Vom Hinterradlutscher zum Toursieger

Torsten Adams
25. Juli 201116:38
Das Podium der Tour de France 2011: Cadel Evans (M.), Andy Schleck (l.) und Fränk SchleckGetty
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Die 98. Tour de France ist Geschichte. Es gab jede Menge Überraschungen, aber auch zahlreiche Enttäuschungen. Von der Metamorphose des Cadel Evans und den Fehlern der Schleck-Brüder bis hin zum zwiespältigen Auftritt der Deutschen und dem Terrassen-Ausritt von Thomas Voeckler: Das Fazit der Tour 2011.

Cadel Evans: Vom Bruchpiloten und Hinterradlutscher zum Toursieger

Um 17.29 Uhr fuhr Cadel Evans über den Zielstrich auf den Champs Elysees. Keine zehn Sekunden später lagen sich alle neun BMC-Fahrer überglücklich in den Armen. Es war geschafft: Der Australier krönte sich als verdienter Sieger einer spektakulären und spannungsgeladenen Tour 2011.

Dabei behagen Evans medienwirksame Auftritte so gar nicht. Wilde Jubelarien, Seitenhiebe auf die Konkurrenz, derbe Sprüche - das ist nicht der Stil des 34-Jährigen.

"Ich habe viel Kritik kassiert in den vergangenen Jahren", sagte Evans auf der Pressekonferenz. Wegen seiner zurückhaltenden und zu vorsichtigen Fahrweise hatten ihn viele schon als "Hinterradlutscher" verspottet.

Gefahr für die Teamkollegen

Vom Bruchpiloten und ewigen Zweiten war die Rede. 2004 strich sein Team Telekom ihn aus dem Tour-Kader, weil er nach Ansicht der Mannschaftsleitung wegen seines Fahrstils eine Gefahr für die Teamkollegen sei. Im Jahr zuvor hatte er sich bei Stürzen dreimal das Schlüsselbein gebrochen.

2007 und 2008 war er nahe dran am Toursieg. Doch in den entscheidenden Zeitfahren konnte er Alberto Contador und Carlos Sastre nicht mehr einholen.

Inspiriert von Miguel Indurain

Als niemand mehr daran geglaubt hatte, holte er in diesem Jahr zum großen Schlag aus. Mit seinen 34 Jahren geht Evans als ältester Toursieger nach dem zweiten Weltkrieg in die Geschichte ein. Es war ein langer Weg, auf dem der ehemalige Weltklasse-Mountainbiker zum Champion auf dem Rennrad wurde.

"Wir hatten keinen Fernseher, also dauerte es bis 1991, bis ich zum ersten Mal Bilder der Tour de France gesehen habe", erzählt Evans. "Jedes Kind wird von vielen Dingen im Leben inspiriert. Als ich damals Miguel Indurain in Frankreich habe siegen sehen, war bei mir der Ehrgeiz entfacht, etwas ähnlich Großes zu schaffen."

Evans kann auch anders

20 Jahre und sieben Tour-Teilnahmen später hat Evans sein Ziel erreicht. Und zwar verdient. Vom einstigen Hinterradlutscher war nichts mehr zu sehen.

Im Gegenteil. Vom ersten bis zum letzten Tag nahm er das Rennen in die Hand: Gleich bei der ersten Etappe war er hellwach und wurde am Mont des Alouettes Zweiter. Beim Teamzeitfahren glänzte BMC und machte wichtige Sekunden auf die Konkurrenz gut. An der Mur-de-Bretagne folgte der prestigeträchtige Sieg gegen Contador.

Und nicht zuletzt in den Alpen zeigte Evans, dass er ein wahrer Champ ist: Er war es, der am Galibier die Verantwortung für die Verfolgung von Andy Schleck übernahm. Und er war es, der auf dem Weg nach Alpe d'Huez die Attacke von Contador und Schleck parierte. Im "Zeitfahren seines Lebens" holte Evans zum finalen Schlag aus.

"Nationaler Cadel-Evans-Tag"

Mit seinem Sieg versetzte Evans einen ganzen Kontinent in Ekstase. "Cadel Evans hat sich mit diesem Erfolg selbst zum härtesten Sportler Australiens gestempelt", sagte der Liberalen-Parteichef und Radsport-Fan Tony Abbott.

