Erstmals seit 1999 kehrt die Alpine Ski-WM zurück in die USA - erneut nach Vail und Beaver Creek. In einigen Wettbewerben stehen die Sieger auf den ersten Blick schon fest. Doch die Verfolger geben sich damit nicht einverstanden und präsentieren sich angriffslustig. Volle Attacke ist angesagt. Wer siegt, wer enttäuscht? Der SPOX-Favoritencheck.
Damen im Check: Lindsey, Lindsey, ... Anna?
Lindsey Vonn: Erst in dieser Saison feierte sie nach einjähriger Verletzungspause ihr Comeback im Ski-Weltcup und gleich ist sie Topfavoritin bei der WM: Lindsey Vonn ist einmal mehr die Spitzenathletin, die es in den Speed-Disziplinen zu schlagen gilt.
Und das ausgerechnet an dem Hang, an dem die mittlerweile erfolgreichste Skifahrerin aller Zeiten groß wurde: "1999 war ich bei der WM in Vail selbst noch Pistenhelferin und musste morgens um vier Uhr aufstehen, um die Strecke für die Stars vorzubereiten. Das habe ich gehasst", verriet Vonn vor ihrer Rückkehr: "Natürlich habe ich davon geträumt, hier einmal ein großes Event zu erleben. Keiner kann sich vorstellen, wie ich mich darauf freue."
Seit ihrem Comeback im Dezember hat der Superstar bereits fünf Weltcup-Siege eingefahren - drei davon in den letzten vier Rennen - und sich mit nunmehr 64 Erfolgen auch den Rekord von Annemarie Moser-Pröll (62 Siege) geschnappt. Mit dieser Form will sie jetzt auch auf der extra für die WM gebauten "Raptor"-Piste in Beaver Creek abräumen und ihre ohnehin einzigartige Karriere mit Gold bei der Heim-WM krönen.
Fazit: Wenn Vonn an den Start geht, will sie den Titel. Ein Start in den Technikdisziplinen hat sie selbst quasi ausgeschlossen. Ihre Paradedisziplinen Super-G und Abfahrt stehen gleich zu Beginn der WM auf dem Programm, sodass nicht viel Zeit bleibt, sich darauf vorzubereiten. Das braucht die erfahrene 30-Jährige aber auch gar nicht. In der aktuellen Form und bei ihrer Nervenstärke muss es schon mit dem Teufel zugehen, dass Vonn eine WM-Enttäuschung erlebt. Bleibt das Knie heil, ist der US-Traumstart mit Doppel-Gold für Lindsey fest eingeplant.
Anna Fenninger: Dreimal Platz zwei aus den letzten drei Weltcup-Rennen: Anna Fenninger ist derzeit in bestechender Verfassung. Auch wenn sie seit dem Auftakt-Sieg in Sölden (Riesenslalom) auf den nächsten Erfolg wartet.
Ähnlich wie Tina Maze ist Fenninger ein Multi-Talent und damit Österreichs große Hoffnung bei den Damen. Abgesehen vom Slalom ist sie in allen Weltcup-Disziplinen Zweite der Gesamtwertung, sodass man der 25-Jährigen auch bei der WM mehrere Medaillen-Chancen einräumen muss. Fenninger selbst gibt sich angriffslustig. Und das trotz Vonns Dominanz: "Das Ziel ist natürlich auch diesmal Gold", legte sich die Salzburgerin zwölf Monate nach ihrem Olympiasieg in Sotschi die Latte für die Speed-Disziplinen selbst hoch: "Alle schauen auf Vonn. Es gibt aber nicht nur Lindsey", so die Kampfansage.
Gerade im Super-G rechnet sich Feninger Gold-Chancen aus, die nochmals steigen könnten, wenn man bedenkt, dass ÖSV-Betreuer Roland Assinger den Kurs setzen darf. Der jedoch warnt: "Das kann auch in die Hose gehen. Eine Vonn ist in einer derartigen Überform, dass sie auch durch eine Kurssetzung nicht zu stoppen ist." Profitieren könnten davon aber auch Fenningers Teamkolleginnen Kathrin Zettel, Elisabeth Goergl und Nicole Hosp, die ebenfalls Kandidatinnen auf Edelmetall sind.
