"Da kommt Samba-Feeling auf"

Frederick Müller
23. September 201512:20
Mareen Apitz beim Shooting für einen Vereinskalendergetty
Werbung

Die Volleyball-Damen stehen kurz vor der Europameisterschaft in Belgien/Niederlande (26.09-04.10.). Zuspielerin Mareen Apitz spricht über die deutschen Chancen und erklärt, warum Rio 2016 schon ein wichtiges Thema ist. Mit SPOX sprach die 28-Jährige außerdem über ungewöhnliche Trainingsmethoden, leere Hallen in Baku, kräftezehrende Reisen und das Flair von Rio.

SPOX

SPOX: Frau Apitz, Männer-Bundestrainer Vital Heynen hat vor kurzem mit einer "Höllenwoche" für Aufmerksamkeit gesorgt. Es wurde unter anderem Sprech- und Handyverbot erteilt, zudem gab es mehrere Teambuilding-Maßnahmen. Wäre das auch was für das Frauen-Team und haben Sie schon ähnliche Erfahrungen gemacht?

Mareen Apitz: Zuletzt vielleicht im Jugendbereich. Ich habe Vital in Baku bei den European Games kennengelernt. Und ich muss sagen: Das passt zu ihm. (lacht) Das passt als Einfluss auf das Team. Wenn er so etwas macht, dann ist das nicht erzwungen, sondern hat Hand und Fuß. Ich halte es für eine coole Aktion. Die Männer werden im Oktober eine erfolgreiche EM spielen.

SPOX: Die Frauen sind schon vorher dran. Gelingt nach Silber 2011 und 2013 diesmal der große Coup mit dem Titel?

Apitz: Da denkt im Moment keine von uns dran. Das ist zwei beziehungsweise vier Jahre her, da waren die Konstellationen anders. Es wäre natürlich wünschenswert, Europameister zu werden. Aber wir gehen das Turnier in kleineren Schritten an.

SPOX: Warum so zurückhaltend?

Apitz: Wir haben ein junges Team und einen neuen Trainer. Man darf keine Wunder erwarten. Im Sommer erzielten wir außerdem keine überraschend guten Ergebnisse. Insofern gehen wir Step-by-Step durch die EM. Und die fängt direkt mit dem Kracherspiel gegen Serbien an. Die Serbinnen qualifizierten sich erst kürzlich für Olympia und sind bärenstark drauf. Gegen Tschechien und Rumänien müssen wir gewinnen - und dann geht die EM so richtig los.

SPOX: Sie haben den neuen Trainer angesprochen. Was hat sich denn seit der Amtsübernahme von Luciano Pedulla im Februar verändert?

Apitz: Mir persönlich hat er technisch-taktisch mit kleinen Hinweisen viel geholfen. Das muss ich jetzt in die Mannschaft einbringen. Er muss mit jungen Spielerinnen arbeiten, die diesen Sommer auf internationalem Level spielen müssen. Dafür ist viel Arbeit nötig. Er steht stundenlang mit uns in der Halle, arbeitet sehr akribisch, gleichzeitig aber mit großer Ruhe. Das zahlt sich dann hoffentlich bald aus.

SPOX: Pedullas Vorgänger Giovanni Guidetti ist dagegen eher als Heißsporn bekannt. Was ist Ihnen lieber?

Apitz: Wir müssen uns auf den Trainer einstellen, so wie der Trainer sich auf uns einstellen muss. Ich komme mit beiden sehr gut klar. Bei Pedulla vermisse ich jedenfalls nichts. Das sind seine Eigenschaften und damit arbeite ich. Er pflegt einen sehr professionellen Umgang, der sehr angenehm ist.

SPOX: Fakt ist: Bei der Copa Rio International im Sommer gab es keinen einzigen Sieg, was die EM-Erwartungen gedämpft hat. Dennoch soll es im nächsten Jahr wieder nach Brasilien gehen. Wie groß ist der Traum von Olympia?

Apitz: Olympia ist der größte Traum überhaupt. Im Hinterkopf sind die Spiele seit langer Zeit präsent. Wir wollen da unbedingt hin. Ein knappes Jahr vorab an der Copacabana gewesen zu sein, war ein tolles Erlebnis. Auch bei den Spielen in der Halle, in der das Endspiel stattfinden wird, konnte man das Flair schon ein bisschen aufnehmen. Trotzdem muss noch einiges passieren in dem Land. So viele Sportstätten habe ich auf unseren Wegen noch nicht wahrgenommen. Da kommt noch jede Menge Arbeit auf das Land zu. Insgesamt war es aber ein toller Vorgeschmack. Die wenigen Leute, die das kleine Turnier in der Halle verfolgten, haben angedeutet, was für ein Samba-Feeling aufkommen kann.

SPOX: Korea, Rio, Hongkong: Insgesamt sind Sie mit der Nationalmannschaft viel unterwegs. Entschädigt die Reiserei manchmal die harte Arbeit, oder ist es eher eine zusätzliche Belastung?

Apitz: Wenn man eine lange Reise hinter sich hat, geht es meistens direkt in die Halle. Da beschwert sich der Körper schon manchmal und scheint zu sagen: So kurz nach dem Flug, muss das sein? Aber es ist doch toll, die verschiedenen Länder durch den Sport erleben zu dürfen. Es ist schön, Einblicke in andere Nationen zu bekommen.

SPOX: Also mehr Belohnung als Belastung.