Prompt wurden die Australier aufgefordert, zu Beginn der Arbeitswoche in Anlehnung an Evans' Gelbes Trikot in gelber Kleidung zu erscheinen.

Ed Husic ging noch einen Schritt weiter: "Ich will einen nationalen Cadel-Evans-Tag", twitterte das Parlamentsmitglied und schlug den Montag nach der letzten Tour-Etappe vor.

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Sie kamen mit einer klaren Vorgabe: Einer von ihnen sollte die Tour gewinnen. Dieses Ziel haben die Schleck-Brüder verpasst. Mit 94 Sekunden Rückstand wurde Andy Zweiter. Weitere 56 Sekunden dahinter belegte Fränk den dritten Rang.

Erst als die Enttäuschung gewichen war, realisierten die Luxemburger, was sie geleistet hatten: "Andy und ich sprechen seit Jahren über nichts anderes als den Toursieg. Wir waren noch nie so dicht dran", sagte Fränk. "Bevor wir nach Frankreich kamen, sagten wir uns, dass wir alles geben werden und die Tour drei Wochen später ohne jegliche Reue wieder verlassen würden. Und genau das haben wir gemacht."

Stolz auf das Doppelpodium

Wenn man die letzten drei Wochen mit einem Wort zusammenfassen müsste, dann wäre es "Stolz", fügt Andy hinzu und spielte dabei einmal mehr auf den ungeheuren Zusammenhalt im neu gegründeten Team Leopard-Trek an.

"Wenn man sich die Bedeutung der Tour anschaut, ist es eine große Ehre, die Rundfahrt auf dem zweiten Platz zu beenden. Erst recht, wenn auch dein Bruder auf dem Podium steht."

Für wahr, denn die Schlecks gehen als das erfolgreichste Bruder-Paar in die Geschichte der Tour de France ein. Doch sie müssen sich auch fragen lassen, ob sie aus ihren Möglichkeiten das Optimum herausgeholt haben. Wäre nicht auch der Toursieg drin gewesen?

Die Fehler der Schlecks

SPOX meint ja. Da wäre zum einen die verpasste Streckenbesichtigung des Zeitfahrkurses in Grenoble. Wer die Tour de France gewinnen will, muss im Vorfeld solch wichtige Etappen abgefahren sein.

Die Chance war da. Vor einigen Wochen war der Rundkurs Bestandteil der Dauphine. Cadel Evans lernte dort den Parcours unter Wettkampfbedingungen kennen.

Ein weiterer Punkt war der zu große Fokus auf Alberto Contador. Alle Experten sahen ihn im Vorfeld als den Mann, den es zu schlagen gilt. Und das ging wohl auch den Schlecks so.

Unzertrennliches Bruderpaar

An der Mur-de-Bretagne verpasste Andy den Antritt von Contador und kassierte acht Sekunden. Nach der Etappe war nur vom unglücklichen Rückstand auf den Spanier die Rede. Dass Evans gewonnen hatte und sich in absoluter Topform befand, schien damals noch kein Thema gewesen zu sein.

Auch in den Anstiegen nach Luz-Ardiden und Plateau-de-Beille konzentrierten sich die Luxemburger auf Contador und waren damit zufrieden, ihren Vorsprung auf Contador, der aus einem Sturz des Spaniers auf der ersten Etappe resultierte, konserviert zu haben.

Schließlich der vielleicht gravierendste Punkt: Das zu sehr aufeinander fixierte Auftreten der Brüder. Klar, die beiden schöpfen eine Menge Kraft aus der engen Verbundenheit, kaum ein Bruderpaar im Spitzensport steht derart loyal zueinander wie die Schlecks.

Teamwechsel der Schlecks?

Doch durch den extremen Fokus auf den jeweils anderen nehmen sie sich selbst die Chance auf noch größere Erfolge. Man hat den Eindruck, dass keiner den anderen distanzieren will, auch wenn man selbst stärker ist als der Bruder.

Ein Wechsel von einem der Schlecks in ein anderes Team wäre für den Radsport und nicht zuletzt für sie selbst eine spannende und lohnende Herausforderung.

Dass die beiden jemals in verschiedenen Mannschaften gegeneinander fahren, ist derzeit jedoch kaum vorstellbar. Vielmehr will Andy im nächsten Jahr mit Fränk an seiner Seit einen weiteren Versuch starten, das Gelbe Trikot nach Luxemburg zu holen.

