jetzt nicht befreundet sein. Ich respektiere, was er alles für den Basketball getan hat. Bei den ganzen Diskussionen ist auch immer viel Politik dabei. Das zieht natürlich auch Medieninteresse an. Mich interessiert das alles nicht.

SPOX: Und wie ist das Verhältnis zu Marko Pesic?

Obradovic: Eigentlich ähnlich. Wir haben kein Problem miteinander, haben aber auch keinen großen Kontakt.

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SPOX: Sie kennen ihn ja schon ewig. Konnte man damals schon ahnen, dass er mal Manager wird?

Obradovic: Nein, das konnte ich mir damals nicht vorstellen. Man konnte allerdings schon immer sehen, dass er jemand ist, der alles dafür tut, um seine Ziele zu erreichen. Daher passt der Managerjob auch gut zu seinem Charakter. Damals, als wir das erste Mal zusammengespielt haben, war er noch ein junger Kerl, aber er ist intelligent und clever. Es ist nicht verwunderlich, dass er einen guten Job macht.

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