Novak Djokovic gratulierte Jannik Sinner fair am Netz, packte seine Tasche zusammen und verschwand frustriert im Bauch der Rod Laver Arena: Der Grand-Slam-Rekordchampion ist bei den Australian Open im Halbfinale krachend gescheitert und muss auf seinen elften Titel in Melbourne warten. Sinner entthronte den Serben am Freitag mit 6:1, 6:2, 6:7 (6:8), 6:3 und erreichte zum ersten Mal das Endspiel eines Major-Turniers.
In diesem trifft der 22 Jahre alte Südtiroler am Sonntag auf den Russen Daniil Medvedev, der sich gegen Deutschlands Nummer eins Alexander Zverev in einem intensiven Duell mit 5:7, 3:6, 7:6 (7:4), 7:6 (7:5), 6:3 durchsetzte. "Das ist unglaublich, ich weiß nicht wirklich, was ich sagen soll", sagte Sinner: "Das Selbstvertrauen vom Ende des letzten Jahres hat mich glauben lassen, gegen die Besten bestehen zu können. Ich bin sehr froh, dass ich mein erstes Finale spielen kann. Wir werden sehen, wie es läuft."
Für Djokovic (36) endete nach zuvor 33 Siegen in Folge im Melbourne Park eine beeindrucke Serie - bisher hatte der zehnmalige Turnierchampion am Yarra River immer auch den Titel gewonnen, wenn er das Halbfinale erreicht hatte. "Das war eines der schlechtesten Grand-Slam-Matches, das ich je gespielt habe", sagte Djokovic, der sich im Turnierverlauf nicht wie er selbst gefühlt habe. Sinner habe "alles besser gemacht als ich".
Für Sinner ist es neben dem Davis-Cup-Sieg mit Italien im November schon jetzt der größte Erfolg seiner Karriere. Er besiegte Djokovic zum dritten Mal in den letzten vier Spielen, in seinem ersten Major-Halbfinale war er Djokovic im vergangenen Sommer in Wimbledon noch in drei Sätzen klar unterlegen gewesen.
Djokovic agierte im ersten Satz ungewohnt fehlerhaft und nervös, Sinner spielte druckvoll und nutzte seine Breakchancen eiskalt. Auch im zweiten Durchgang fand der Serbe trotz zahlreicher Fans im Rücken nicht zu seinem dominanten Spiel, Sinner hatte in den Grundlinienduellen stets Vorteile. "Ich hatte das Gefühl, er hat sich nicht so wohl gefühlt auf dem Platz", sagte Sinner.
Im dritten Satz wachte Djokovic auf, wehrte nach einer kurzen medizinischen Behandlung für einen Zuschauer nervenstark einen Matchball ab und gewann den dramatischen Tiebreak.
Doch am Ende half es nichts: Sinner drehte im vierten Satz erneut auf, nutzte nach 3:22 Stunden Spielzeit seinen zweiten Matchball, machte den Final-Einzug perfekt - und fügte Djokovic die erste Niederlage in Melbourne seit 2018 zu. 2022 war er wegen einer fehlenden Corona-Impfung aus Australien ausgewiesen worden und konnte nicht antreten.
Krönung des Oldies? Bopanna hat Melbourne-Titel im Visier
Der indische Tennisprofi Rohan Bopanna erlebt bei den Australian Open gerade seinen mindestens zweiten Frühling - und greift im zarten Alter von 43 Jahren nach der Krone in der Doppelkonkurrenz. Zunächst war durch seinen Halbfinaleinzug klar geworden, dass er nach dem Turnier erstmals zur Nummer eins im Doppel aufsteigen würde, nun will Bopanna an der Seite seines Partners Matthew Ebden in seinem ersten Melbourne-Finale auch den Titel.
"Das ist extrem besonders, es ist fantastisch, wieder in einem Grand-Slam-Endspiel zu stehen", sagte Bopanna nach dem 6:3, 3:6, 7:6 (10:7) gegen Thomas Machac (Tschechien) und Zhang Zhizhen (China). Der French-Open-Sieger im Mixed 2017 trifft mit dem Australier Ebden am Samstagmorgen (MEZ) im Finale auf die Italiener Simone Bolelli und Andrea Vavassori.
Der Sprung auf Rang eins der Weltrangliste, den Bopanna im Anschluss an den Grand Slam offiziell vollführen wird, fühlte sich für den Oldie auch mit ein wenig Abstand noch surreal an. "Ehrlich gesagt, bin ich immer noch dabei, es zu begreifen. Ich habe viele Nachrichten und viel Liebe bekommen", sagte er: "Ich denke, wenn das Turnier vorbei ist und ich zumindest ein paar Wochen zu Hause bin, kann ich diesen Moment noch einmal erleben. Aber natürlich bin ich sehr, sehr stolz darauf, in dieser Position zu sein."
Bopanna, der seit über 20 Jahren Profi auf der Tour ist, es im Einzel aber nie in die Top-200 schaffte, befindet sich mit seinem fortgeschrittenen Alter in den Top 10 der Doppel-Weltrangliste in bester Gesellschaft. Alle zehn Profis haben die 30 bereits weit überschritten, Edouard Roger-Vasselin aus Frankreich und der Mexikaner Santiago Gonzalez sind beide schon 40.