Die Nordische Ski-WM feiert in Falun ihren 50. Geburtstag. Doch wer räumt am meisten Geschenke ab? Der DSV hofft auf Severin Freund und die Kombi-Armada. In der Loipe gilt: Norwegen gegen die Suppe!
Langlauf
Frauen (international): Norwegisches Schaulaufen in Schweden! Wenn die Langlauf-Frauen in Falun um die Medaillen kämpfen, haben Marit Björgen und Co. Edelmetall praktisch fest eingeplant. Ein Blick auf die Ergebnisse der aktuellen Saison reicht dafür eigentlich aus: Björgen, die sich in Östersund am Wochenende schon vorzeitig den Gewinn im Gesamtweltcup sicherte, führt in diesem uneinholbar vor ihren Landsfrauen Therese Johaug, Heidi Weng, Ingvild Flugstad Östberg, Ragnhild Haga und Maiken Caspersen Falla.
Es gilt nun mal immer noch: Wo Björgen an den Start geht, gilt sie als Favoritin. "Nach der Tour de Ski hatte ich einen kleinen Durchhänger, aber jetzt bin ich wieder in Form. Ich bin glücklich über meine aktuellen Ergebnisse", reist die 90-fache Weltcupsiegerin voller Selbstvertrauen zur WM. Schon 2013 in Val die Fiemme war die Altmeisterin mit viermal Gold und einer Silbermedaille die überragende Persönlichkeit gewesen.
Zwar ist es unwahrscheinlich, dass sich Björgen, die bei Großereignissen traditionell immer in Bestform aufläuft, einen Aussetzer leistet, jedoch sind gerade Johaug und die Schwedin Charlotte Kalla aktuell durchaus in der Lage, der Favoritin ein Schnippchen zu schlagen. Neben Kalla, die bei ihrem jüngsten Sieg in Östersund mit großem Vorsprung ein Ausrufezeichen setzte, hofft auch ihre sprintstarke Landsfrau Stina Nilsson auf einen Titel im eigenen Land.
Frauen (DSV): Abgesehen von den heimischen Schwedinnen hoffen auch die deutschen Starterinnen auf mehr als nur eine gute Platzierung hinter Norwegen. Gänzlich aussichtslos ist dieses Unterfangen gewiss nicht, schließlich haben vor allem Nicole Fessel und Denise Hermann schon mit guten Leistungen in dieser Saison aufhorchen lassen. Die Generalprobe in Östersund ging am Wochenende aber mächtig in die Hose: Bis auf Herrmann enttäuschten die DSV-Läuferinnen allesamt mit schlechten Leistungen.
Alle Chancen will man dem Team im DSV-Lager deshalb aber nicht absprechen. "Die Damen konnten ja in diesem Winter schon Akzente in Richtung Podest setzen, ganz besonders Nicole Fessel und Steffi Böhler", übt sich Bundestrainer Frank Ullrich in großem Zuspruch für seine Schützlinge. "Jeder in unserer Mannschaft fährt mit dem Ziel zur WM, eine Medaille zu gewinnen", so der Coach gegenüber der "MZ".
Wenngleich bei all der norwegischen Dominanz kein deutsches Medaillenfeuerwerk erwartet werden kann, haben die Favoritinnen vor allem vor Fessel großen Respekt. Die 31-Jährige ist im Gesamtweltcup die beste Nicht-Norwegerin und fühlt sich nach Platz sechs in Östersund gewappnet: "Nach dem langen Trainingslager wusste ich nicht so recht, wo ich stehe. Jetzt habe ich eine Ahnung, was in Falun auf mich zukommt."
Männer (international): Auch bei den Männern ist die Wahrscheinlichkeit einer norwegischen Triumph-Woche nicht unbedingt gering. Mit Martin Johnsrud Sundby (1202 Punkte) und Petter Northug (860) stellt die erfolgreichste Nation der Geschichte der Nordischen Ski-WM auch 2014/15 die konstantesten Läufer im Gesamtweltcup.
Während es schwer werden wird, Sundby Gold in den Distanz-Disziplinen streitig zu machen - beste Chancen haben sicher Northug, der Schweizer Dario Cologna und der Norweger Finn Haagen Kroog, der zuletzt in Östersund im Sprint und Freistil siegte - ist der Sprint die umso größere Wundertüte. Fast wöchentlich wechseln Sieger und Podestplatzierte, womit die Sprintrennen der Männer auch in Falun zu den spannendsten Entscheidungen der WM zählen werden.
Für die Gastgeber aus Schweden soll es vor allem Calle Halfvarsson richten. Sowohl im Freistilrennen als auch beim Skiathlon rechnet sich der Lokalmatador große Chancen aus.