Apitz: Auf jeden Fall. Man wächst ja auch damit auf. Früher waren es die kleineren Strecken, heute sind wir eben weltweit unterwegs. Reisen, aus der Tasche leben, an Feier- oder Geburtstagen unterwegs sein, das gehört alles zu einem Sportlerleben dazu. Aber irgendwann ist das ja auch vorbei.

Seite 1: Apitz über außergewöhnliches Training, Olympia und die viele Reiserei

Seite 2: Apitz über Aserbaidschan, japanische Mitspielerinnen und das Flair von Rio

SPOX

SPOX: Davon sind Sie allerdings noch ein gutes Stück entfernt. Zunächst steht noch ein großes Abenteuer an. Nach einem Jahr in Cannes spielen Sie in der kommenden Saison bei Azeryol Baku. Warum Aserbaidschan?

Apitz: Baku hat sich zu einem Standort entwickelt, an dem viele sehr gute internationale Spielerinnen aufeinander treffen. Das Team ist international im CEV-Cup vertreten. Das war mein Anspruch im vorolympischen Jahr. Insgesamt passte das Gesamtpaket.

SPOX: Hätten Sie das in Cannes nicht auch alles gehabt?

Apitz: Schon, aber es ergab sich dort keine Möglichkeit mehr. Es gab eine Umstrukturierung im Verein, finanziell und sportlich. Die Mannschaft wurde verjüngt. Insofern gab es kein neues Angebot und ich musste mich neu orientieren. Von der Landschaft ist es definitiv nicht zu vergleichen, in Cannes herrscht ein ganz anderes Lebensbild als in Aserbaidschan. Für mich ist es ein Entwicklungsprozess und ich freue mich auf das Abenteuer.

SPOX: Trotzdem gilt Baku nicht unbedingt als Volleyball-Mekka, was die Atmosphäre angeht.

Apitz: Schon in Cannes kamen nicht so viele Zuschauer zu den Ligaspielen, weil der Sieg als Serienmeister einfach erwartet wurde. Die internationalen Spiele waren mit 2.000 bis 3.000 Zuschauern sehr gut besucht und man wurde auch gut gepusht. Dennoch sind die Begeisterung und die Zuschauerzahlen in Deutschland größer. In meiner letzten Saison in Dresden hatten wir einen Schnitt von 2.500 Besuchern. In Baku werden mich zugegebenermaßen wohl eher leere Hallen und wenig Unterstützung erwarten.

SPOX: Sie kennen die Stadt bereits von den European Games. Kam damals auch der Kontakt zustande?

Apitz: Gegen Ende der European Games ergab sich für mich das Angebot, davor war ich für alles offen. Für die Spiele haben sich das Land und die Leute wahnsinnig viel Mühe gegeben. Dafür, dass man nicht richtig wusste, was da auf einem zukommt, war alles top organisiert. Die Stadt hat superschöne, moderne Ecken, die man so gar nicht erwartet. Baku hat in den letzten Jahren eine enorme Entwicklung genommen.

SPOX: Dennoch liefen die European Games unter dem Radar der öffentlichen Wahrnehmung, die Stars fehlten. Wie erklären Sie sich das?

Apitz: Die Spiele wurden nicht früh genug angekündigt. Für viele deutsche Leichtathleten zum Beispiel war die Veranstaltung so kurzfristig geplant, dass sie ihren Sommerfahrplan hätten umgestalten müssen. Wenn jetzt schon ein fester Zeitpunkt für die nächsten Spiele feststehen würde, wäre es beim nächsten Mal besser besucht. Dieses Jahr war es ein erster Anlauf, und dafür waren die Spiele schon gut besucht.

SPOX: Vor Ihrer Zeit in Cannes spielten Sie 16 Jahre lang in der Heimat beim Dresdner SC. Täuscht der Eindruck, oder haben Sie das Gefühl, einiges nachholen zu müssen und es Sie deshalb in die Welt hinauszieht?

Apitz: Nachholen muss ich nichts, auf keinen Fall. Die Zeit in Dresden wollte ich genauso, wie sie letztendlich war. Aber ich nutze jetzt die Möglichkeiten, die sich öffnen. Ich tue alles für Olympia 2016. Nach der EM geht jeder in seinen Verein und zwischen Weihnachten und Neujahr haben wir nur wenig Zeit, um uns auf die Olympiaqualifikation Anfang Januar vorzubereiten. Es ist nicht leicht, dann sein bestes Spiel aufzuziehen. Deswegen benötigt man schon während der Saison gutes Training. Das erhoffe ich mir in Baku.

SPOX: Abschließende Frage:Wo hat es Ihnen bisher am besten gefallen und wo wurde Volleyball am intensivsten gelebt?

Apitz: Brasilien hat ein besonderes Flair durch das ständige Feiern. Wenn da mal etwas daneben geht, geht es trotzdem weiter. Das finde ich sehr sympathisch. In Japan und China herrscht eine wahnsinnige Begeisterung für den Sport. Die Japanerinnen werden in ihrem Land ganz schön gehyped. Ich spielte in Cannes mit einer Japanerin zusammen. Die war super herzlich und warm, aber dennoch anders als wir. Das ist das Schöne daran: Man ist so unterschiedlich, aber auf dem Feld muss man zusammenfinden, um erfolgreich spielen zu können.

Seite 1: Apitz über außergewöhnliches Training, Olympia und die viele Reiserei

Seite 2: Apitz über Aserbaidschan, japanische Mitspielerinnen und das Flair von Rio