Das Ziel ist klar: Severin Freund soll die deutschen Skispringer bei der WM in Falun zum Titel führen und selbst endlich die heiß ersehnte Einzelmedaille holen. Vor dem Auftaktspringen von der Normalschanze (Samstag, ab 16.30 Uhr im LIVE-TICKER) spricht der 26-Jährige im Interview mit SPOX über die Ausgangslage, sein schwankendes Gewicht und verrät, wie ihn jugendlicher Leichtsinn einmal schwer in die Bredouille brachte.
SPOX: Severin, gestatten Sie mir die Frage nach Ihrem Gewicht?
Severin Freund: Ja, die Frage ist gestattet (lacht). Aber die Disqualifikation von Neustadt ist längst abgehakt. Körpermaße schwanken eben und natürlich will man jeden Vorteil bei der Skilänge nutzen. Man macht es ja immer nach bestem Wissen und Gewissen. Das ist eben einmal knapp schiefgegangen. Aber ich habe daraus gelernt.
SPOX: Mit zwei Siegen aus den letzten drei Springen sind Sie im Kreis der Top-Favoriten. Ein gutes Gefühl?
Freund: Ich fühle mich sehr gut. Für die WM trainiert man ja während der ganzen Vorbereitung. Jetzt steht sie vor der Tür und in Schweden wird die Stimmung hervorragend sein. Da ist viel Tradition und Begeisterung, das macht es als Teilnehmer zu einem besonderen Erlebnis.
Nordische Ski-WM: Der Favoritencheck
SPOX: Während Fußball und Handball sich angesichts der Weltmeisterschaften in Katar große Sorgen um Tradition und Zukunft machen, ist das Skispringen da eher auf der sicheren Seite, oder?
Freund: Ich denke schon. Allein der Aufwand wäre ja gigantisch. An Skispringen muss ich also nicht denken, die nordischen Sportarten sind im Norden wirklich gut aufgehoben.
SPOX: Zurück zur anstehenden WM. Trotz toller Form: Eine Kampfansage hat man von Ihnen trotzdem nicht gehört.
Freund: Die Brechstange holt keine Medaille. Natürlich will ich eine gewinnen und meine Form macht es auch möglich. Bei einer WM muss man angreifen, da geht jeder höheres Risiko. Trotzdem ist die Konkurrenz einfach sehr stark. Einige haben den letzten Weltcup ausgelassen um nochmal zu trainieren. Alles ist möglich. Vor der Tournee waren sich auch alle sicher, dass ein Springer gewinnt, der einen der ersten Weltcup-Siege der Saison geholt hat. Genau die hatten dann Probleme und gewonnen hat Stefan Kraft.
SPOX: Schön, dass Sie die Tournee von sich aus ansprechen. Sie waren auch dort ein Top-Favorit, hatten dann aber vor allem zum Auftakt große Schwierigkeiten.
Freund: Das stimmt. Natürlich habe ich mir das anders vorgestellt. Aber entscheidend war, schnell den Fehler im Ablauf zu finden. Das haben wir schon nach Garmisch geschafft. Ich war beispielsweise viel zu langsam. Auf die Österreicher habe ich bis zu einem km/h verloren, das sind knapp zwei Luken bei der Anfahrt. Dann haben wir mit Videostudium genau analysiert und in der Folge die Anfahrtsposition geändert.
SPOX: Und das war der alleinige Grund?
Freund: Natürlich nicht. Bei mir ist es so: Je fitter ich bin, desto leichter kann ich leichte Fehler im Flug durch einen starken Absprung überlagern. Ich bin jetzt athletisch auf einem sehr guten Level. Dazu haben wir auch beim Material nochmal getestet.
SPOX: Cheftrainer Werner Schuster will auf jeden Fall eine Einzelmedaille. Dazu natürlich auch gerne den Titel im Team.
Freund: Das wollen wir auch. In der Saison haben wir zwei der drei Teamspringen gewonnen und einmal sind wir Zweiter geworden, dabei brachten wir jedes Mal als Team eine sehr gute Leistung. Wir brauchen bei der WM auf jeden Fall einen perfekten Wettbewerb, dann sind wir vorne. Mit Andi Wellinger bekommen wir einen starken Springer dazu. Natürlich hat er länger gefehlt und man muss sehen, ob die Zeit gereicht hat. Dieses Risiko gibt es ja immer nach Verletzungen, aber ich bin mir sicher, dass er uns hilft.
