SPOX: Ihr Mentor ist Ron Adams, einer der besten und erfahrensten NBA-Assistant-Coaches überhaupt. In der Vorsaison hatte er keinen unwesentlichen Anteil am Meisterschaftstriumph der Golden State Warriors. Lässt sich der Arbeitsaufwand eines NBA-Assistant-Coaches mit der Arbeit als Bundestrainer vereinbaren?
Bauermann: Aus der Trainersicht sehe ich keine großen Probleme, weil Denver in der starken Western Conference mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht in die Playoffs kommen wird. So hätte Chris sogar genügend Zeit, BBL-Playoff-Spiele vor Ort anzuschauen. Deswegen finde ich es gut, dass Chris Bundestrainer bleibt. Wenn man ständig Kontinuität fordert, muss man akzeptieren, dass dafür Kompromisse nötig sind. Ich stelle hingegen eine andere, aber genauso grundsätzliche Frage: Muss der Verband nicht eine weitere Führungsrolle installieren, um den Anforderungen zu entsprechen? Einen sportlichen Leiter, der für das gesamte Basketball-Programm des DBB von der U16 bis zur A2 die sportpraktische und konzeptionelle Verantwortung trägt, wenn der Bundestrainer auf einem anderen Kontinent arbeitet?
SPOX: Wie meinen Sie das? Es gibt doch den neuen DBB-Sportdirektor Ralph Held, der nach der EM Peter Radegast abgelöst hat.
Bauermann: Ein Sportdirektor hat sehr viele organisatorische Aufgaben zu erledigen. Die Strukturen im deutschen Sport und im DBB sind komplex, das ist ein riesen Aufgabenbereich, dazu die Zusammenarbeit mit der BBL und vieles mehr. Wir müssen uns aber gerade in der Ausbildung unserer Jugendnationalspieler weiterentwickeln und konzeptionell vorankommen. Insofern scheint es mir notwendig, einen Praktiker, der hohes Ansehen bei allen Beteiligten besitzt, mit ins Programm zu nehmen.
SPOX: Wie wär es mit einer Beförderung für Flemings Co-Trainer Henrik Rödl?
Bauermann: Henrik hat in Berlin, Trier und im DBB-Programm hervorragende Arbeit gerade bei der Entwicklung junger Spieler geleistet. Er ist ein Mann, dem die Jungen vertrauen, er wäre eine hervorragende Option.
SPOX: Mit der Perspektive, dass Rödl ein Kandidat als Bundestrainer sein könnte, so wie von Bayern-Geschäftsführer Marko Pesic bei SPOX vorgeschlagen? Spätestens mit der Einführung des neuen FIBA-Kalenders 2017, wonach Länderspiele mitten in der Saison stattfinden, müsste Fleming zwischen den Nuggets oder dem DBB wählen.
Bauermann: Wir haben mit Chris einen sehr guten Bundestrainer, jetzt mit Namen für eine Nachfolge zu spekulieren, finde ich unangebracht. Wer weiß, was bis 2017 passiert, vielleicht hat er bis dahin die Lust an der NBA verloren!
SPOX: Ob Fleming oder Rödl: Jeder Bundestrainer in den nächsten zehn bis 15 Jahren wird sich mit der Frage beschäftigen, wie Dennis Schröder am besten zu integrieren ist. Wie beobachten Sie aus der Ferne die Kontroverse um ihn?
Bauermann: Was mir immer noch zu kurz kommt: Dennis ist ein sehr junger Spieler. Jeder sollte sich daran erinnern, wie er mit 21 Jahren war. Daher darf man von Dennis nicht das Gleiche erwarten wie von Dirk Nowitzki, als er 27 Jahre alt war und Deutschland zu EM-Silber geführt hat. Man muss ihm den einen oder anderen Fehler zugestehen, egal ob auf oder abseits des Courts. Und ihm gleichzeitig klar machen, dass es einen Verhaltenskodex gibt, an den sich jeder zu halten hat. So war seine Kritik an Chris Fleming, für die er sich ja dann entschuldigt hat, nicht akzeptabel, und das persönliche Austeilen gegen Steffen Hamann und Frank Buschmann unschön. Deshalb ist es wichtig, dass er Menschen an der Seite hat, denen er vertraut und deren Rat er beherzigt.
SPOX: Schröder kultiviert den NBA-Lifestyle und lebt ihn auf seinem Facebook-Account aus. Geht es in der Diskussion um ihn vielleicht weniger um ihn selbst, sondern mehr um ein grundsätzliches Unverständnis zwischen deutscher und amerikanischer Basketballkultur?
Bauermann: Dennis ist ein frecher, unbekümmerter Typ, so spielt er ja auch. Er muss sich darüber im Klaren sein, dass alles was er sagt oder in den Social-Media-Kanälen äußert, bewertet wird - und da sind wir in Deutschland eben deutlich konservativer als in den USA. Er weiß mit Ademola Okulaja einen Berater an der Seite, der lange in den USA und in Europa aktiv war und beide Welten kennt. Chris und Henrik als Chef- und Assistenztrainer bei der Nationalmannschaft sind ebenfalls hervorragende Ansprechpartner, genauso wie Dirk Nowitzki oder Hawks-Coach Mike Budenholzer. Generell kann ich nur raten, nicht alles auf die Goldwaage zu legen, was Dennis sagt oder tut. Er ist zwar sportlich bereits auf einem unglaublichen Niveau, befindet sich aber sowohl als Basketballer wie als Mensch in einem Entwicklungsprozess, der längst nicht abgeschlossen ist. Wir sollten etwas unaufgeregter in unserer Bewertung sein und uns freuen, dass wir einen wie ihn haben. Es wird sich alles richten.
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