SPOX: Nach Ihnen hat Baskonia mit Andrea Bargnani noch einen weiteren Center verpflichtet - ein internationaler Star, der vermutlich die erste Option unter dem Korb sein wird. Wären Sie auch gewechselt, wenn Sie das gewusst hätten?
Voigtmann: Ohne Frage. Als ich unterschrieben habe, war ja auch Ioannis Bourousis noch bei Baskonia unter Vertrag, der dann später im Sommer zu Panathinaikos gegangen ist. Insofern war mir schon bewusst, dass es große Konkurrenz geben wird. Ich kann meine Rolle schon ganz gut einschätzen. Dass ich direkt starten würde, habe ich nicht geglaubt.
SPOX: Zumal ACB und Euroleague deutlich stärker einzuschätzen sind als die BBL...
Voigtmann: Ganz genau, das ist vom Niveau ein Riesenschritt. Da fehlt bei mir vielleicht auch noch einiges, aber die Idee ist, dass ich mich dem Niveau schnellstmöglich anpasse. Und dafür ist es hilfreich, wenn man von anderen Spielern profitieren kann. Wie zum Beispiel von Bargnani und seiner NBA-Erfahrung.
SPOX: Wie Bargnani sind Sie ein starker Dreierschütze (vergangene Saison 39 Prozent). Könnte man sagen, Sie sind die Verkörperung des modernen Big Man?
Voigtmann: Meine Coaches wollten bisher alle, dass ich ein bisschen mehr unter dem Korb spiele. (lacht) Und ich muss das definitiv mehr in mein Spiel einbauen, damit ich noch variabler werde. Aber klar, der Dreier zeichnet mich aus. Und das unterscheidet mich von anderen Spielern. Gerade bei der aktuellen Entwicklung im Basketball sind ein wurfstarke Big Men immer gefragt.
SPOX: Pleiß hatte nach seinem Wechsel zum FC Barcelona das Problem, dass er dort als Inside-Center eingesetzt wurde und seine Wurf-Qualität kaum zur Geltung kam. Wie sieht das bei Baskonia aus?
Voigtmann: Die Verpflichtung von Bargnani zeigt ganz gut, was wir für eine Spielidee verfolgen. Ich habe schon ein paar Plays gesehen und mir gefällt, dass der Fünfer auch sehr variabel spielen kann. Wirklich zum auswendig lernen der Systeme bin ich noch nicht so gekommen, aber sagen wir so: Ich habe schon mal drüber geguckt. (lacht)
SPOX: Wie laufen die Kommunikation und der Umzug?
Voigtmann: Ich hatte mit den Verantwortlichen und den Coaches mehrfach Kontakt. Sie haben überhaupt keinen Stress gemacht, dass ich für den DBB spiele. Das war richtig gut. Manche Klubs haben da eine ganz andere Einstellung. Ich bin gerade in Spanien angekommen und die nächsten zwei Wochen werden sicher erstmal ziemlich stressig mit den vielen neuen Eindrücken und der neue Sprache. Aber ich hatte Französisch in der Schule, vielleicht hilft das ein wenig. Und ich habe auch schon ein bisschen spanische Vokabeln gepaukt. Aber noch würde ich mich damit nicht auf die Straße trauen. (lacht)
SPOX: Am Wochenende steht für Sie der Sprung ins kalte Wasser an. Baskonia spielt bei der Supercopa Endesa gegen Real Madrid, Barcelona und Gran Canaria. Lockerer Aufgalopp oder schon ein echter Härtetest?
Voigtmann: Das ist halt gleich die Creme de la Creme des spanischen Basketballs, also eine ganz ordentliche Einstiegshöhe. Mal gucken, was da geht. Wir haben auch einige Testspieler dabei, daher wird es vielleicht nicht ganz so erbittert zugehen. Aber ich bin ja von der Nationalmannschaft gut im Training, also ist es sicher eine gute Möglichkeit, um einen ersten Eindruck zu hinterlassen.