Verbesserung im technischen Bereich nötig

Dreimal in Folge wurde der jüngere der Brüder nun Zweiter in Paris. Auf einen Vergleich mit Joop Zoetemelk angesprochen, der in den Siebzigern und Achtzigern 16 Mal an der Tour teilnahm und bei nur einem Sieg satte sechs zweite Gesamtplätze herausfuhr, antwortete Andy: "Ich bin nicht der nächste Zoetemelk. Nächstes Jahr werde ich zurückkommen und versuchen, die Tour zu gewinnen."

Um in Zukunft tatsächlich auf dem höchsten Podiumstreppchen zu stehen, müssen sich die Schlecks zwingend im technischen Bereich verbessern. Dazu gehören die Abfahrtsqualitäten und das Feilen an den Zeitfahrqualitäten. Am Berg sind die Fahrer fast auf einem Niveau, aber schon 2012 könnte es auch wieder zwei lange Zeitfahren geben.

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Sie waren mit unterschiedlichen Ambitionen nach Frankreich gereist. Manche haben ihre Ziele erreicht, für andere endete die Rundfahrt in einem Desaster. SPOX bewertet die zwölf deutschen Tourstarter.

Marcus Burghardt, BMC, der Evans-Held

Ja, wir haben auch einen Anteil am Gelben Trikot! Sein Traum von einem weiteren Etappensieg nach 2008 wurde nicht wahr. Aber dafür war der 28-Jährige auch nicht nach Frankreich gekommen. Als Evans-Helfer spielte Burghardt eine wichtige Rolle bei der Mission Gelb des Australiers. Unvergessen bleibt seine Meisterleistung auf der 4. Etappe, als er Evans nach dessen Defekt vorbei am kompletten Peloton wieder ins Feld zurückführte. Der Kommentar des Toursiegers: "Heute ist Burghardt mein Held!"

Beste Platzierung: Platz 86 - 17. Etappe
Fazit: Evans zu Gelb geführt, Mission accomplished! Da ist auch der viertletzte Platz in der Gesamtwertung nebensächlich.

Gerald Ciolek, Quick Step, der Unentschlossene

Ursprünglich als Anfahrer für Boonen auserkoren, durfte er nach dessen Aufgabe auf eigene Faust fahren. Sein Problem: Permanente Sitzbeschwerden. Und: Er ist schon lange kein reiner Sprinter mehr. In den Massensprints spielte er folglich keine Rolle. Für ihn gilt es, in Zukunft seinen Platz als Klassikerfahrer zu finden.

Beste Platzierung: Platz 7 - 15. Etappe
Fazit: Nach sportlich erfolglosen Jahren war die Tour-Nominierung für den Quick-Step-Profi schon ein Erfolg. Nach Boonens Ausfall war die Chance da, als Ersatzsprinter für Furore zu sorgen. In Erscheinung trat der 24-Jährige bei seiner vierten Teilnahme aber nicht.

Linus Gerdemann, Leopard-Trek, der verschwundene Bodyguard

War als Edelhelfer für die Schlecks ohne eigene Ambitionen angereist. Musste an den Bergen unerwartet früh abreißen lassen. War vor der Tour eigens als Bodyguard für Andy eingeteilt, um diesen auf den schwierigen Abfahrten sicher ins Tal zu geleiten. Als es auf der 16. Etappe drauf ankam, war vom 28-Jährigen allerdings nichts zu sehen.

Beste Platzierung: Platz 11 - 1. Etappe
Fazit: Wähnte sich vor der Tour in Topform, muss aber einsehen, dass er nicht mehr als die Helferrolle einnehmen kann.

Andre Greipel, Omega Pharma-Lotto, der Triumphator

Die Qualitäten für eine Tour-Teilnahme hatte er schon immer. Doch bei Highroad war Cavendish der Sprinter Nummer eins, der ihm den Platz wegschnappte. Bei Omega gebührt ihm die Rolle als Sprint-Kapitän. Und diese füllte er in Frankreich bestens aus. Sein Triumph auf der 10. Etappe bescherte Deutschland den ersten Tagessieg und ihm selbst die Erfüllung eines Traums.

