Sturm mit Rekordsieg gegen Chudinov

Felix Sturm (r.) konnte in Oberhausen Geschichte schreiben
© getty

Im Duell um den Gürtel der WBA im Supermittelgewicht hat Felix Sturm (40-5-3) in Oberhausen gegen Weltmeister Fedor Chudinov (14-1-0) einen wichtigen Sieg gefeiert und sich zum fünften Mal zum Weltmeister gekrönt. Der 28-jährige Titelverteidiger aus Russland kassierte hingegen im zweiten Aufeinandertreffen die erste Niederlage seiner Karriere. Die Entscheidung in der König Pilsner Arena fiel nach zwölf Runden durch eine nicht unumstrittene Mehrheitsentscheidung der drei Punktrichter.

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Die rund 8.000 anwesenden Zuschauer bekamen beim zweiten Duell zwischen Sturm und Chudinov einen durchweg unterhaltsamen Kampf zu sehen, was an beiden Boxern lag. Der Weltmeister aus Russland, der sich vor etwas mehr als neun Monaten im ersten Aufeinandertreffen in Frankfurt am Main den WBA-Gürtel im Supermittelgewicht (bis 76,2 Kilogramm) sichern konnte, sah sich einem ab dem ersten Gong engagierten Sturm gegenüber, der gut in den Kampf kam, jedoch zu schnell von seinem ursprünglichen Plan abzuweichen schien.

Statt auf die eigene Reichweite und Geschwindigkeit zu setzen und mit dem Jab zu arbeiten, versuchte es Sturm über Haken, wirkte beim Nachschieben zuweilen aber etwas behäbig und musste so immer wieder die Führhand seines Gegenübers wegstecken. Zwar konnte der 37-Jährige selbst klare Treffer landen, kassierte im Gegenzug jedoch deutlich mehr Hände Chudinovs, der wie im ersten Duell seinen Jab etablierte und so neben einigen Schlagkombinationen vor allem über selbigen Wege ins Ziel fand. Die erneut enorme Workrate des Russen, der 1022 Schläge verbuchte, forderte im zweiten Teil allerdings ihren Tribut.

Herausforderer Sturm wirkte zwar mit zunehmender Dauer weiterhin zu eindimensional, konnte aber trotzdem immer wieder gute Einzelaktionen, die vom Publikum sowie den Punktrichtern entsprechend honoriert wurden, zeigen. Auch dank eines großen Herzens reichte die Leistung des stets im Vorwärtsgang agierenden Deutschen, der seinem Spitznamen The Fighter gerecht wurde, im Rückkampf zumindest für zwei Punktrichter aus, um den Ring als Sieger zu verlassen und sich als erster Deutscher zum fünffachen Champion zu krönen. Ein Karriereende scheint dennoch möglich.

Bereits im Vorfeld des Hauptkampfes konnte sich Konni Konrad (23-2-1) von der Niederlage durch technischen K.o. in der achten Runde gegen Jürgen Brähmer (46-2-0) im Kampf um den Gürtel der WBA im Halbschwergewicht (bis 79,4 kg) rehabilitieren. Der aus Montenegro stammende ehemalige Müllmann aus Köln war von Anfang an der tonangebende Mann im Ring, ließ Andrej Maurer (6-3-1) keine Chance und hatte den Russen gleich mehrfach am Rande eines Knockouts. Letztlich blieb dem 30-Jährigen ein vorzeitiger Sieg jedoch verwehrt, die Entscheidung zu Gunsten Konrads fiel einstimmig nach Punkten.

Felix Sturm im SPOX-Interview: "So tritt Felix Sturm nicht ab!"

Die Reaktionen:

Felix Sturm: "Vielen Dank an alle Zuschauer hier. Ich kann nur sagen: Danke, danke, danke! Vielleicht war das heute mein letzter Kampf. Ich habe nochmal alles aus mir herausgeholt und es allen gezeigt, die es am Mikrofon oder am Fernseher besser können."

