"Beide brauchen diesen Kampf"

Malte Müller-Michaelis
28. April 201515:47
Floyd Mayweather und Manny Pacquiao treffen am Samstag in Las Vegas aufeinandergetty
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Der Mega-Fight zwischen Floyd Mayweather und Manny Pacquiao (So., 3 Uhr im LIVE-TICKER) rückt immer näher - und auch Mauricio Sulaiman kann das lang ersehnte Duell nicht mehr erwarten. Im Interview mit SPOX spricht der WBC-Präsident über eine neue goldene Ära im Boxen, das Erbe seines Vaters und die nervige Titelinflation.

SPOX

SPOX: Herr Sulaiman, am Samstag steigt in Las Vegas der Kampf des Jahrhunderts zwischen Floyd Mayweather und Manny Pacquiao. Was bedeutet dieser Fight für den Boxsport?

Mauricio Sulaiman: Dieser Kampf könnte eine neue goldene Ära des Boxens einleiten. Es ist sehr, sehr lange her, dass ein Kampf so viel Aufmerksamkeit erregt hat - nicht nur unter Boxfans, sondern auf der ganzen Welt. Der Austausch unter den Fans und die Diskussionen über den Kampf sind ohnehin unerreicht, weil die Neuen Medien und die sozialen Netzwerke so viele neue Möglichkeiten bieten. Insgesamt ist Mayweather vs. Pacquiao nicht nur ein Boxkampf, sondern ein globales Phänomen und ein Medienereignis erster Güte.

SPOX: Stichwort "goldene Ära": Glauben Sie, dass dieser Kampf eine Art Umdenken einleitet und weitere Traumkämpfe folgen werden, auf die die Welt seit längerem wartet?

Sulaiman: Davon bin ich absolut überzeugt! Es gibt so viele großartige Kämpfe, die die Fans sehen wollen und mit denen wir neue Leute für den Boxsport gewinnen können. Ich glaube, dass dieses Mega-Ereignis dazu beiträgt, die Boxwelt weiter zusammenzuführen und gemeinsam einen großen Schritt in die richtige Richtung zu machen.

Mayweathers Welt: Jenseits aller Grenzen

SPOX: Sie haben einen besonderen Gürtel für den Kampf kreieren lassen, den sogenannten Emerald Belt. Was hat es damit auf sich?

Mauricio Sulaiman ist aktueller WBC-Präsidentgetty

Sulaiman: Mein Vater Jose Sulaiman hatte die Vision, besondere WM-Gürtel zu verleihen, um damit ganz spezielle Kämpfe zwischen den besten Boxern der Welt auszuzeichnen. Es geht dabei um die herausragenden Events, die weltweite Aufmerksamkeit erregen und als größte Schlachten ihrer Generation in die Geschichte eingehen. Vor zwei Jahren haben wir mit dem "Diamond Belt" begonnen, gegen Canelo Alvarez hat Floyd Mayweather jr. einen Gürtel aus purem Gold gewonnen. Mit diesem Kampf erfüllt sich der letzte Traum meines Vaters: Mayweather und Pacquiao gegeneinander boxen zu sehen. Und mit dem neuen Gürtel gehen wir auf die höchstmögliche Stufe. Das Symbol aller WBC-Weltmeister war immer der Grüne und Goldene Gürtel. Jeder Boxer träumt von seiner Kindheit an davon, einmal diesen Titel zu tragen. Die Smaragde (Emeralds, Anm. d. Red.) repräsentieren als grüne Edelsteine all das, wofür die WBC steht: Es ist die höchste Form des Grün und Gold.

SPOX: Sie persönlich haben immer wieder darauf gedrängt, dass der Kampf stattfinden muss - auch zu einer Zeit, als die Verhandlungen zu stocken schienen. Haben Sie immer daran geglaubt, dass die beiden irgendwann miteinander im Ring stehen würden?

