"Beide brauchen diesen Kampf"

Von Interview: Malte Müller-Michaelis
Floyd Mayweather und Manny Pacquiao treffen am Samstag in Las Vegas aufeinander
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SPOX: Dies ist der erste Kampf in dieser Größenordnung, den Sie ohne Ihren Vater erleben, der im Januar 2014 verstarb und zuvor jahrzehntelang als Präsident der WBC aktiv gewesen war. Wie fühlen Sie sich dabei?

Sulaiman: Ich bin natürlich sehr, sehr traurig. Mein Vater hat sowohl Floyd als auch Manny geliebt. Er war beiden sehr eng verbunden, hat sie unterstützt, gefördert und auf ihrem langen Weg begleitet. Immer wenn ich die Augen schließe, sehe ich meinen Vater, wie er im MGM sitzt und darauf wartet, dass diese beiden großartigen Champions die ganze Welt stolz machen und den Boxsport auf eine neue Ebene heben. Ich habe so viele großartige Kämpfe an der Seite meines Vaters erlebt, die Vorfreude, die Regelmeetings, die Kontroversen, die Atmosphäre... Er hat jede Herausforderung mit seiner beeindruckenden Ruhe und seinem warmen Lächeln gemeistert.

SPOX: Als WBC-Präsident mussten Sie nachdem Tod Ihres Vaters in große Fußstapfen treten. Wie schwer war das für Sie und wie fühlt es sich an, einen so großen Verband zu führen?

Sulaiman: Ich bin der Sohn von Jose Sulaiman. Das ist meine Bürde. Ich tue die Dinge, von denen ich überzeugt bin, dass er sie getan hätte, und sage all das, von dem ich glaube, dass er es gesagt hätte. Ich wache jeden Morgen auf und versuche, seine Träume wahr werden zu lassen und seinem Plan zu folgen. Und wenn ich abends ins Bett gehe, hoffe ich, dass ich alles so gemacht habe, dass er stolz auf mich sein kann. Ich folge seinen Prinzipien und Werten. Was uns antreibt, ist die Gerechtigkeit. Die Boxer müssen immer im Mittelpunkt stehen, und ihre Sicherheit liegt in unseren Händen.

SPOX: Ihr Vater hat mal gesagt, dass er nicht will, dass Sie ihm folgen, weil Sie nicht unter all dem leiden sollen, worunter er gelitten hat. Verstehen Sie, was er damit meinte?

Sulaiman: Er hat gelitten, aber er hat es auch geliebt. Er hat sein ganzes Leben, seine Familie, seine Arbeit und seine Freizeit für den Boxsport geopfert. An der Spitze ist es sehr einsam. Er ist um die ganze Welt gereist und hat Boxen zu einem internationalen Phänomen gemacht - und das ohne Fax, Handy, Internet oder andere technologische Hilfsmittel. Er hat sein Leben in den Dienst von Tausenden von Menschen gestellt und dabei einige wenige vernachlässigt: Meine Mutter, seine Kinder und seine Enkelkinder. Wenn wir aus heutiger Sicht darauf zurückblicken, sind wir unglaublich stolz und dankbar für all das, was er geschaffen hat. Mit seiner ganzen Hingabe hat er die Welt besser gemacht, sehr vielen Menschen geholfen und die Box-Geschichte entscheidend geprägt.

SPOX: Wie war es für Sie, in den Boxzirkus hineingeboren zu werden und in diesem sehr speziellen Umfeld aufzuwachsen?

Sulaiman: Ich werde immer zuallererst ein Box-Fan sein. Ich bewundere Boxer - und zwar alle. Die Amateure und diejenigen, die vier, sechs, acht oder zehn Runden boxen, genauso wie die großen Champions und die ewigen Herausforderer. Ich hatte das große Privileg, so viele großartige Kämpfe aus vier Jahrzehnten nicht nur im Ring zu sehen, sondern auf einer persönliche Ebene kennenzulernen - und das von ganz unten auf dem Weg nach ganz oben und wieder zurück. Ich sehe alle Boxerinnen und Boxer als meine Schwester und Brüder. Wir sind eine Familie.