Erlebe den spanischen Supercopa und Voigtmanns Debüt live auf DAZN! Jetzt Gratismonat sichern
SPOX: Auf Sie warten dort unter anderem Felipe Reyes, Gustavo Ayon, Ante Tomic und Joey Dorsey - wie groß ist der Respekt vor solchen Kalibern?
Voigtmann: Der ist auf jeden Fall ordentlich. Aber man muss aufpassen, dass der Respekt nicht zu groß wird, sonst hemmt man sich auch selbst. Aber genau um gegen solche Leute zu spielen, bin ich gewechselt.
SPOX: Gesunde Einstellung. Woher nehmen Sie Ihr Selbstbewusstsein?
Voigtmann: Eigentlich hatte ich damit früher immer ein bisschen Probleme. Ich nehme ungern Würfe, die ich nicht optimal finde. Aber Robin Benzing hat mich ständig genervt und mir in jedem Training Tausend Mal gesagt, dass ich mich mehr trauen und mehr werfen soll. Das ging mir irgendwann so auf den Wecker, dass ich es einfach gemacht hab. Und was soll ich sagen: Es hat ganz gut geklappt. (lacht) Robin war aber auch ein guter Lehrmeister.
SPOX: Manche Spieler ziehen auch aus Ritualen vor dem Spiel Kraft und Sicherheit. Haben Sie eine besondere Routine, bevor Sie auf den Court gehen?
Voigtmann: Eigentlich nicht. Ich versuche mich eher, komplett von Aberglauben zu lösen. Manche Leute können nämlich nicht mehr spielen, wenn sie aus irgendeinem Grund den rechten statt den linken Schuh zuerst angezogen haben. Bei mir ist das anders. Ich dribble ich den Ball beim Freiwurf manchmal zwei-, drei- oder auch viermal. Je nachdem, wie lange ich brauche, um meine innere Ruhe zu finden. Ich versuche immer, alles anders zu machen als beim letzten Mal. Aber wenn man so will, ist auch das ja irgendwie ein Aberglaube. (lacht)
SPOX: Lassen Sie uns ein wenig über Ihre Anfänge sprechen: Sie waren ein klassischer Spätstarter und haben erst mit 16 Jahren angefangen, Basketball zu spielen. Haben Sie gedacht, dass eine solche Entwicklung möglich sein würde? BBL-Allstar, Europe-Cup-Sieger, Topscorer im DBB-Team, Wechsel nach Spanien?
Voigtmann: Nicht im Geringsten. Bis ich realisiert habe, dass ich das professionell machen kann, hat es echt gedauert. Aber auf der Sportschule in Jena hatte ich ein Schlüssel-Erlebnis. Ich habe meinem damaligen Coach Lars Masell erzählt, dass es mein Ziel ist, irgendwann einmal in der BBL zu spielen. Da hat er mich angeguckt und gesagt, dass wir das Ganze dann auch sein lassen könnten, da ich das mit meinen Anlagen definitiv schaffen würde. Er wollte, dass ich größer denke. Daraufhin habe ich aus Spaß gesagt, dass ich ein Top-Euroleague-Spieler werden möchte. Das fand er schon besser. (lacht) Daher ist das jetzt alles ein bisschen verrückt. Denn mit dem Wechsel bin ich diesem Ziel wirklich ein Stück näher gekommen.
SPOX: Baskonia war schon immer ein Sprungbrett für Europäer in Richtung NBA. Erlauben Sie sich selbst schon solche Gedanken?
Voigtmann: Klar habe ich da schon mal dran gedacht. Man hat gesehen, was Baskonia für Spieler entwickelt hat, z.B. Jose Calderon, Luis Scola oder Andres Nocioni. Aber alles kommt zu seiner Zeit und ich muss nicht auf Biegen und Brechen in die NBA. Ich bin vermutlich eher für den europäischen Basketball bestimmt. Und man hat bei Tibor ja gesehen, wie schnell so ein Traum auch zu Ende sein kann. Das hat ihn schon mitgenommen und man hat auf dem Spielfeld gemerkt, wie sehr ihn das beschäftigt hat. Für mich zählt jetzt erstmal, dass ich mich in Spanien etabliere.
Johannes Voigtmann im Steckbrief