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Die Sky-Ritter tragen ihren König: Obwohl Chris Froome schlussendlich mit dem Gewinn der Bergwertung und des Gelben Trikots zwei große Lorbeerkränze alleine auf dem Haupt trägt und das als erster Fahrer seit dem legendären Eddy Merkx (1970), darf man bei dem Briten nicht vergessen, wer ihn mit aufs Podest gehoben hat.
Spätestens nach der ersten Woche zeigte sich die besondere Stärke seines Teams. Regelmäßig konnte er sich schleppen lassen von Gefährten wie Wouter Poels, Richie Porte oder Geraint Thomas, benötigte sie als Zugpferde für Gipfelpassagen oder um Angriffe abzufangen.
Wenngleich der Tour-Sieger in den in den Pyrenäen sein ganzes Können präsentierte, stopften seine Teamkollegen jede noch so kleine Schwächephase und trugen ihren Pedalkönig Richtung Paris.
Die Deutschen: Auch wenn die Bilanz dieses Mal ein wenig schwächer als 2014 (7 Siege) ausfällt - die deutschen Teilnehmer wussten auch dieses Jahr wieder mit sechs Siegen zu überzeugen. Neben den meisten Etappensiegen aller Nationen, radelte sich zu Beginn besonders Tony Martin in den Fokus und sorgte für Begeisterung in der französischen Presse.
Der dreimalige Zeitfahr-Weltmeister war in der ersten Woche das Gesprächsthema auf der Tour. Zunächst blieb die Jagd auf Gelb noch erfolglos, bis das Kopfsteinpflaster nach Cambrai für die Erlösung sorgte. Zwei Tage später der Schock: Richtung Le Havre erlitt der Cottbuser einem Schlüsselbeinbruch und musste schweren Herzens runter vom Sattel.
Dazu war Andre Greipel einer der bestimmenden Sprinter der 102. Frankreich-Rundfahrt, der sich selbst mit drei Etappensiegen und der langersehnte Triumphfahrt auf der Champs-Elysees beschenkte. Schließlich war da noch der erste deutsche Sieger im Hochgebirge seit Linus Gerdemann 2007: Simon Geschke feuerte bei seinem 50-km-Solo Richtung Pra Loup alles aus sich heraus und sprach mit zittriger Stimme anschließend vom "schönsten Tag in meinem Leben".
Quintana ist die Zukunft:Der Kolumbianer ist ein absolutes Kletterwunder und wartet eigentlich nur noch auf den ganz großen Wurf. Leider brauchte der Kletterkäfer ein paar Etappen, um wirklich in Fahrt zu kommen, wodurch der Mann aus den Anden bereits an der Nordseeküste 1:28 Minuten auf Froome einbüßte. Doch Quintana gab nicht auf und hielt die Tour bis zum letzten Pedaltritt spannend.
Letztendlich war der beste Jungprofi der Tour 2015 nur der zweitbeste Klassementfahrer im Peloton. Aber wie es das weiße Trikot bereits andeutet: Quintana gehört, trotz seiner noch vorhandenen Schwäche in flachen Gefilden, mit seinen 25 Jahren die Zukunft. Vielleicht sehen wir somit schon im nächsten Jahr den ersten Tour-Sieger aus Südamerika.
Sagan sorgt für Spektakel: Der 25-Jährige bot in den vergangenen Wochen die ganz große Show und war bei den Siegerehrungen ein beliebter Dauergast. Immer wieder stieg der Slowake im Grünen Trikot aufs Treppchen, einzig mit einem Sieg wollte es einfach nicht klappen. Nichtsdestotrotz durfte sich der Fahrer von Tinkoff-Saxo das vierte Mal mit dem "Maillot vert" in Paris zeigen.
Dem Allrounder liegen vor allem die unbequemen Zieleinkünfte, die er mit starken Zwischensprints zu garnieren wusste. Mit dem Messer zwischen den Zähnen und der Fähigkeit, auch am Berg zu bestehen, könnte Sagan in Zukunft eine echte Gefahr für den Tour-Rekord von Erik Zabel werden (6). Ansonsten bleibt alleine seine spektakuläre Abfahrt nach Gap eines der Tour-Highlights.
Afrika bei der Tour: Merhawi Kudus und Daniel Teklehaimanot (beide Eritrea) waren als erste Teilnehmer aus Schwarzafrika in Frankreich dabei. Letzterer trug sogar zwischenzeitlich das gepunktete Bergtrikot. Dazu prophezeit Tour-Sieger Froome dem afrikanischen Radsport eine goldene Zukunft.
"Ich halte Athleten aus Ostafrika für die besten Ausdauersportler der Welt. Es wird nicht allzu lange dauern, bis sie echte Resultate erzielen", sagte der in Kenia geborene Brite. Die beiden angesprochenen Fahrer stehen derzeit beim im Südafrika lizenzierten MTN-Qhubeka unter Vertrag, das mit Stephen Cummings sogar einen Etappensieger in seinen Reihen vorweisen konnte.
Die Streckenführung: Die Einführung des engen und bildschönen Aufstiegs von Lacets de Montvernier auf der 18. Etappe war ein absolutes Schmankerl. Zusätzlich ging es diesmal schon in der ersten Woche zur Sache. Sei es die Windkanten-Etappe nach Zeeland, das Kopfsteinpflaster nach Cambrai oder die Herausforderungen an der "Mur von Huy" und der "Mur-de-Bretagne".
Wer wissen will, wie schnell so mancher Fahrer bereits in den ersten Tagen einem Zeitrückstand hinterherradeln musste, der soll mal bei Nairo Quintana nachfragen. Auch wenn sich auf Seiten der klassischen Sprinter immer wieder Kritik aufkam - die Bergetappen wussten besonders zu gefallen. Fünf schwere Bergankünfte, dazu gefährliche Abfahrten sorgten für jede Menge Druck auf die Spitze und ließen besonders Sieger Froome regelmäßig völlig entkräftet ins Ziel einrollen.
Ivan Bassos Schutzengel: Manchmal findet das Schicksal seine ganz eigenen Wege, um einen besonderen Einschnitt im Leben eines Menschen herbeizuführen. Denn der Sturz von Ivan Basso auf der fünften Etappe war wohl zunächst eine mehr als ärgerliche Angelegenheit für den Edelhelfer von Alberto Contador . Doch als bei dem 37-Jährigen schließlich Hodenkrebs festgestellt wurde, erschien der Radunfall wie ein absoluter Glücksmoment für den Italiener, der sich umgehend in Behandlung begab.
Nun gab es kurz vor Tour-Ende die positive Nachricht aus dem Krankenhaus: "Ivan Basso hat die erste Nachuntersuchung durchlaufen. Er hat sich sehr gut vom Eingriff erholt und die Untersuchungen zeigen keinerlei Notwendigkeit für weitere Behandlungen."Damit darf sich der Tinkoff-Saxo_Fahrer bald wieder auf den Sattel schwingen.
Tops: Sky, die Deutschen und Ivan Bassos Schutzengel
Flops: Die Fans an der Strecke, Vincenzo Niabali und Paolini auf Droge