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SPOX: Los geht es mit dem Springen von der Normalschanze. Man muss kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass die Entscheidung mehr als nur knapp wird.
Freund: Genau das macht den Reiz der Normalschanze aus. Die Top-Springer werden nur wenige Punkte trennen. Da darf man den Telemark wirklich nicht vergessen. Ich freue mich total drauf und würde auch gerne den Team-Wettbewerb von der Normalschanze springen.
WM-Training: Freitag und Eisenbichler stark
SPOX: Sie kommen gerade vom Skifliegen. Und jetzt geht es direkt auf eine kleine Schanze. Ist die Umstellung groß?
Freund: Natürlich ist es eine Umstellung. Aber ich habe vor dem Wettkampf drei Trainingssprünge, das reicht eigentlich. Vor der WM 2011 in Oslo habe ich zum Beispiel das Skifliegen ausgelassen und mich danach geärgert. Das Skifliegen bringt einfach so viel Extra-Energie und Selbstvertrauen. Das ist ungemein viel wert.
SPOX: In Vikersund haben Sie einen deutschen Rekord aufgestellt. Wie fühlt man sich bei Sprüngen in Richtung 250 Meter?
Freund: Dieter Thoma hat es mal so beschrieben: Irgendwo zwischen Sex und Autounfall. Es ist wirklich unglaublich und das Adrenalin nochmal extremer als bei Sprüngen auf Großschanzen. Beim ersten Wettkampf bin ich 220 Meter gesprungen und wusste sofort, dass der Sprung noch lange nicht perfekt war. Der deutsche Rekordsprung war dann einfach super. Die Geschwindigkeit und der Luftwiederstand sind der pure Nervenkitzel. So ein Sieg bringt nochmal wichtiges Selbstvertrauen für die WM.
SPOX: Sie haben sich nach der letzten Saison sehr deutlich für eine langfristige Vertragsverlängerung von Werner Schuster ausgesprochen. Jetzt bleibt der Österreicher bis 2019. Das richtige Signal?
Freund: Auf jeden Fall. Werner Schuster leistet enorm wichtige und sehr gute Arbeit. Man darf sich da nicht nur das Team und seine Erfolge ansehen. Das ganze System inklusive Nachwuchsförderung ist super aufgestellt und hat sich in den letzten Jahren stark entwickelt. Auch unsere Zeit wird mal vorbei sein. Aber wir werden mit Blick auf den starken Nachwuchs danach wahrscheinlich kein Loch haben, wie es in der Zeit nach 2003 war.
SPOX: Schuster und andere DSV-Funktionäre beklagen trotzdem, dass die finanzielle Förderung dieser Sportart nicht optimal ist. Ein Drittliga-Kicker verdient mehr Geld als die meisten der Top-10-Springer.
Freund: Klar ist das so. Aber daran denke ich eigentlich nie. Mir macht mein Sport unglaublich viel Spaß und er hat mir so viele tolle Erlebnisse gebracht. Ich bin der festen Überzeugung, dass Spaß die Lust am Sport viel länger und intensiver hält als Geld. Das ist mir auch viel wichtiger. Und solange diese Freude da ist, werden auch weiterhin Kinder zum Skispringen gehen.
SPOX: Wenn man sich bei Ihren Waldkirchner Freunden aus früheren Tagen umhört, existiert da so eine Geschichte, die eher mit Übermut als mit Spaß zu tun hat...
Freund: Jaja, ich weiß (lacht). Wir sind damals immer von der Schaukel gesprungen und natürlich wollte jeder den weitesten Sprung zeigen. Telemark inklusive. Ich habe es dann mal etwas übertrieben und bin dabei blöd auf das Handgelenk gestürzt. Zum Glück war nichts gebrochen, erschrocken sind wir aber alle ziemlich.
SPOX: Und der niederbayerische Fasching? Den verpassen Sie doch seit Jahren...
Freund: Ja, das stimmt. Ich war aber nie ein großer Faschings-Fan, für mich gibt es schönere Jahreszeiten, muss ich zugeben. Trotzdem habe ich natürlich noch ein paar alte Kostüme zuhause. Schwer zu sagen, was das Beste davon ist. Vielleicht mein Dracula-Kostüm, das ich mal zu Halloween bekommen habe.
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