Sulaiman: Ja, weil beide diesen Kampf unbedingt brauchen. Sie brauchen ihn, um sich den endgültigen und größtmöglichen Respekt der Boxfans zu erarbeiten. Die ganze Welt will wissen, wer der beste Boxer dieser Generation ist - die Antwort auf diese Frage können nur Floyd Mayweather und Manny Pacquiao geben, wenn sie gegeneinander in den Ring steigen.

SPOX: Lange Zeit sah es nicht so aus, als sollte der Kampf zustande kommen. Zu viele politische Spielchen und persönliche Animositäten schienen den Sport in den Hintergrund zu drängen.

Sulaiman: Die vielen Faktoren, die benötigt werden, um so ein großes Ereignis möglich zu machen, sind für viele Fans schwer nachzuvollziehen - natürlich auch, weil es in jedem Land unterschiedliche Voraussetzungen gibt. An einem so großen Kampf sind sehr viele Parteien beteiligt, die alle ihre eigenen - und zum Teil gegensätzlichen - Interessen haben: TV-Sender, Promoter, Manager, Verbände, Sponsoren und natürlich die Boxer selber. Die Einigung zu diesem Kampf ist ein tolles Beispiel dafür, dass alle an einem Strang ziehen können, wenn es darum geht, das Beste für den gesamten Sport zu tun und den Fans das zu geben, was sie wollen. Das ist ein sehr wichtiges Signal.

SPOX: Trotz all des Hypes sagen manche Leute, dass der Kampf fünf Jahre zu spät kommt. Wie sehen Sie das?

Sulaiman: Es ist nicht zu spät! Mayweather ist WBC- und WBA-Weltmeister, Pacquiao ist WBO-Weltmeister. Beide sind lebende Legenden, die besten Boxer ihrer Zeit und haben die Pound-for-Pound-Rangliste in den letzten zehn Jahren angeführt. Sie sind bereit und werden alles geben, um den Kampf für sich zu entscheiden.

SPOX: Wer wird gewinnen?

Sulaiman: Alle werden gewinnen! Ich habe das Prinzip meines Vaters übernommen, dass wir als WBC-Mitarbeiter keine Prognosen abgeben und keine Favoriten haben. Wir sind unparteiisch. Alles andere würde den Grundsätzen der Fairness widersprechen und damit dem Sport schaden. Boxer vertrauen uns als WBC, weil wir uns auf keine Seite schlagen. Mein Vater hat immer im selben Maße mit jedem Verlierer getrauert und gelitten, wie er mit jedem Sieger gefeiert hat. Das ist eine Grundeinstellung, die wir im Blut haben und die uns niemand jemals nehmen kann.

SPOX: Das MGM Grand war ausverkauft, bevor der Kampf überhaupt offiziell bekannt gegeben wurde. Ist der Kampf zu groß, oder die Arena zu klein, um dem "normalen" Box-Fan überhaupt eine Möglichkeit zu geben, live dabei zu sein?

Sulaiman: Die Größe der Arena spielt keine Rolle - dieser Kampf wäre überall im Handumdrehen ausverkauft gewesen. Natürlich wäre es großartig gewesen, wenn der Kampf in einem Stadion vor 200.000 Menschen stattgefunden hätte. Aber das MGM hat in den letzten 20 Jahren so viel fürs Boxen getan, dass es der einzig logische Austragungsort war. Insgesamt ist es aber natürlich schade, dass nur so wenige Fans überhaupt in die Arena kommen können.

Seite 1: Sulaiman über den Mega-Fight, einen besonderen Gürtel und Politik

Seite 2: Sulaiman über sein Erbe, die Titelinflation und neue Ideen

SPOX

SPOX: Dies ist der erste Kampf in dieser Größenordnung, den Sie ohne Ihren Vater erleben, der im Januar 2014 verstarb und zuvor jahrzehntelang als Präsident der WBC aktiv gewesen war. Wie fühlen Sie sich dabei?