...über einen möglichen Rücktritt: "Die Entscheidung wird nicht heute fallen. Ich werde meine Wunden heilen lassen und mich dann mit meiner Familie und meinem Team besprechen. Vielleicht mache ich noch zwei, drei Kämpfe, vielleicht verabschiede ich mich. Das entscheiden wir beim gemütlichen Grillabend."

Fedor Chudinov: "Felix hat gut gekämpft, sehr gut. Es gab ein paar Zusammenstöße unserer Köpfe. Mal war es sein Fehler, mal meiner. Mit der Entscheidung bin ich allerdings alles andere als einverstanden."

Artur Piduriev (Trainer Chudinov): "Deutschland ist ein gutes, großes Land, aber es ist nicht das erste Mal, dass ihr den Sport töten wollt. Ihr wollt junge Sportler zu Fall bringen. Schaut euch sein Gesicht an, es ist grün."

SPOX-Scoreboard1. Runde23456789101112Score
Fedor Chudinov (RUS)91010101091091010109116
Felix Sturm (GER)1099991091099910112

Die Wertungen der Punktrichter:

Ignacio Robles (PAN): 114:114

Jean Louis Legland (FRA): 113:115

Giuseppe Quartarone (ITA): 113:115

Das Duell zwischen Sturm und Chudinov im RE-LIVE

Der Ringrichter: Luis Pabon. Der Puerto Ricaner aus San Juan, der dem deutschen Publikum spätestens seit dem Duell zwischen Brähmer und Konrad ein Begriff sein dürfte und auf über 20 Jahre als Ringrichter zurückblicken kann, zeigte eine unaufgeregte Leistung. Mit der Erfahrung von mehr als 100 Titelkämpfen für die WBA sowie einer Vielzahl von weiteren großen Fights im Rücken ließ sich Pabon durch nichts aus der Ruhe bringen, behielt stets den Überblick und sorgte so für faire Bedingungen zwischen den Seilen.

Der Schlag des Kampfes: Sturms Haken. Ähnlich wie im ersten Duell, als es der Deutsche nahezu über die gesamte Kampfdauer verpasst hatte, seinen Reichweitenvorteil auszunutzen und den kleineren Russen so auf Distanz zu halten sowie das Geschehen entsprechend zu diktieren, wirkte der Plan des Herausforderers auch im Rückkampf wenig durchdacht. Dennoch konnte Sturm immer wieder Treffer ins Ziel bringen und so auf den Zetteln der Punktrichter Eindruck schinden. Viel entscheidender als die Schläge des Deutschen dürfte für jene aber anscheinend vor allem der unbändige Wille und das Boxen im Vorwärtsgang gewesen sein.

Das fiel auf:

