"Mit 50, dickem Bauch und Zigarre..."

Von Max Marbeiter
Dusko Savanovic (l.) spielt beim FC Bayern München eine wichtige Rolle
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SPOX: Als so kleines Land bringt Serbien unglaublich viele Topspieler hervor. Was macht die Art, wie Basketball in Ihrer Heimat gelehrt wird, so besonders?

Savanovic: Allgemein weiß ich es nicht (lacht). Ich kann nur für mich sprechen. Ich habe das Spiel, wie gesagt, auf der Straße gelernt. Das haben die Kinder in den letzten zehn Jahren nicht mehr. Niemand bringt mehr dieses Straßenelement mit. Dabei kannst du auf der Straße so viel mitnehmen. Da kommt einer mit 50, dickem Bauch und Zigarre - und wird dir etwas beibringen. Ganz sicher. Wie du den Hook nimmst, wie du deine Ellbogen einsetzt, wie du die Füße bewegst. So lernst du das. Das fehlt den Kindern heute. Das Leben hat sich geändert. Man geht weniger raus. Der Computer ist ein solch wichtiger Teil des Lebens geworden, dass sogar meine sechsjährige Tochter ein Tablet hat. Unglaublich. Es ist nichts Schlechtes, einfach ein Teil des Lebens. Dennoch sehe ich es als Vorteil an, wenn man das Spiel auf der Straße gelernt hat.

SPOX: Sie sprechen vom 50-Jährigen mit Bauch, der einem das Spiel beibringt. Viele werden einen ähnlichen Charakter vom Freiplatz kennen. Immer wieder kommen ältere Spieler vom Balkan und gewinnen Spiele dank ihrer Basics. Zudem macht es den Anschein, als wisse jeder, wie er zu werfen hat. Wird das Spiel in Serbien und auf dem gesamten Balkan von Generation zu Generation weitergegeben?

Savanovic: In gewisser Weise, ja. Wir müssen die Basics beherrschen, denn wir sind nicht athletisch. Wir sind langsam. Deshalb musst du dein Gehirn entwickeln. Ich kann nicht schneller laufen als du, also muss ich dich überlisten. Ein Fake hier, ein Behind-the-Back dort. Das ist das Spiel. So sehen wir es. Amerikaner hustlen, tanken sich gegen fünf Spieler durch. Das machen wir nicht. Wir lassen die fünf Gegenspieler mit einem Pump-Fake abheben, schlecht aussehen und legen dann ab. Das ist weder besser noch schlechter, es ist einfach eine andere Kultur.

SPOX: Dazu haben Sie diese speziellen Coaches wie Svetislav Pesic oder Zeljko Obradovic. Deren Mentalität wirkt mitunter sehr tough. Ist das tatsächlich eine Gemeinsamkeit der meisten Coaches vom Balkan?

Savanovic: Bei uns gibt es die Schule von Aleksandar Nikolic, der Svetislav Pesic und Dusan Ivkovic entstammen. Zeljko Obradovic hat wiederum von ihnen gelernt. Sie sind tough, aber haben in den letzten 40 Jahren Resultate gebracht. Sie sind erfolgreich. Sie bleiben immer bei den Basics. Und das ist gut. Denn Basketball ist ein sehr einfaches Spiel, wenn du dich an die Basics hältst.

SPOX: Aber ist es für einen jungen Spieler nicht manchmal schwierig, wenn der Coach etwas zu hart wird?

Savanovic: Natürlich. Als ich jung war, war es nicht immer einfach. Andererseits hatte ich nie ein Problem mit Autorität. Und um nichts anderes geht es ja. In meiner Familie gab es eine Hierarchie. Mein Vater war derjenige, auf den alle hörten. Auch meine Mutter. Das ging im Basketball dann eben weiter.

SPOX: Ohne Disziplin geht es ohnehin nicht...

Savanovic: Ganz genau. Wie soll es das auch? Kürzlich wurde ich gefragt, wie oft ich als Kind trainiert habe. Als ich "jeden Tag" sagte, waren sie geschockt. In Serbien geht das mit acht Jahren los. Natürlich musst du dich gerade mit 12, 13 zwingen, aber da sind wir wieder bei der Disziplin.

SPOX: Ihr eigenes Spiel bezeichnen Sie als speziell, als langsam, sogar als hässlich. Effizient ist es dennoch. Es gab da diese Szene aus dem ersten Euroleague-Spiel gegen Barcelona, als Sie an der Dreierlinie, ohne zu dribbeln, zwei Gegenspieler aussteigen ließen und schlussendlich doch den freien Wurf hatten. Steht eine solche Szene sinnbildlich für Ihr Spiel?

Savanovic: Das könnte gut sein. Durch Denken in eine gute Position kommen. Das ist mein Spiel. Ich kann mich auch noch an die Szene erinnern. Ein Pump-Fake, ein Sternschritt und ich hatte den offenen Wurf.

SPOX: Wird der Basketball-IQ bei aller Athletik heute ein wenig unterschätzt?

Savanovic: Naja. Das Ganze passiert in Wellen. Wie in der Mode. Die kommt auch immer wieder. Alles ist ein Kreislauf. Es gab die Ära, in der intelligente Spieler wie Larry Bird dominiert haben, dann haben die harten Jungs dominiert. Heute gibt es die kräftigen Spieler wie Dwight Howard oder LeBron James. Aber die intelligenten Spieler kommen zurück. Nehmen wir nur Steph Curry oder Milos Teodosic. Sie sind nicht kräftig oder übermäßig athletisch, dominieren aber dennoch.

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SPOX: Ich habe kürzlich gelesen, dass Sie kein allzu großer Fan von Statistiken sind, da sie das Spiel zu sehr auf Zahlen reduzieren.

Savanovic: Ich gehe sogar noch weiter: Stats ruinieren das Spiel. Natürlich entwickelt sich das Spiel. Deshalb ist es ohne Stats unmöglich, alles zur verfolgen. Sie können dir einen Anhaltspunkt geben, wer wie gespielt hat. Andererseits können sie dir auch etwas vorgaukeln. Ein Spieler macht vielleicht 20 Punkte oder holt viele Rebounds. Das klingt gut. Vielleicht hat er aber vieles falsch gemacht, hilft seinen Teamkollegen nicht. Du musst Basketball sehen, um es zu verstehen. Stats allein können dich belügen. Die besten Coaches in der Welt wissen das und würden ein Team deshalb nie einzig aufgrund von Zahlen auf Papier aufbauen.

SPOX: Besteht heutzutage eine Tendenz, das Spiel zu sehr zu analysieren?

Savanovic: Definitiv. Synergy analysiert beispielsweise jeden Spieler in jeder Position. Und das, seit er spielt. Wie wirft er von wo? Wie stellt er sich an, wenn die Sonne scheint, wie wenn es bewölkt ist? In 20 Jahren wird es sein wie beim American Football, wo oben in der Arena ein Koordinator sitzt, der alles überblickt. Das gefällt mir nicht. Es sollte einfach sein. Immerhin sprechen wir von einem Spiel. Wir retten keine Leben, wir spielen ein Spiel, das die Leute unterhalten soll.

Seite 1: Savanovic über die Stellung des Basketball, Integration und Identität

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