Sulaiman: Ich bin natürlich sehr, sehr traurig. Mein Vater hat sowohl Floyd als auch Manny geliebt. Er war beiden sehr eng verbunden, hat sie unterstützt, gefördert und auf ihrem langen Weg begleitet. Immer wenn ich die Augen schließe, sehe ich meinen Vater, wie er im MGM sitzt und darauf wartet, dass diese beiden großartigen Champions die ganze Welt stolz machen und den Boxsport auf eine neue Ebene heben. Ich habe so viele großartige Kämpfe an der Seite meines Vaters erlebt, die Vorfreude, die Regelmeetings, die Kontroversen, die Atmosphäre... Er hat jede Herausforderung mit seiner beeindruckenden Ruhe und seinem warmen Lächeln gemeistert.

SPOX: Als WBC-Präsident mussten Sie nachdem Tod Ihres Vaters in große Fußstapfen treten. Wie schwer war das für Sie und wie fühlt es sich an, einen so großen Verband zu führen?

Sulaiman: Ich bin der Sohn von Jose Sulaiman. Das ist meine Bürde. Ich tue die Dinge, von denen ich überzeugt bin, dass er sie getan hätte, und sage all das, von dem ich glaube, dass er es gesagt hätte. Ich wache jeden Morgen auf und versuche, seine Träume wahr werden zu lassen und seinem Plan zu folgen. Und wenn ich abends ins Bett gehe, hoffe ich, dass ich alles so gemacht habe, dass er stolz auf mich sein kann. Ich folge seinen Prinzipien und Werten. Was uns antreibt, ist die Gerechtigkeit. Die Boxer müssen immer im Mittelpunkt stehen, und ihre Sicherheit liegt in unseren Händen.

SPOX: Ihr Vater hat mal gesagt, dass er nicht will, dass Sie ihm folgen, weil Sie nicht unter all dem leiden sollen, worunter er gelitten hat. Verstehen Sie, was er damit meinte?

Sulaiman: Er hat gelitten, aber er hat es auch geliebt. Er hat sein ganzes Leben, seine Familie, seine Arbeit und seine Freizeit für den Boxsport geopfert. An der Spitze ist es sehr einsam. Er ist um die ganze Welt gereist und hat Boxen zu einem internationalen Phänomen gemacht - und das ohne Fax, Handy, Internet oder andere technologische Hilfsmittel. Er hat sein Leben in den Dienst von Tausenden von Menschen gestellt und dabei einige wenige vernachlässigt: Meine Mutter, seine Kinder und seine Enkelkinder. Wenn wir aus heutiger Sicht darauf zurückblicken, sind wir unglaublich stolz und dankbar für all das, was er geschaffen hat. Mit seiner ganzen Hingabe hat er die Welt besser gemacht, sehr vielen Menschen geholfen und die Box-Geschichte entscheidend geprägt.

SPOX: Wie war es für Sie, in den Boxzirkus hineingeboren zu werden und in diesem sehr speziellen Umfeld aufzuwachsen?

Sulaiman: Ich werde immer zuallererst ein Box-Fan sein. Ich bewundere Boxer - und zwar alle. Die Amateure und diejenigen, die vier, sechs, acht oder zehn Runden boxen, genauso wie die großen Champions und die ewigen Herausforderer. Ich hatte das große Privileg, so viele großartige Kämpfe aus vier Jahrzehnten nicht nur im Ring zu sehen, sondern auf einer persönliche Ebene kennenzulernen - und das von ganz unten auf dem Weg nach ganz oben und wieder zurück. Ich sehe alle Boxerinnen und Boxer als meine Schwester und Brüder. Wir sind eine Familie.

SPOX: Ihr Vater wurde von vielen Menschen geliebt, von vielen aber auch sehr hart kritisiert. Sogar der Korruptionsvorwurf stand im Raum. Wie bewerten Sie sein Leben im Rückblick?