Beste Platzierung: Platz 1 - 10. Etappe
Fazit: Wechsel zu Omega, Tourdebüt, Etappensieg. Alles richtig gemacht.

Danilo Hondo, Lampre, der Routinier

Seine Aufgabe war es, Petacchi die Sprints anzufahren. Hondo war immer da, wenn es zur Sache ging - allein die fehlende Endschnelligkeit von Petacchi verhinderte einen Lampre-Sieg.

Beste Platzierung: Platz 16 - 10. Etappe
Fazit: Hat wieder einmal bewiesen, dass er mit seiner Routine ein Rennen so gut lesen kann wie kaum ein anderer. Wird in den nächsten Jahren von sich reden machen, wenn ihm sein Vorhaben gelingt, ein deutsches Top-Team zu gründen.

Andreas Klöden, RadioShack, der Gebeutelte

War in absoluter Top-Form an den Start gegangen. Konnte sich in den ersten Tagen als einziger der RadioShacks aus Stürzen heraushalten. Doch dann begann auch sein persönliches Desaster. Die Stürze auf der 9. und 12. Etappe waren zu viel. Musste zu Beginn der 13. Etappe aussteigen. Die Schmerzen waren so groß, dass er nicht mal selbständig vom Rad steigen konnte:

Beste Platzierung: Platz 7 - 1. Etappe
Fazit: Wäre ohne Sturzpech ein Kandidat für das Podium gewesen. Kündigte via Twitter schon mal an, dass er es 2012 bei seiner 10. Teilnahme noch einmal versuchen will.

Christian Knees, Sky, das tapfere Schneiderlein

Rutschte als Helfer in sein extrem starkes Sky-Team. War bei den Briten das tapfere Schneiderlein, das die Löcher stopfte, wie sie auch nur aufgingen. Ackerte für Thomas und Uran, die im Weißen Trikot fuhren, und bolzte Tempo für Boasson Hagen und Swift, die in den Sprints reinhielten.

Beste Platzierung: Platz 28 - 19. Etappe
Fazit: Uneigennützig, zuverlässig, tempohart. Machte genau das, wofür er bezahlt und nominiert wurde.

Sebastian Lang, Omega Pharma-Lotto, der Unauffällige

Ein Helfer, wie er im Buch steht. Arbeitete unauffällig, aber effektiv. War für Greipel nicht nur als Tempobolzer in der Sprintvorbereitung wichtig, sondern auch als deutschsprachiger Ansprechpartner im belgischen Team.

Beste Platzierung: Platz 30 - 11. Etappe
Fazit: Erfolgreiche siebte und letzte Tour-Teilnahme mit drei Etappensiegen für das Team. Verabschiedet sich nach der Saison vom Profiradsport.

Tony Martin, HTC-Highroad, der Zwiegespaltene

Schlecht: Sein vorgegebenes Ziel, ein Platz in den Top Ten, rückte schon am ersten Berg in weite Ferne. Rang 44 im Klassement ist eine Ohrfeige, auch wenn er zwischendurch erkrankt war. Gut: Der fantastische Tagessieg beim Zeitfahren. Zudem beeindruckte Martin stets durch seine exzellente Tempoarbeit in der Sprint-Vorbereitung für Cavendish. Doch um tatsächlich Chancen auf eine Top-Platzierung bei der Tour zu haben, muss er zu einem Team wechseln, in dem alle Fahrer für ihn arbeiten. Bei HTC dagegen arbeiten alle für Cavendish.

Beste Platzierung: Platz 1 - 20. Etappe
Fazit: Starkes Zeitfahren. Als Erfolg wird er die Tour jedoch nicht verbuchen: "Sportlich gesehen wäre mir ein achter Platz im Gesamtklassement lieber gewesen", so Martin.

Grischa Niermann, Rabobank, der Legionär

Seit Jahren eine feste Größe bei Rabobank. War auch bei seiner neunten Teilnahme ein loyaler Helfer seiner Kapitäne. Schade für ihn, dass Robert Gesink früh stürzte und anschließend keine Rolle mehr im Klassement spielte.

Beste Platzierung: Platz 38 - 7. Etappe
Fazit: Hielt wieder einmal die deutsche Fahne im Oranje-Team hoch. Stets ein Vorbild an Kampfgeist und Einsatzbereitschaft. Wird auch 2012 im Alter von 36 Jahren bei der Tour wieder seinen Mann stehen.

