"Das Boxen ist verdorben", sagte ein grinsender Floyd Mayweather Jr. einst: "Es gibt einfach zu viele Titel und damit auch zu viele Weltmeister. Ich denke, dass es nur einen einzigen Gürtel geben sollte und das war es."
In einer perfekten Welt wäre Floyds Wunsch wohl Realität. Schließlich handelt es sich bei einem Weltmeister per Definition um den Besten des Planeten. Natürlich müsste es einen Titelträger pro Gewichtsklasse geben, denn dass diese ihre Daseinsberechtigung haben, daran zweifelt auch Mayweather nicht. Das Problem: Wir leben nicht in einer perfekten Welt, sondern in einer, in der Tyson Fury mehrere Schwergewichtsgürtel trägt.
Insgesamt gibt es momentan 17 Gewichtsklassen. Vom Schwergewicht (90,7 Kilogramm) bis hin zum Strohgewicht (47,6) kämpfen Boxer aus aller Herren Länder um Ruhm, Geld und jede Menge Edelmetall. Deutlich zu viel Edelmetall. Ein Blick auf die vier großen Verbände, die World Boxing Association (WBA), das World Boxing Council (WBC), die International Boxing Federation (IBF) und die World Boxing Organization (WBO) reicht aus, um das gesamte Schlamassel zu verdeutlichen.
Statt 17 Weltmeistern gibt es knapp 100. Vom Interims-Champion über den regulären Titelträger bis hin zum Diamond - oder Super-Champion ist alles dabei. Was ein wenig an die gefühlt mehr als einhundert Pokemon-Spieleditionen erinnert, macht den Überblick nahezu unmöglich. Es entsteht vielmehr zuweilen gar der Eindruck, dass es mehr Gürtel gibt als in so manchem Modehaus in der Münchner Innenstadt.
Ein zweischneidiges Schwert
Zugegebenermaßen ist die Logik hinter dieser Flut teilweise sogar nachvollziehbar. Weltmeisterschaftskämpfe generieren ein gesteigertes Interesse, dieses wiederum generiert Geld - und Geld macht bekanntlich sexy. Je mehr davon, desto besser. Auch würden viele Events ohne ein zusätzliches Reizmittel erheblich weniger in die Kassen spülen, die Kämpfer hätten so weniger Einnahmemöglichkeiten und da ihre Zeit im Ring begrenzt ist, durchaus Probleme, ihrem Beruf nachzugehen. Aber hey, so ist das Leben. Ungeachtet der Einzelschicksale schadet die Anzahl dem Sport nämlich gewaltig.
Der Fokus ist fehlerhaft. Ein Promoter, dessen aus Fan-Sicht teils kontraproduktive Arbeit ein Thema für sich wäre, muss etwa eine ordentliche Stange Geld dafür zahlen, dass sein Kämpfer überhaupt um den Gürtel des jeweiligen Verbandes kämpfen darf. Egal ob dieser der Weltmeister ist oder nicht. Und die Summen sind gewaltig. Wird nicht gezahlt, ist der Titel futsch - unabhängig von der sportlichen Leistung. Generell tritt diese inzwischen zu sehr in den Hintergrund.
Zugespitzt könnte formuliert werden, dass das Amateur-Boxen ein Sport ist, das Profi-Boxen mehr ein Geschäft. Und hier liegt das Problem.
Das ganze System, auf dem das Geschäft "Boxen" mehr und mehr aufbaut, wird nur bis zu einem gewissen Punkt funktionieren. Denn irgendwann nimmt das Interesse durch die zunehmende Entwertung zwangsläufig ab. Spätestens, wenn die Rolle des Weltmeisters durch die schiere Anzahl an Gürteln endgültig ad absurdum geführt wird, platzt die Blase. Der Rang des Weltmeisters sollte das ultimative Ziel sein und kein Anlass für Pokemon-Vergleiche.
Mann gegen Mann
Vor allem da das Boxen die perfekte Grundlage bietet. Es gibt schließlich nur wenige so faire Vergleiche, wie den, der den Zuschauern im Ring geboten wird. Und vor allem kaum einen, der von Haus aus so herrlich unkompliziert und günstig daherkommt.
Es gibt zum Beispiel keinen Vorteil des besseren Materials, wie es etwa in der Formel 1 der Fall ist, noch eine Abhängigkeit von (un)fähigen Teamkollegen, die allesamt nicht billig zu haben sind und im schlimmsten Fall das Teamgefüge vor einem nicht gerade unwichtigen Event im eigenen Land mit einem Sex-Tape-Skandal sprengen, wie im Fußball.
Jeder ist seines Glückes Schmied und dennoch wird der Sport in puncto Titeln durch Regularien, Bestimmungen sowie vor allem persönliche Interessen unnötig verkompliziert und so beschädigt. Aus einem Weltmeister pro Gewichtsklasse werden sechs oder mehr, jeder Verband hat seine Regeln, Besonderheiten und Praktiken im Hinblick auf seine Gürtel. Damit muss endlich Schluss sein! Die Konkurrenz schläft nicht - und macht vor, wie es geht.
Egos wegpacken, den Weg freimachen
Doch wie soll der Wandel vonstattengehen? Die Problematik ist immerhin lange bekannt, eine passende Reaktion blieb allerdings bisher praktisch aus.
"Andere Disziplinen drängen ins Rampenlicht. Mixed Martial Arts ist nur ein Beispiel, klare Strukturen helfen dabei. Im Boxen gibt es zu viele Verbände, zu viele Titel. Das alles verwirrt die Fans nur unnötig", erkannte der verstorbene WBC-Präsident Mauricio Sulaiman. Das Wissen allein reicht aber nicht aus. Alles was im Boxen zählt, ist der nächste Zahltag. Kurzsichtigkeit war in der Geschichte aber noch nie ein probates Mittel.
Ein Weg raus aus dem Teufelskreis, der zum jetzigen Zeitpunkt leider ungefähr so realistisch ist, wie eine klavierspielende Kuh in der SPOX-Redaktion, wäre der Zusammenschluss der großen Verbände zu einer Organisation. Abgesehen vom Einstampfen unnötiger Gürtel, könnten so ein transparentes Ranking-System sowie klare und vor allem einheitliche (!) Regularien geschaffen werden. Etwa wie oft ein Titel verteidigt werden muss oder wie mit Verletzungen umgegangen wird.
Das zunächst etwas schwindende Interesse durch fehlende Titelkämpfe in Buxtehude würde nach einiger Zeit von dem Gefühl kompensiert, bei etwas wirklich Bedeutsamen dabei zu sein zu können. Ein bisschen Schwund ist immer. Zwar können die heutigen Entscheidungsträger aufgrund der Summen, die sie verdienen, damit leben - dem Sport wird jedoch ein immenser Schaden zugefügt. Also: Egos wegpacken und denkt an eure boxfanatischen Kinder!
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