Fazit: Fenninger ist in den Speed-Disziplinen praktisch die Einzige, die Vonn ernsthaft gefährlich werden kann. Interessant ist, dass beide komplett unterschiedliche Fahrweisen an den Tag legen und trotzdem zeitlich immer sehr eng beieinander sind. "Ich bin schon gespannt, welcher Stil hier am Dienstag der bessere ist. Ich hoffe meiner", sagt die Österreicherin, die durchaus für eine Gold-Überraschung zum Auftakt gut ist. Neben den Speed-Disziplinen kämpft sie auch im Riesenslalom um das Höchste der Gefühle. Mit Top-Material kann sie Vonn schlagen!
Tina Maze: Sie ist die Allrounderin des Damen-Weltcups, in der Gesamtwertung unangefochtene Nummer eins und damit auf dem besten Weg, sich in dieser Saison nach 2013/14 zum zweiten Mal die große Kristallkugel zu sichern - im Alter von 31 Jahren.
"Sie ist skifahrerisch und körperlich ein Phänomen", sagt Jürgen Kriechbaum, Cheftrainer des österreichischen Damenteams über Maze, die natürlich ebenfalls eine heiße Gold-Anwärterin ist. Ziel: "Ein Medaille", formuliert sie ihr WM-Ziel und fügt scherzend an: "Ich muss mit den Kräften haushalten, schließlich bin ich nicht mehr die Jüngste."
Fazit: Eine erfolgreiche Titelverteidigung im Super-G scheint angesichts der überragenden Form von Lindsey Vonn aktuell eine Mammutaufgabe, aber für Maze ist sie machbar. Die Slowenin wird in allen Disziplinen starten und ihr Augenmerk vor allem auf die technischen Disziplinen legen. Medaillen sind dort fest eingeplant. Für Gold wird noch einmal viel Arbeit nötig sein, aber deshalb ist sie ja als erste Athletin in Vail angereist.
Mikaela Shiffrin: Lokalmatadorin die Zweite. Wie für Vonn bedeutet die WM in den USA auch für Mikaela Shiffrin Heimspiel. Entsprechend hoch sind die Erwartungen an den aufstrebenden Star aus Colorado. Genau das jedoch könnte der 19-Jährigen zum Verhängnis werden.
Das, was man von Vonn in den Speed-Disziplinen erwartet, soll Shiffrin der amerikanischen Überzeugung zufolge in Slalom und Riesenslalom erreichen. "Wir erwarten von unseren Athleten, dass sie vor unseren eigenen Zuschauern um die Medaillen mitfahren", sagt Alpindirektor Patrick Riml deutlich und nimmt dabei auch Shiffrin in die Pflicht, die sich die öffentliche Meinung scheinbar zu Herzen nimmt: "Dass Lindsey wieder da ist, nimmt auch Druck von mir", gab die technisch versierte Läuferin zu.
Fazit: Shiffrin konnte im Weltcup stets unbekümmert drauf losfahren und raste dank dieser Lässigkeit von heute auf morgen in die Weltelite. Es wird spannend zu sehen sein, wie das Küken im Team USA mit der Last der Erwartungen umgeht. Sollte sie es schaffen, den Druck weitestgehend an sich abprallen zu lassen, wird sie sich in den technischen Disziplinen mit Maze und Hansdotter um die Kronen streiten - in dem Fall könnte das Heimspiel wiederum zum Vorteil werden.
Die DSV-Mädels: Die deutschen Hoffnungen bei den Damen liegen nach dem Karriereende von Maria Höfl-Riesch natürlich auf Viktoria Rebensburg. Die 25-Jährige hat im vergangenen Jahr einen riesigen Satz nach vorne gemacht und lässt Deutschland neben ihrer Spezial-Disziplin Riesenslalom auch in den Speed-Wettbewerben von mehr träumen.
"Die Jahre davor war meine Hauptmedaillenchance im Riesenslalom, jetzt habe ich drei", gibt sich die 25-Jährige zuversichtlich. Sollte sie tatsächlich auf das Podest hüpfen, wäre es ihre erste WM-Plakette.
