"Großbritannien war sehr chaotisch"

Von Interview: Benedikt Treuer
Mathias Berthold ist seit dieser Saison zurück beim DSV und betreut Felix Neureuther und Co.
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SPOX: Ist die Begeisterung für den Wintersport in Österreich auch eine ganz andere? Man hatte das Gefühl, Sie sind in Österreich fast bekannter als der Fußball-Nationaltrainer Marcel Koller.

Berthold: Auf alle Fälle. Das macht der Umstand, dass in Österreich das Skifahren die Sportart Nummer eins ist. Der Stellenwert ist extrem hoch, jeder kennt die Athleten, Trainer und das ganze Umfeld. Skifahren in Österreich ist vergleichbar mit Fußball in Deutschland.

SPOX: Wie war das denn bei der Fußball-WM? Durften Sie als Österreicher in Deutschland Partei ergreifen?

Berthold: Wir haben das Finalspiel mit der Abfahrtsmannschaft angeschaut, auch wenn wir da auf Kollisionskurs waren: Ich musste meinen Jungs sagen, dass ich für die Gauchos mitfiebere, weil ich Argentinien-Fan bin und mir der Messi taugt. Das hat ihnen natürlich nicht gepasst, aber es war kein Problem. Ansonsten bin ich ein Riesenfan vom deutschen Fußball, die Bundesliga ist zum Zusehen die beste Liga. Nur wenn Österreich gegen Deutschland spielt, ist natürlich klar, dass meine ganze Leidenschaft dem ÖFB gilt - meistens mit einem schlechten Ausgang (lacht).

SPOX: Marcel Hirscher sagte im SPOX-Interview, dass er in Österreich wegen seiner Bekanntheit ständig und überall angesprochen wird. Mittlerweile fühle er sich dabei aber wohl. Können Sie das für sich bestätigen?

Berthold: Ja und Nein. Im Endeffekt ist es immer schön, wenn der Skisport so populär ist. Von daher ist die Bekanntheit überwiegend positiv.

SPOX: Empfinden Sie die Presse in Deutschland denn als weniger kritisch als in Österreich, wenn es um die alpinen Sportarten geht?

Berthold: Wenn wir ein Ergebnis wie in Are erzielen, mit einem zweiten Platz von Felix, einem dritten von Stefan und einem vierten von Fritz, dann ist das cool. Wenn ich in Österreich ein Wochenende habe, an dem nicht mindestens ein Sieg verbucht wird, ist das eine Katastrophe und alle kritisieren die Mannschaft. Das kann man mit Deutschland gar nicht vergleichen.

SPOX: Sie beschäftigen sich aber mit dem, was geschrieben wird?

Berthold: Ich bin lange genug in der Verantwortung, um die Dinge einschätzen zu können. Positive Berichterstattung ist schön, man freut sich darüber. Allerdings weiß ich auch, dass bei einem schlechten Rennen sofort wieder vom Gegenteil die Rede ist. Als junger Trainer oder Athlet hat man damit größere Probleme, weil man dem Ganzen viel mehr Bedeutung zumisst.

SPOX: Zu Beginn Ihrer Trainerkarriere dürften Sie das komplette Gegenteil in Sachen Pressearbeit mitbekommen haben. Sie haben damals zwei Jahre in Großbritannien gearbeitet - ein Land, das man nicht unbedingt mit dem Skisport in Verbindung bringt. Wie kam das eigentlich zustande?

Berthold: Über die Medien habe ich damals kundgetan, dass ich Trainer werden wollte und ich war als ehemaliger Skifahrer kein Unbekannter. Es gab schnell zahlreiche Angebote und die Aufgabe in Großbritannien erschien mir sehr verlockend. Das war aber reine Intuition. Der Weg, den ich dort gegangen bin, war sehr erfolgreich und brachte mich dann später zurück nach Österreich. Es scheint also die richtige Entscheidung gewesen zu sein.

SPOX: Mit Alain Baxter haben Sie damals sogar die erste britische Olympia-Medaille im alpinen Skisport gewonnen, jedoch wurde sie ihm wegen Dopings wieder aberkannt.

Berthold: Das war schon klasse. Niemand kannte unsere Mannschaft und erst recht hatte keiner daran geglaubt, dass so ein Erfolg möglich ist. Maßgeblich für den Erfolg war Christian Schwaiger, der aktuelle Disziplintrainer unserer Speed-Mannschaft, verantwortlich. Ich war zu diesem Zeitpunkt bereits beim ÖSV, Christian noch bei den Briten. Dass Alain die Bronze-Medaille im Nachhinein wegen angeblichen Dopings aberkannt bekommen hat, war völliger Nonsens. Aber das ist eine andere Geschichte, die ich nicht noch einmal aufrollen möchte.

SPOX: Würden Sie sich in Großbritannien als Entwicklungshelfer sehen?

Berthold: Als ich dort ankam, gab es bereits gewisse Strukturen, aber es war doch sehr chaotisch. Ich war dafür verantwortlich, den Verband besser und strukturierter aufzustellen - und eben Top-Trainer wie Christian Schwaiger auf die Insel zu holen. Das habe ich dann auch gemacht, es hat mir Spaß bereitet.

SPOX: War früher, als vieles noch nicht ganz so professionell ablief, generell alles lockerer als heute?

Berthold: Natürlich war es locker. Das Training von damals ist mit dem heutigen gar nicht mehr vergleichbar. Heute wird härter gearbeitet und mehr trainiert. Die Sportwissenschaft ist auf einem ganz anderen Stand und wird wesentlich besser mit einbezogen. Es hat sich definitiv einiges verändert.

SPOX: Auch was den Umgang der Athleten untereinander betrifft?

Berthold: Sicherlich ging es da etwas ungezwungener zu. Nach dem Training hat man schon einmal dagesessen und mit seiner Mannschaft etwas getrunken oder einfach erzählt. Aber heute ist das ganz anders: Nach dem Abendessen sind alle Athleten weg. Sie sind dann beim Physiotherapeuten oder schauen im Videostudio vorbei.

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