Marcel Sieberg, Omega Pharma-Lotto, der Gorilla-Kumpel

Hatte seinen Höhepunkt beim Etappensieg von Kumpel Greipel. Wurde von Omega als Anfahrer für den "Gorilla" verpflichtet und brachte ihn dorthin, wo er hin muss, um Cavendish in die Knie zu zwingen. Ließ sich auch durch einen frühen Sturz nicht beirren, als er sich an einer Verkehrsinsel aufhing.

Beste Platzierung: Platz 51 - 11. Etappe
Fazit: Loyal, uneigennützig und zuverlässig erledigte er seinen Job als Anfahrer von Greipel. Hat sich bei seinen Sportlichen Leitern für eine weitere Tour-Teilnahme empfohlen.

Jens Voigt, Leopard-Trek, der "alte Hund"

"Ich habe mich ausgetobt. Meine Aufgabe wird es sein, die Arbeit zu machen", hatte Voigt vor der Tour im SPOX-Interview gesagt. Und so kam es auch. Kein Ausreißversuch, sondern wichtige Führungsarbeit in den Bergen stand auf dem Plan. Unfassbar stark, wie er fast den kompletten Tourmalet von vorne fuhr. Im "alten Hund", wie er sich selbst nannte, ist tatsächlich noch Leben drin. Deshalb hat er bei Leopard auch schon den Einjahresvertrag bis Ende 2012 unterschrieben.

Beste Platzierung: Platz 55 - 17. Etappe
Fazit: Sein persönliches Twitter-Fazit lässt keine Fragen offen: "Ich bin so stolz, Teil dieses fantastischen Teams zu sein. Es waren drei wundervolle Wochen und ich genoss jeden Moment - naja, außer meine Stürze..." Wir hoffen, dich 2012 wieder in Frankreich zu sehen!

Evans: Vom Hinterradlutscher zum Toursieger

Schleck: Nächster Zoetemelk oder kommender Toursieger?

Szenen, Entdeckungen, Helden und Missverständnisse

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Die Szene der Tour: Thomas Voeckler

Keiner leidet so schön wie er, keiner liegt in der Gunst der Franzosen so weit oben wie der 32-Jährige, und keinen Namen sprechen die Gastgeber mit solcher Inbrunst und Enthusiasmus aus wie den von Thomas Voeckleeeeeer. Der Elsässer legte in den vergangenen drei Wochen die Tour seines Lebens auf Frankreichs Straßen. Okay, erst durch das Sturzpech der anderen kam er auf der Etappe nach Saint-Flour phasenweise sieben Minuten von den Verfolgern weg und später in den Genuss, das Gelbe Trikot zu tragen und zu verteidigen. Aber egal. Voeckleeeeeer beendete die Tour auf dem vierten Platz - so gut war noch kein Franzose in diesem Jahrtausend.

Was? Du warst nicht ganz zufrieden mit Deinem Abschneiden? "Ja, das stimmt. Ich bin ein wenig enttäuscht, denn nach meinen zehn Tagen in Gelb habe ich davon geträumt, in Paris auf das Podium zu kommen", sagte Voeckleeeeeer. Aber Moment, es hätte beinahe auch alles anders kommen können. Denn auf der Schlussabfahrt der 17. Etappe hatte er seine liebe Müh' und Not mit dem Parcours. Zunächst versteuerte sich Voeckleeeeeer und fand sich fast im Wald wieder. Und nur wenige Sekunden später legte er einen unfreiwilligen Ausritt auf die Terrasse eines Wohnhauses hin. Nichts passiert, Gott sei Dank. Und deshalb klopften sich die Radsportfans vor Lachen auf die Schenkel. Denn sie sind dank der TV-Bilder einer Helikopter-Kamera live dabei.

Die Entdeckung der Tour: Pierre Rolland

Den Franzosen nahm man erst so richtig wahr, als Teamkollege Thomas Voeckler im Gelben Trikot fuhr. Als Edelhelfer wich Rolland seinem Kapitän selbst an den steilsten Rampen nicht von der Seite. Und man hatte den Eindruck, dass der in Gien in Zentralfrankreich geborene Rolland durchaus hätte noch schneller fahren können. Erst auf der 19. Etappe erlaubte ihm Voeckler, auf eigene Kappe zu fahren. Und das tat er. Am Schlussanstieg hinauf nach Alpe d'Huez attackierte Rolland und ließ in einem packenden Finale die spanische Allianz aus Alberto Contador und Samuel Sanchez verdutzt stehen.