SPOX: Ihr Vater wurde von vielen Menschen geliebt, von vielen aber auch sehr hart kritisiert. Sogar der Korruptionsvorwurf stand im Raum. Wie bewerten Sie sein Leben im Rückblick?

Sulaiman: Es war immer Teil seines Lebens, von anderen bewertet zu werden. Tausende von Menschen teilen ihre Erinnerungen, Geschichten und Anekdoten mit uns. Mein Vater hat definitiv viele Spuren hinterlassen und sein Tod hat eine Lücke gerissen, die nie geschlossen werden kann. Immer noch fangen Leute an zu weinen, wenn sie sein Bild sehen. Und die allermeisten Kommentare, die ich über ihn höre, sind herzerwärmend.

SPOX: Eins der größten Probleme im Profiboxen der letzten Jahre war die Titelinflation. Es gibt einfach zu viele Champions. Bei der WBC gibt es neben den Weltmeistern auch noch Silver Champions. Braucht der Sport wirklich so viele Titel?

Sulaiman: Ich sehe die Silver Champions als eine Art Liga - wie in anderen Sportarten auch. Es gibt die erste Liga, aber es muss auch eine zweite und dritte Liga geben. Zudem gibt es Junioren und Regionalligen. Aber es gibt nur einen WBC-Weltmeister. Alle anderen Titel sind regional oder haben ihre eigene Existenzberechtigung, um uns zu helfen, den Sport weltweit besser zu organisieren und regulieren.

SPOX: Sie haben eine Initiative gestartet, die Weltmeister-Titel der großen Verbände zu vereinen. Wie weit sind sie auf diesem Weg?

Sulaiman: Das Hauptproblem sind nicht die vielen Titel, es sind die vielen Organisationen. Im Boxen sprechen wir immer von den großen Vier: WBC, WBA, WBO und IBF. Es sind zwar "nur" vier, aber auch das ist einfach zu viel. Die Menschen wollen einen Weltmeister sehen. Deswegen ist unser Vorschlag, Turniere zwischen den Champions der vier Verbände durchzuführen, an deren Ende jeweils nur ein Sieger stehen kann, der dann weltweit als der alleinige Weltmeister anerkannt wird.

SPOX: Sie versuchen auch, ein System zu etablieren, das Mismatches verhindern soll. Können Sie dazu mehr sagen?

Sulaiman: Bei vielen Boxveranstaltungen muss man nur einen einzigen Blick auf die Kampfansetzungen werfen und kann sofort sagen, wer gewinnen wird. Dementsprechend geht es nur noch darum, ob es einen K.o. gibt, oder ob der Kampf über die Runden geht. Wir wollen alle Boxer nach ihrer Leistungsstärke bewerten und dann dafür sorgen, dass nur noch Boxer gegeneinander kämpfen dürfen, die auf demselben Level sind.

SPOX: Ein weiteres Problem im Profiboxen sind strittige Entscheidungen und Fehlurteile. Wie kann man dem vorbeugen?

Sulaiman: Die meisten Punktrichter sind ehrenwerte Menschen, die nur das Beste wollen. Fehlentscheidungen basieren meist auf fehlender Kompetenz oder darauf, dass die falschen Offiziellen eingesetzt wurden. Bei WM-Kämpfen müssen Punktrichter aus neutralen Ländern zum Einsatz kommen. Dieses Prinzip ist wichtig, wird aber noch von einigen wenigen - dafür aber entscheidenden - Ländern nicht akzeptiert.

SPOX: Gibt es eine Möglichkeit, für mehr Transparenz im Boxen zu sorgen?

Sulaiman: Wir haben das Open Scoring nach der vierten und achten Runde eingeführt. So kann jeder nachvollziehen, wie ein Kampf gewertet wird. Damit ist der Sport für die Zuschauer verständlicher und die Boxer sowie ihre Trainer können während eines Kampfes Änderungen und Anpassungen vornehmen. Ein weiterer Vorschlag, den wir gerade diskutieren, ist die Ausweitung von drei auf fünf Kampfrichter, um das Risiko von Fehlurteilen weiter zu minimieren.

Seite 1: Sulaiman über den Mega-Fight, einen besonderen Gürtel und Politik

Seite 2: Sulaiman über sein Erbe, die Titelinflation und neue Ideen

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