Männer (DSV): Der Optimismus bei den deutschen Männern hält sich stark in Grenzen. "Im Herrenbereich wird es noch schwieriger für uns, weil ältere Topathleten wie Teichmann, Angerer oder Filbrich ihre Karriere beendet haben", gibt Ullrich zu. Die jüngsten Ergebnisse bestätigen diese Befürchtungen: Beim Freistilrennen in Östersund war Tim Tscharnke auf Platz 39 (!) bester Deutscher - viel zu wenig für die Ansprüche des DSV.
Dass ausgerechnet in Falun die Trendwende erfolgt, ist kaum vorstellbar. Unter den Top 50 der Weltcup-Wertung findet sich nicht ein einziger Deutscher. Einen fast schon verschämten Blick wagt Ullrich trotzdem nach ganz vorne: "Bei den Herren wäre Edelmetall ein Signal für die Zukunft."
Wie es gehen kann, hat Tscharnke in dieser Saison bereits bewiesen: Im Rahmen der Tour de Ski siegte der 25-Jährige sensationell. "Er hat gezeigt, was für deutsche Langläufer möglich ist, wenn an einem Tag alles zusammenpasst: die persönliche Form, Topmaterial und Selbstvertrauen. Er hat mit diesem Erfolg gezeigt, dass der deutsche Skilanglauf noch lebt", so der Cheftrainer. Es darf aus deutscher Sicht also geträumt werden - wenn auch nur sehr vorsichtig.
Team: "Wir wollen unsere Chance nutzen. Die besten Gelegenheiten bieten sicher die Staffelrennen und die Teamsprints", fasst Ullrich die Lage treffend zusammen. Wenngleich dem DSV die herausragenden Einzelakteure fehlen, besteht dennoch die geringe Chance auf eine Überraschungsmedaille in den Team- und Staffelwettbewerben. Diese ist bei den Frauen in der aktuellen Form nicht wahrscheinlich - aber eben immer noch wahrscheinlicher als bei den Männern.
Für den ganz großen Sprung nach vorne wird es aber in keinem Fall reichen. Dazu verfügt die Konkurrenz über das deutlich stärkere Aufgebot, selbst in Zweitbesetzung. Das weiß auch Ullrich: "Die Schweden werden bei ihrer Heim-WM so richtig angreifen, die Norweger sind sowieso eine Klasse für sich. Wir werden skandinavische Spiele erleben."
DSV-Prognose: 1x Bronze
Seite 3: Nordische Kombination
Skispringen
Frauen (international): Die öffentliche Aufmerksamkeit im Skisprung-Zirkus widmet sich während der Weltcupsaison fast ausschließlich den Männern. Daher sind Großveranstaltungen wie die WM selbstredend auch für die Frauen eine große Chance, ins Rampenlicht zu rücken. Ähnlich wie bei den Herren verspricht auch die Damen-Konkurrenz reichlich Spannung, obwohl die Leistungsspitze nicht so breit ist.
Was die Zuschauer in Falun erwarten könnte, hat das jüngste Weltcup-Springen in Ljubno gezeigt: Punktgleich landeten die Gesamtweltcup-Führende Daniela Iraschko-Stolz (Österreich) und ihre ärgste Verfolgerin Sara Takanashi (Japan) auf Platz eins - geteilter Sieg und viel Optimismus in Richtung Schweden.
"Meine Sprünge, meine Leistungen und mein Gefühl werden immer besser. Ich hoffe, dass mir in Falun ähnlich gute Sprünge gelingen", freute sich Takanashi, die sich mit Kampfansagen ebenso zurückhielt wie die Top-Favoritin Iraschko-Stolz.
"Ich erwarte mir nicht viel von Falun, weil ich die neue Schanze nicht kenne. Ich bin in einer guten Form und meine Sprünge sind in dieser Saison sehr konstant. Ich freue mich einfach darauf und werde mein Bestes geben", so die Österreicherin. Während die beiden Kontrahentinnen auf dem Podium gesetzt scheinen, ist der Kampf um das verbliebene Edelmetall offen.
Frauen (DSV): Spätestens seit ihrer überraschenden Olympia-Goldmedaille ist Carina Vogt jedem Wintersportler ein Begriff. Und auch im Weltcup hat sich die 23-Jährige in der Spitze etabliert. Aktuell rangiert die DSV-Springerin auf dem dritten Platz hinter Iraschko-Stolz und Takanashi und ist nicht nur deshalb eine der größten deutschen Hoffnungen auf eine WM-Medaille.