  • Die Stimmung in der König Pilsner Arena in Oberhausen hatte während der Vorkämpfe zwar Luft nach oben, pünktlich zum Main Event des Abends waren die Zuschauer dann allerdings da. Vor allem Sturm, der zu den Klängen von Linkin Parks "Bleed It Out" zum Ring kam, wurde von den eigenen Fans lautstark begrüßt. Für Chudinov gab es wie bereits im ersten Duell beider Boxer erneut jede Menge Pfiffe. Es war ein Bild, welches sich während des Kampfes nicht ändern sollte.
  • Bereits beim Wiegen hatte der Herausforderer von seinen nach wie vor loyalen Anhängern tosenden Applaus erhalten. Mit 75,9 Kilogramm brachte Sturm bei selbigem etwas weniger auf die Waage als sein Gegenüber. Der 28-jährige Titelverteidiger lieferte mit 76,2 Kilogramm eine Punktlandung ab. Wirklich ausschlaggebend für den Ausgang des Kampfes war der minimale Unterschied aber nicht.
  • Vor dem letzten Duell zwischen Sturm und Chudinov schienen die Rollen klar verteilt. Den Russen interessierte dies jedoch wenig, am Ende stand eine überraschend klare Demonstration - und der Gewinn des vakanten WBA-Gürtels im Supermittelgewicht. Im Rückkampf stieg der Weltmeister deshalb völlig zu Recht als Favorit in das Seilgeviert. Im zweiten Aufeinandertreffen wollte Sturm die Rollen umkehren.
  • Sturm hatte bereits im Vorfeld angekündigt, die Fehler aus dem ersten Kampf, bei dem er erschreckend unsicher wirkte und nur knapp einer Knockout-Niederlage entging, nicht wiederholen zu wollen. In der Vergangenheit hatte dies bei Duellen gegen den gleichen Gegner stets hervorragend funktioniert. Bei der Vorbereitung wurden neue Wege gegangen, die Auswirkungen waren vom ersten Gong an klar zu erkennen. Der Effekt hielt jedoch nicht wirklich lange an, Sturm verfiel schnell in alte Muster.
  • So versuchte er direkt zu Beginn zwar kurzzeitig, seinen Jab zu etablieren und so die Vorteile in Sachen Größe (181 cm zu 177 cm) und Reichweite (185 cm zu 183 cm) auszunutzen. Schwenkte dann aber früh um und versuchte über Haken zu punkten, während die Führhand des alten Champions gleichzeitig an Dominanz gewann.
  • Dass Chudinov, der nach seinem Titelgewinn den Gürtel im September des vergangenen Jahres bereits durch einen einstimmigen Punktsieg gegen den Briten Frank Buglioni (17-2-1) verteidigen konnte, richtig Power hinter seinen Händen hat und gut kontern kann, bekam Sturm bereits früh zu spüren.
  • Zudem war die Workrate des Boxers aus Russland, die im zweiten Teil des Kampfes ihren Tribut fordern sollte, von Beginn an auf einem sehr hohen Niveau, auf dem Sturm nicht mithalten konnte. Sturm verbuchte 605 Schläge (184 Treffer), bei Chudinov waren es 1022 (297). Auch bei den Power Punches lag der Russe klar vorn. Hier wies die Statistik die Werte 226/698 zu 143/349 zu Gunsten des entthronten Weltmeisters auf.
  • Während der Titelverteidiger sehr beweglich auf den Beinen wirkte, lauerte sein Gegenüber deutlich zu lange auf Lücken in der Deckung seines Gegners, schob nur langsam nach und kassierte so einen klaren Treffer nach dem anderen. Chudinov wirkte variabler, Sturm spätestens ab der Mitte des Duells planlos. Auch Trainer Magomed Schaburov war nur bedingt zufrieden und kritisierte vor allem die Oberkörperarbeit seines Boxers lautstark.
  • Neben dem Jab zeigte der 28-jährige Russe gleich mehrere knallharte Haken zum Körper und Kopf seines Widersachers sowie einige starke rechte Geraden. Die Härte sowie die Anzahl der Treffer sorgten dafür, dass Sturms Gesicht klar gezeichnet war. Am permanenten im Vorwärtsgang boxenden Stil des Deutschen änderte dies allerdings wenig, selbst ein Cut außen an Sturms rechter Augenbraue, der aus einem unabsichtlichen Kopfstoß resultierte, änderte nichts an der Marschroute - und den durchaus vorhandenen guten Antworten.
  • Über das Urteil der drei Punktrichter dürfte in den nächsten Tag noch das eine oder andere Wort gewechselt werden. Zwar waren einige Runden eng, der Sieg des neuen Champions kann aber als überraschend gewertet werden. Von einem Skandal-Urteil zu sprechen, wäre allerdings ein Fehler, dafür war das Gefecht im Endeffekt zu eng.
  • Während Chudinovs Marsch in Richtung Weltspitze vorerst gestoppt wurde, ist Sturm endgültig zum deutschen Rekord-Weltmeister aufgestiegen. Dennoch hinterlässt der durchaus fragwürdige Sieg sowie die schwache Bilanz der letzten Jahre einen Beigeschmack. Da der Deutsche selbst im Falle eines Sieges einen möglichen Rücktritt in Erwägung gezogen hatte, scheint ein Karriereende trotz der beherzten Vorstellung eine plausible Option darzustellen.

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