Raymond van Barneveld bei den UK Open: "Barney gehört immer noch zu denen, die dort eine Chance haben"

Thomas Weber
04. März 202117:10
Raymond van Barneveld gewann zuletzt sein erstes Turnier seit sieben Jahren.imago images
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Ende 2019 beendete Raymond van Barneveld seine Darts-Karriere unter Tränen. Nach seinem Comeback gewann der Niederländer vor kurzem nach nur drei Tagen auf der PDC-Pro-Tour wieder sein erstes Turnier. Ab Freitag ist "Barney" bei den UK Open (täglich live auf DAZN) erstmals wieder vor TV-Kameras gefordert. SPOX sprach mit Darts-Legende Phil Taylor und dem ehemaligen UK-Open-Sieger Roland Scholten über den 53-Jährigen.

"Es ist egal, was ich als Nächstes tun werde: Das Leben hat keinen Sinn mehr." Diesen Satz spricht Raymond van Barneveld vor etwas mehr als einem Jahr nach seinem Erstrundenaus bei der Darts-WM 2020 in die TV-Kameras von RTL7. Nicht nur der Fragensteller ist sprachlos.

Es ist der Tiefpunkt einer Zeit, in der van Barneveld selbst sein größter Gegner ist. Bereits Monate zuvor gibt er, ebenfalls direkt im Anschluss an eine Niederlage, sein sofortiges Karriereende bekannt. Zwar korrigiert sein Manager am Tag darauf, dass "Barney" doch noch bis Jahresende weitermachen werde - doch die große Karriere des fünfmaligen Weltmeisters, sie scheint diesmal endgültig vorbei zu sein.

"Die Dämonen haben gewonnen", sagt er, der in seiner Karriere immer wieder durch grüblerisches, an sich zweifelndes Verhalten auffällt. Ein weiteres Markenzeichen des Niederländers ist allerdings auch seine Inkonsequenz: In den vergangenen fünf Jahren trat van Barneveld bereits dreimal von einem Rücktritt zurück.

So passt es nur zu gut ins Bild dieses häufig so brillanten wie zum Mitleiden anregenden Dartsspielers, dass er im September des vergangenen Jahres erneut sein Comeback ankündigt. Rekordweltmeister Phil Taylor hatte das bereits geahnt, wie er SPOX verrät: "Ich war nicht sonderlich überrascht von Raymonds Comeback. Er hatte offensichtlich das Gefühl, dass er noch etwas zu erledigen hat und es noch einmal versuchen möchte."

Lange waren Raymond van Barneveld und Phil Taylor Konkurrenten, heute verstehen sie sich gut.getty

Raymond van Barneveld: Drei Tage bis zum Märchen-Comeback

Während "The Power" also seinen Ruhestand genießt, schwingt sich der mittlerweile 53-Jährige van Barneveld nochmal auf - und wie! Nachdem er sich durch die Q-School, ein Turnier mit über 600 Teilnehmern, gekämpft und eine der begehrten Tourcards und die damit verbundene Berechtigung, an den großen Turnieren der PDC teilnehmen zu dürfen, ergattert hatte, startete er erst richtig durch.

So trat er am vergangenen Wochenende bei der PDC Super Series bestehend aus vier Players-Championship-Events an und holte sich drei Tage nach seinem Comeback auf der Pro Tour einen der ausgespielten Titel. "Vergangene Woche war ich noch ein Amateur, es ist verrückt", sagte ein strahlender van Barneveld nach seinem ersten Einzel-Turniersieg seit sieben (!) Jahren.

Zugetraut hatten ihm ein solches Märchen-Comeback nur wenige. Einer davon ist sein Landsmann Roland Scholten: "Ich war überrascht, dass er zurückgekommen ist - aber ich war nicht überrascht, dass er wieder gewinnt. Er hat einfach das Talent", sagt der aktuelle Bundestrainer des Deutschen Darts Verbands zu SPOX.

Roland Scholten: "Er hat ein neues Leben angefangen"

Neben dem Talent des Niederländers haben allerdings auch Veränderungen in seinem Privatleben zum Aufschwung beigetragen. So scheint van Barneveld etwa seine Diabetes-Erkrankung ("Sie hat mich gekillt.") besser in den Griff bekommen zu haben.

Außerdem trennte er sich nach 25 Jahren Ehe von seiner Ex-Frau Silvia und lebt seit einiger Zeit mit der Londoner Managerin Julia, die ihm in der schwierigen Zeit nach dem Rücktritt eine enorme Stütze war, in einer Beziehung. "Julia hat mir da durchgeholfen", sagte van Barneveld jüngst der Sun.

Die Neuordnung scheint van Barneveld gutgetan zu haben, das sieht auch Scholten so: "Er hat mit seiner neuen Freundin ein neues Leben angefangen. Und wenn man verliebt ist und sich besser fühlt, dann spielt man auch besser", unterstreicht der auch als TV-Kommentator bekannte Ex-Profi die Wichtigkeit des Privatlebens im Mentalsport Darts.

Roland Scholten gewann 2004 die UK Open.getty

"Er gehört immer noch zu denen, die dort eine Chance haben"

Weiter geht es für van Barneveld bereits an diesem Wochenende, diesmal vor den Augen der Weltöffentlichkeit: Am Freitag startet mit den UK Open das erste live im TV übertragene Turnier, seit der Niederländer wieder auf der Tour ist.

Erster Gegner für "Barney", der in der zweiten Runde einsteigt, ist der Schotte Alan Soutar. Gegen den jüngst von der insolventen BDO zur PDC gewechselten 43-Jährigen setzte sich van Barneveld bereits bei seinem Players-Championship-Erfolg im Viertelfinale durch. Ein gutes Omen?

"Barney gehört immer noch zu denen, die dort eine Chance haben", schätzt der ehemalige UK-Open-Sieger Scholten van Barnevelds Möglichkeiten ein - und traut ihm sogar Topleistungen wie in seinen besten Zeiten zu: "Er weiß einfach, wie er spielen muss. Das ist wie laufen, das verlernt man nicht."

Nicht ganz so optimistisch sieht das der Rekordsieger des seit 2003 ausgetragenen Turniers: "Die UK Open sind ein Turnier, bei dem es bereits früh zu schweren Spielen kommen kann. Ray könnte Gerwin Price oder einen anderen Topgesetzten ziehen", sagt Phil Taylor: "Ich weiß aber auch, dass keiner der Topspieler in seiner ersten Runde auf Barney treffen möchte."

Raymond van Barneveld: Die WM im Dezember ist das Ziel

Für einen gelungenen nächsten Schritt auf seiner Comeback-Leiter braucht van Barneveld also auch ein Quäntchen Glück. Bei den UK Open gibt es keinen Spielplan nach dem Setzverfahren, sondern vor jeder Runde eine neue Auslosung. Wie etwa bei der WM variieren allerdings die Einstiegsrunden, so steigen die Top 32 beispielsweise erst in der dritten Runde ein.

Ebenjene Weltmeisterschaft, traditionell der Höhepunkt des Darts-Jahres, ist van Barnevelds erklärtes Ziel, die finale Sprosse sozusagen. Dort, auf der größten Bühne seines Sports, auf der er vor etwas mehr als einem Jahr eine seiner dunkelsten Stunden erlebte, will er im kommenden Dezember wieder zeigen, was noch in ihm steckt.

Dass der "Special Player", wie Taylor seinen ehemaligen Weggefährten nennt, noch eine Menge zu bieten hat, glaubt auch Scholten, wenn er sagt: "Barney ist zurück auf dem Weg nach oben!"