Nach Rebensburg kommt aber lange Zeit nichts. Die im Weltcup zweitbeste Deutsche Barbara Wirth enttäuschte zuletzt genauso wie Christina Geiger, sodass sich DSV-Alpindirektor Wolfgang Meier dazu entschied, die beiden nicht für Beaver Creek zu nominieren. Dafür dürfen Lena Dürr, Veronique Hronek und Maren Wiesler WM-Luft schnuppern. Mit den Medaillen werden sie aber nichts zu tun haben.
Fazit: Als derzeit Sechste im Gesamtweltcup und Abfahrts-Dritte von Cortina d'Ampezzo im Januar hat Rebensburg in dieser Saison schon Podest-Erfahrung gesammelt. Ihr großer Vorteil ist, dass sie bei der starken Konkurrenz kaum einer auf dem Zettel hat. Eine Überraschung in Form einer Medaille ist durchaus realistisch!
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Marcel Hirscher: Mister Nonplusultra. Hirscher ist der König im Skizirkus der Männer. Der Unantastbare des Gesamt-Weltcups wird aller Voraussicht nach seine vierte Kristallkugel in Folge gewinnen und damit zum alleinigen Rekordhalter aufsteigen.
Daran verschwendet der Vollprofi dieser Tage keine Gedanken. Der Fokus liegt auf Beaver Creek, dem Ort, an dem er noch etwas gutzumachen hat: Beim ersten Riesenslalom der aktuellen Saison belegte der Österreicher dort nämlich "nur" Platz drei - ein Umstand, den er jetzt wieder mit Gold wieder geraderücken will.
Doch für Fans und den gesamten Skisport könnte Hirscher in den USA zusätzlich mit einem Novum überraschen: Startet der Slalom-Spezialist, der sonst aus Prinzip an keinem Abfahrts- und Super-G-Rennen teilnimmt, bald etwa auch in den Speed-Disziplinen? Nach seiner Ankunft am Montag absolvierte er Trainingsfahrten mit Abfahrtskiern, um sich auf einen angestrebten Start in der Kombination vorzubereiten.
"Die Kombi wäre schon ein spannendes Projekt. Warten wir einmal ab, wie wohl ich mich auf der Abfahrt fühle", sagte Hirscher dazu aus. Vor wenigen Wochen hatte er im SPOX-Interview noch ausgesagt, auf Abfahrtslatten ein "Hosenscheißer" zu sein. Der König der Technik will sich wohl endgültig unsterblich machen.
Fazit: In Slalom und Riesenslalom führt kein Weg an Hirscher vorbei. Gold ist hier eingeplant, jedoch wird er sich mit den Deutschen und Ted Ligety starken Gegnern gegenübersehen. Und auch die Form berunruhigt das ganze Land. In Schladming reichte es vor Heimkulisse nur zu Rang 14. Vor dem Weltcup in Zagreb sorgte Hirscher zudem für große Diskussionen als er öffentlich verkündete, dass das ÖSV-Team weit von der Stärke seiner Anfangsjahre entfernt sei. Nervenspiel? Spannend ist auch die Frage, ob er tatsächlich in der Kombination startet und wie er sich in der Abfahrt schlägt. Er ist trotz aller Diskussionen in seiner Heimat der Top-Favorit.
Felix Neureuther: Es könnte die WM des Felix Neureuther werden - und so ziemlich jeder würde ihm das auch gönnen. Nach viel Pech in der Vergangenheit fährt der 30-Jährige eine starke und vor allem konstante Slalom-Saison. Dabei stand er schon zweimal ganz oben.
Das Manko war schon immer, dass der begnadete Neureuther die Disziplinen mit dem noch begnadeteren Hirscher teilt. Dass sein Kumpel aber nicht unschlagbar ist, bewies der Deutsche nicht nur in dieser Saison.
Neureuther tritt in diesem Jahr mit mehr Selbstvertrauen auf. Flüchtigkeitsfehler im Fahrverhalten passierten ihm im gesamten letzten Jahr so gut wie kaum. Sicher profitierte der deutsche Star auch von der Rückkehr Mathias Bertholds auf den Cheftrainer-Posten. Der hatte vor Kurzem im SPOX-Interview angekündigt, Neureuther noch besser machen zu wollen: "Es gibt noch Luft nach oben. Das weiß auch ein Felix Neureuther. Wir geben den Athleten entsprechende Möglichkeiten an die Hand, um Fehler zu beseitigen." Die Arbeit scheint ihre Früchte zu tragen.