Schon zweimal stand Vogt in dieser Weltcup-Saison ganz oben - ein Umstand, der ihr weiter Selbstvertrauen verliehen hat. "Carina nimmt seit Sotschi eine wesentlich größere Körpervorlage ein und ihre ohnehin große mentale Stärke ist gewachsen", sagt Bundestrainer Andreas Bauer, der Vogt auch in Falun zutraut, auf Rang eins zu springen. Unmöglich ist das in keinem Fall und es würde dem Frauen-Skispringen sogar noch mehr von der Aufmerksamkeit bringen, um die der Verband seit Jahren kämpft.
Die beste Deutsche hat auch gelernt, mit dem Druck umzugehen, der seit Olympia auf ihr lastet: "Man wächst in die Situation rein, sie belastet mich nicht mehr. Ich habe über das Jahr viele Erfahrungen gemacht. Man muss versuchen, bei sich zu bleiben und den Hype nicht mitzumachen, den die Medien draus machen." Hinter ihr verfügt der DSV über keine weitere direkte Medaillenkandidatin. Katharina Althaus, Ulrike Gräßler und Juliane Seyfarth haben aber in jedem Fall das Ziel, in die Top 10 zu springen.
Männer (international): Kaum eine Spitze der aktuellen Wintersport-Saison ist so breit wie die der Skispringer. Der Weltcup-Führende Peter Prevz, die Vierschanzentournee-Besten Stefan Kraft und Michael Hayböck (beide Österreich) und die Norweger Anders Fannemel und Rune Velta hegen ebenso Siegansprüche wie Altstar Noriaki Kasai, Roman Koudelka, Kamil Stoch, Simon Ammann oder Gregor Schlierenzauer.
Wie spannend der Weltcup und damit auch die anstehende WM sind, zeigt ein einfacher Blick in die Statistik: Ganze zwölf (!) verschiedene Einzelsieger gab es in dieser Saison bereits, darunter auch die starken Deutschen Severin Freund und Richard Freitag. In der internationalen Konkurrenz einen Favoriten auszumachen ist schier unmöglich: Seit Wochen übertrifft sich die Weltspitze immer wieder selbst - stetig wechseln die Namen auf dem Podest.
Unter den vielen Top-Springern hat sich jedoch Peter Prevz als der beständigste entpuppt: Der Slowene springt seit der Vierschanzentournee konstant um die vordersten Plätze mit. Am Wochenende überragte auch Anders Fannemel mit einem Fabel-Weltrekord über 251,5 Meter beim Skifliegen in Vikersund. Festzuhalten bleibt also in jedem Fall: Möglich ist auch in Falun alles.
Männer (DSV): Es fällt schwer, Deutschlands aktuellen Überflieger erst an dieser Stelle genauer zu beleuchten: Severin Freund. Sensationelle fünf Einzelsiege hat sich der 26-Jährige seit der Tournee Anfang Januar bereits gesichert, mehr als jeder seiner Konkurrenten.
"Severin springt seit Wochen in Topform. Bei der WM gehört er sicher zum Kreis der Favoriten, auch wenn es dort wieder bei Null beginnt", sagte Bundestrainer Werner Schuster, nachdem Freund beim Skifliegen in Vikersund am Wochenende mit 245 Metern deutschen Rekord sprang. Vor der Umstellung zurück auf die kleinere Schanze graut es Freund aber nicht: "Falun ist etwas Neues, aber das ist eigentlich jedes Wochenende so. Ich bin bereit. Die WM kann kommen."
Neben der deutschen Goldhoffnung Freund ist sicher auch Richard Freitag für eine Überraschung gut. Zweimal sprang auch er in dieser Weltcup-Runde schon am weitesten, wenngleich seine Leistungen immer wieder großen Schwankungen unterliegen. Marinus Kraus, Michael Neumayer, Markus Eisenbichler und Andreas Wellinger haben ihre Stärken zwar schon des Öfteren aufblitzen lassen, werden mit der Medaillenvergabe in den Einzelspringen aber wohl nichts zu tun haben.
Team: Im Einzel unter den Medaillenanwärtern, im Team Topfavoriten? Den DSV-Adlern ist im Verbund auch 2015 viel zuzutrauen. Sowohl im Teamspringen der Männer (bei den Frauen gibt es diesen Wettbewerb nicht) als auch im Mixed-Wettkampf hat der DSV beste Chancen auf Edelmetall. Die Männer um Freund, Freitag, Kraus und Co. sind ebenso konkurrenzfähig wie die Kombination zusammen mit den Damen.
Größte Konkurrenten um die vordersten Plätze sind die österreichischen Teams, die sowohl bei den Herren als auch bei den Damen über die besten Einzelspringer verfügen. Medaillenchancen rechnen sich auch Japan, Norwegen und die Slowenen um Peter Prevz aus.
