SPOX: Ferdinand, Ihr ehemaliger Verein Generali Haching hat erst kürzlich den Rückzug aus der Bundesliga bekanntgegeben. Wie haben Sie auf diese Nachricht reagiert?
Ferdinand Tille: Es tut mir enorm leid für die ehrenamtlichen Helfer, die Trainer, den Manager und natürlich auch für die Fans. Wir haben alle immer gerne in Haching gespielt. Der Verein hat alles versucht, man sollte den Verantwortlichen also keinen Vorwurf machen. In anderen Ligen ist es mittlerweile leider ganz normal, dass sich pro Saison mindestens ein Klub zurückzieht.
SPOX: Sie waren von 2006 bis 2011 in Haching aktiv. Im letzten Jahr sind Sie noch mal zurückgekehrt. Warum?
Tille: Mich hat das Projekt einfach gereizt, auch wenn ich wusste, dass der Verein finanziell am Abgrund stand. Außerdem findet man speziell als Libero oft nicht so schnell einen Klub und Haching bot mir zudem an, weiterhin studieren zu können. Alleine deswegen hat mich ihr Schicksal berührt.
SPOX: Wäre der Einstieg des FC Bayern nach dem Vorbild der Basketballer eine Lösung gewesen?
Tille: Die Verantwortlichen haben das sicherlich in Betracht gezogen. Ein Umzug nach München hätten sie wohl nicht ausgeschlossen. Aber man wollte es eben bis zuletzt alleine schaffen.
SPOX: Wo liegt das große Problem für die Vereine?
Tille: Das ist eigentlich ganz einfach. Unsere Spiele werden nicht im Fernsehen übertragen. Das macht den kompletten Sport für Sponsoren nicht unbedingt attraktiver. Dazu kommt, dass der Fußball in Deutschland vieles erdrückt. Andere Sportarten haben fast keine Chancen. Das wirkt sich ganz automatisch auf die Vereine aus.
SPOX: Wie kann man Volleyball wieder interessanter machen?
Tille: Man könnte versuchen, die Regeln zu vereinfachen. Ich höre immer wieder von vielen Fans, dass sie lange brauchen, um alles zu verstehen. Es gibt auch Überlegungen, die Sätze zu verkürzen. Aber ich bezweifle, dass das der richtige Weg ist.
SPOX: Am Wochenende beginnt in Polen die WM. Könnte ein erfolgreiches Turnier einen kleinen Boom auslösen?
Tille: Keine Frage, es steht und fällt alles mit den Erfolgen der Nationalmannschaft. Es ist immens wichtig, dass wir uns gut verkaufen, um der Liga zu helfen und Volleyball populärer zu machen.
SPOX: Sie haben in diesem Sommer bereits die World League hinter sich. Welche Rolle spielt das auf dem Weg zur WM?
Tille: Die World League war vor allem für die jüngeren Spieler ein guter Erfahrungswert. Sie haben das Gefühl für enge Partien auf hohem Niveau bekommen. Jetzt liegt unser Fokus allerdings auf der WM. Deswegen sind auch einige erfahrenere Spieler wieder mit an Bord.
SPOX: Zum Auftakt wartet mit Weltmeister Brasilien direkt ein schwerer Brocken. Wie groß stehen die Chancen, mit einer Überraschung ins Turnier zu starten?
Tille: Wir haben auch bei der letzten EM mit Russland zum Auftakt den Europameister geschlagen. Aber selbst eine Niederlage wirft uns nicht aus der Bahn. Die WM geht über drei Wochen, da ist viel möglich. Eine Niederlage - auch gleich zu Beginn - wäre also kein Beinbruch.
SPOX: Bundestrainer Vital Heynen hat die Bronzemedaille als Ziel ausgegeben. Stimmen Sie ihm zu?
Tille: Ganz klar, eine Medaille ist auch innerhalb der Mannschaft das Ziel. Nach den Viertelfinale-Niederlagen bei den letzten beiden großen Turnieren wollen wir endlich mal unter die letzten Vier kommen. Unsere Situation ist vielleicht vergleichbar mit der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Bei denen hat es auch gedauert, bis der Titel heraussprang. Ohne die Enttäuschungen der letzten Jahre wäre man in Brasilien vielleicht gar nicht Weltmeister geworden. Ich sehe uns auf einer ähnlichen Entwicklungsstufe. Wir sind jetzt reif für Edelmetall.
SPOX: Kann der Triumph des DFB-Teams die Volleyballer zusätzlich motivieren?
Tille: Das kann durchaus bei dem einen oder anderen der Fall sein. Die Fußballer hatten nominell gesehen auch nicht die beste Mannschaft, aber sie sind perfekt zusammengewachsen. So könnte es auch bei uns laufen.
SPOX: Für Sie persönlich sind es nicht die ersten Weltmeisterschaften. Sie waren bereits 2010 dabei und wurden sogar als bester Libero geehrt. Der Lohn waren immerhin 15.000 Dollar. Was haben Sie eigentlich damit gemacht?
Tille: Ach, mir ist gar nicht alles geblieben. Wir hatten schon davor ausgemacht, dass wir eine solche Prämie untereinander aufteilen. Am Ende hatte ich noch die Hälfte, aber das war total in Ordnung. Das Geld habe ich dann in mein Auto gesteckt.
SPOX: Zwei Jahre später bekam Markus Steuerwald bei Olympia dieselbe Auszeichnung. Wie groß ist der Konkurrenzkampf untereinander?
Tille: Persönlich haben wir aber überhaupt kein Problem. Uns wird sogar immer gesagt, wir sollen nicht zu nett zueinander sein (lacht). Aber im Ernst: Wir spielen beide auf hohem Niveau und pushen uns gegenseitig an die Grenzen, besser geht es eigentlich nicht.
SPOX: Unterscheidet sich die Spielvorbereitung als Libero von den anderen Positionen?
Tille: Einen Tag vor dem Spiel haben wir abgesehen von der gemeinsamen Videoanalyse noch mal eine weitere Sitzung, in der wir uns die Aufschläge und Angriffe des Gegners genauer anschauen. Aber ansonsten gibt es keine großartigen Unterschiede. Volleyball ist und bleibt ein Teamsport.
SPOX: Das klingt alles sehr abgeklärt, trotz Ihrer gerade einmal 25 Jahren. Das liegt wohl auch daran, dass Sie bereits mit 18 in der Bundesliga debütierten und einen guten Eindruck hinterließen. Wie schwierig war es damals, mit dem plötzlichen Druck umzugehen?
Tille: Ich muss zugeben, in den ersten Spielen war ich sehr nervös. Zum Glück habe ich von Anfang an ganz ordentlich gespielt und bin gar nicht in eine Negativspirale gekommen. Meine Teamkollegen haben mir in der Zeit auch enorm geholfen. Wenn die Mannschaft und der Trainer dir vertrauen, kommt das Selbstbewusstsein quasi von alleine.