Kein Wunder, denn Rolland hatte sich akribisch auf die Etappe vorbereitet. In einem Trainingslager war er zehn Mal hinauf zur legendären Skistation geklettert. "Weil ich den Anstieg so gut kannte, wusste ich ganz genau, wo ich in welchem Gang fahren musste", erklärte er nach dem größten Erfolg seiner Karriere. Damit nicht genug: In Paris beendete er die Tour als Gesamtelfter und sicherte sich auch noch das Weiße Trikot des besten Jungprofis. Und wer weiß, was er im Gesamtklassement noch hätte ausrichten können, wenn er nicht Tag für Tag an der Seite von Voeckler geblieben wäre. Denkt sich auch Leopard-Teamchef Brian Nygaard: "Auf diesen Rolland müssen wir in den nächsten Jahren aufpassen."

Die Helden der Tour: Laurens Ten Dam und Johnny Hoogerland

Laurens Die Tour de France besteht nicht nur aus knallenden Champagnerkorken, strahlenden Siegen und hübschen Podiumshostessen. Bisweilen zeigt sie auch ihre hässliche Fratze. Vor allem die erste Tourhälfte war übersät mit teils brutalen Stürzen. Stellvertretend für die Winokurows, Klödens, Horners und van den Broecks geht der SPOX-Award für die Helden der Tour an die Niederländer Laurens Ten Dam und Johnny Hoogerland. Den einen zogen die irren Gravitationskräfte am Col d'Agnes in den Seitenstreifen, wo er nach einem Salto über den Lenker mit der Nase im Straßengraben bremste und anschließend mit acht Stichen an Lippe und Nase genäht werden musste. Ten Dams Kommentar am Start der nächsten Etappe: "Ich werde doch nicht wegen einer dicken Lippe die Tour beenden."

Den anderen flexte ein übermütiger Fahrer des französischen Fernsehens mit seinem Begleitauto von der Straße - direkt in den Stacheldrahtzaun neben der Fahrbahn. Nach dem Wechsel seiner komplett zerrissenen Rennhose und provisorischer Bandagierung seiner Schnittverletzungen stieg Hoogerland wieder auf seinen Bock und schaffte es ins Ziel. Am nächsten Tag stand der 28-Jährige wie durch ein Wunder wieder bei der Einschreibung. Mit gefühlten drei Quadratmetern Pflaster und 33 Nähten an seinen Beinen.

Das Missverständnis der Tour: Alberto Contador

Er war angetreten, um seinen dritten Toursieg in Folge zu holen. Gegangen ist er als Gesamtfünfter, mit fast vier Minuten Rückstand auf das Gelbe Trikot. Schon bevor Contador den ersten Kilometer zurücklegte, startete die Mission Titelverteidigung mit einem bösen Erwachen. Bei den Teamvorstellungen im pompösen Amphitheater von Puy du Fou wurden 197 Gladiatoren von den Zuschauern mit Beifall empfangen und gefeiert. Nur der Spanier erntete Pfiffe und wurde übel ausgebuht. Weiter ging es mit Stürzen auf der 1., 5., und 9. Etappe, die ihm bereits einen saftigen Rückstand bescherten.

Dem beeindruckenden Angriff auf dem Weg nach Gap folgte der Einbruch auf der Galibier-Etappe. Als das Gelbe Trikot schon lange außer Reichweite war, nahm ihm Spielverderber Rolland auch noch den Etappensieg in Alpe d'Huez weg. So blieb dem Pistolero nichts anderes übrig, als seinen Auftritt in Frankreich schönzureden: "In Anbetracht der negativen Faktoren - Stürze, Knieprobleme und dem harten Giro als nicht unbedingt ideale Vorbereitung - bin ich zufrieden." Merke: Giro und Tour in einem Jahr gewinnen kann nur Pantani. Da hilft es auch nichts, gegen in Grün gekleidete Ärzte aufmüpfig zu werden.

Evans: Vom Hinterradlutscher zum Toursieger

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