DSV-Prognose: 2x Gold, 1x Silber, 1x Bronze
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Nordische Kombination
Männer (international): Lässt man die deutschen Starter außen vor, ergibt sich in der Kombination ein österreichisch-norwegisches Favoritenbild für die anstehende WM. Sowohl der Gesamtweltcup-Zweite Bernhard Gruber als auch sein Landsmann Lukas Klapfer haben in dieser Saison bereits Siege eingefahren und nähren die ÖSV-Hoffnung auf Erfolge.
"Die Kombinierer haben eine Qualität, die Chancen auf Medaillen eröffnet. Wir sind nicht die Favoriten, aber wir haben Selbstvertrauen", schätzt Ernst Vettori, sportlicher Leiter der österreichischen Kombinierer, die Erfolgschancen ein. Vor allem Gruber ist ein Mann für Edelmetall und einer der beiden größten Konkurrenten der deutschen Starter.
Zu denen zählt auch Jan Schmid. Der Norweger und seine Landsmänner Havard Klemetsen, Mikko Kokslien und Magnus Moan gehören in dieser Saison durchgehend zu den Bestplatzierten und wollen im benachbarten Schweden den amtierenden Einzel-Weltmeister Eric Frenzel vom Thron stürzen. Auf Edelmetall hofft auch Akito Watabe. Der Japaner hat sich in den vergangenen Jahren in der Weltspitze etabliert und könnte der lachende Dritte sein, sollten sich an der Spitze zwei Läufer in die Quere kommen.
Männer (DSV): "Blonde Frauen, Knäckebrot und IKEA" sind die Dinge, an die Olympiasieger Eric Frenzel beim Stichwort Schweden zuerst denkt. Dass er dort im letzten Winter seinen Gesamtweltcup-Sieg durch den Gewinn auf der kleinen Schanze perfekt machte, hat er aber auch noch nicht vergessen.
"Mir gefällt es dort sehr gut. Ich kam mit der Schanze zurecht und die anspruchsvollen Strecken liegen mir auch sehr gut. Ich bin so selbstsicher zu sagen, dass ich das Potenzial für Gold habe." Nichts Geringeres erwartet man im DSV-Lager auch von ihm.
Neben Frenzel präsentieren sich aber auch Fabian Rießle und Johannes Rydzek in diesem Winter in starker Verfassung. Als Vierter bzw. Sechster der Gesamtrangliste bilden sie mit Frenzel das überragende DSV-Trio, von denen jeder Chancen auf eine Einzel-Medaille hat. "Die Form der beiden stimmt. Das ist wichtig im Hinblick auf die WM", sagte Bundestrainer Hermann Weinbuch zuletzt aus. Sollte Frenzel schwächeln, müssen Rießle und Rydzek das Loch schließen.
Jedoch sind nicht alle deutschen Starter so zuversichtlich. Björn Kircheisen geriet zuletzt in die Kritik. "Er hatte zuletzt keine gute Form inne. Das kann von der Ermüdung aus den letzten Wochen kommen", so der Coach, der Kircheisen deshalb bei der Generalprobe in Liberec aus dem Verkehr zog und dafür trainieren ließ - Schweißtreiben für Falun, wo nicht nur er selbst, sondern auch die Mannschaft einiges von ihm erwartet. Zu der gehören auch Tino Edelmann und Manuel Faißt, die wohl nichts mit den Medaillen, an einem guten Tag aber mit der Top 10 zu tun haben dürften.
Team: 1987 ist das Jahr, das seit gefühlten Ewigkeiten in den Köpfen der deutschen Kombinierer herumschwirrt. Daher nämlich datiert das letzte deutsche Staffel-Gold bei einer WM. Jedoch: Es besteht verdientermaßen eine große Hoffnung, dass diese Statistik 2015 endlich aufgefrischt wird, schließlich ist das DSV-Team so gut in Form wie lange nicht.
"Gold mit dem Team wäre toll - nach so vielen zweiten oder dritten Plätzen", hofft Frenzel, sich mit seinen Kollegen verewigen zu können. Daran glaubt auch Weinbuch, der jedoch warnt: "Wir greifen wieder an, haben Chancen. Norwegen ist aber brutal stark."
Genau daher kommt die größte Konkurrenz. Mit Schmid, Klemetsen, Kokslien und Moan verfügen die Skandinavier über starke Läufer und Springer, die ähnlich stark aufgestellt sind wie das DSV-Team. Wenngleich die Österreicher in dieser Kombinations-Saison nicht ganz so erfolgreich waren, sind auch sie in der Breite stark genug gerüstet, um die Favoriten aus Deutschland und Norwegen zu ärgern.
DSV-Prognose: 3x Gold, 1x Silber, 2x Bronze