Sulaiman: Es war immer Teil seines Lebens, von anderen bewertet zu werden. Tausende von Menschen teilen ihre Erinnerungen, Geschichten und Anekdoten mit uns. Mein Vater hat definitiv viele Spuren hinterlassen und sein Tod hat eine Lücke gerissen, die nie geschlossen werden kann. Immer noch fangen Leute an zu weinen, wenn sie sein Bild sehen. Und die allermeisten Kommentare, die ich über ihn höre, sind herzerwärmend.

SPOX: Eins der größten Probleme im Profiboxen der letzten Jahre war die Titelinflation. Es gibt einfach zu viele Champions. Bei der WBC gibt es neben den Weltmeistern auch noch Silver Champions. Braucht der Sport wirklich so viele Titel? SPOX

Sulaiman: Ich sehe die Silver Champions als eine Art Liga - wie in anderen Sportarten auch. Es gibt die erste Liga, aber es muss auch eine zweite und dritte Liga geben. Zudem gibt es Junioren und Regionalligen. Aber es gibt nur einen WBC-Weltmeister. Alle anderen Titel sind regional oder haben ihre eigene Existenzberechtigung, um uns zu helfen, den Sport weltweit besser zu organisieren und regulieren.

SPOX: Sie haben eine Initiative gestartet, die Weltmeister-Titel der großen Verbände zu vereinen. Wie weit sind sie auf diesem Weg?

Sulaiman: Das Hauptproblem sind nicht die vielen Titel, es sind die vielen Organisationen. Im Boxen sprechen wir immer von den großen Vier: WBC, WBA, WBO und IBF. Es sind zwar "nur" vier, aber auch das ist einfach zu viel. Die Menschen wollen einen Weltmeister sehen. Deswegen ist unser Vorschlag, Turniere zwischen den Champions der vier Verbände durchzuführen, an deren Ende jeweils nur ein Sieger stehen kann, der dann weltweit als der alleinige Weltmeister anerkannt wird.

SPOX: Sie versuchen auch, ein System zu etablieren, das Mismatches verhindern soll. Können Sie dazu mehr sagen?

Sulaiman: Bei vielen Boxveranstaltungen muss man nur einen einzigen Blick auf die Kampfansetzungen werfen und kann sofort sagen, wer gewinnen wird. Dementsprechend geht es nur noch darum, ob es einen K.o. gibt, oder ob der Kampf über die Runden geht. Wir wollen alle Boxer nach ihrer Leistungsstärke bewerten und dann dafür sorgen, dass nur noch Boxer gegeneinander kämpfen dürfen, die auf demselben Level sind.

SPOX: Ein weiteres Problem im Profiboxen sind strittige Entscheidungen und Fehlurteile. Wie kann man dem vorbeugen? SPOX

Sulaiman: Die meisten Punktrichter sind ehrenwerte Menschen, die nur das Beste wollen. Fehlentscheidungen basieren meist auf fehlender Kompetenz oder darauf, dass die falschen Offiziellen eingesetzt wurden. Bei WM-Kämpfen müssen Punktrichter aus neutralen Ländern zum Einsatz kommen. Dieses Prinzip ist wichtig, wird aber noch von einigen wenigen - dafür aber entscheidenden - Ländern nicht akzeptiert.

SPOX: Gibt es eine Möglichkeit, für mehr Transparenz im Boxen zu sorgen?

Sulaiman: Wir haben das Open Scoring nach der vierten und achten Runde eingeführt. So kann jeder nachvollziehen, wie ein Kampf gewertet wird. Damit ist der Sport für die Zuschauer verständlicher und die Boxer sowie ihre Trainer können während eines Kampfes Änderungen und Anpassungen vornehmen. Ein weiterer Vorschlag, den wir gerade diskutieren, ist die Ausweitung von drei auf fünf Kampfrichter, um das Risiko von Fehlurteilen weiter zu minimieren.

Seite 1: Sulaiman über den Mega-Fight, einen besonderen Gürtel und Politik

Seite 2: Sulaiman über sein Erbe, die Titelinflation und neue Ideen

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