Gerade nach der Olympia-Enttäuschung in Sotschi geht Neureuther mit einer Jetzt-erst-recht-Mentalität an den Start: "Natürlich war es Mist, wie es bei Olympia gelaufen ist. Bei der WM geht es nur um die ersten drei Plätze, alles andere zählt nicht. Da musst du alles riskieren. Und das werde ich", so die deutsche Hoffnung gegenüber der "Bild".
Fazit: Neureuther hat im letzten Jahr dazugelernt. Mit Druck und Stress, denen er sich nach eigenen Aussagen in der Vergangenheit oftmals ergab, geht er mittlerweile viel entspannter um und bleibt so fokussiert auf das Wesentliche. Die Hoffnung ist in diesem Jahr berechtigt, dass Neureuther Hirscher die Stirn bietet und sogar mehr als "nur" eine Medaille holt - im Slalom auf jeden Fall, im Riesenslalom mit Außenseiterchancen.
Kjetil Jansrud: Der Profiteur in der Königsdiziplin. Da die Top-Fahrer Hirscher, Neureuther und Ligety keine Speed-Experten sind, konnte sich der Norweger die Abfahrt zu seinem Eigen machen. In dieser Saison rast Kjetil Jansrud fast nach Belieben auf die ersten Plätze der schnellsten Ski-Disziplin und ist deshalb auch in Beaver Creek der favorisierte Anwärter auf Gold.
Zudem liegt Jansrud die "Birds-of-Prey"-Strecke in Beaver Creek: Schon zu Saisonbeginn demontierte er die Konkurrenz mit einem Vorsprung von fast sechs Zehnteln in der Abfahrt. Hinzu kommt, dass der amtierende Super-G-Olympiasieger auch in diesem Wettbewerb seine Sache 2014/15 sehr ordentlich macht und dort ebenfalls Führender im Weltcup ist.
Fazit: Jansrud ist der Mann für die schnellen Wettbewerbe. Hält er seine starke Form der letzten Wochen, wird er in der Abfahrt kaum zu schlagen sein. Verliert der Norweger jedoch etwas von seiner Konstanz, könnten ihm der Italiener Dominik Paris oder die Österreicher Reichelt und Mayer gefährlich werden. Reichelt hatte schon zu Saisonbeginn im Super-G in Beaver Creek vor Jansrud gesiegt. Der Norweger dürfte also gewarnt sein.
Fritz Dopfer: Deutschlands Co-Pilot neben Neureuther, wenn man so will. Zwar hat Dopfer noch keinen Weltcup gewinnen können, jedoch fehlten ihm in Adelboden Anfang Januar dazu gerade einmal zwei Hundertstel.
Drei zweite Plätze im Slalom, zwei im Riesenslalom - der Oberbayer ist berechtigerweise einer derjenigen Verfolger, denen viel zuzutrauen ist. Bei Olympia war er als Vierter nur denkbar knapp an einer Medaille vorbeigerast.
"Drei Podestplatzierungen", betonte Wolfgang Maier in den letzten Tagen immer wieder, seien das Ziel des deutschen Ski-Teams. Damit das in Erfüllung geht, ist wohl auch Dopfers Erfolg gefragt. "Die Ansprüche steigen", stellte Dopfer letzte Woche beim Nachtslalom in Schladming fest. Dass ihn das aber arg beschäftigt, ist nicht zu erwarten - Dopfer verfügt über die nötige Nervenstärke.
Fazit: Dopfers Vorteil: Trotz seiner starken Saison sprechen in der Öffentlichkeit wenige über ihn, Hirscher und Neureuther sind die Stars der Szene. Der 27-Jährige kann also wie immer nach vorne preschen. In beiden Slalom-Disziplinen ist unsere Nummer zwei gut aufgestellt und bringt alles für Edelmetall mit. Dass die Fernsehmoderatoren am Ende "Dopfeeeeeer" schreien - warum nicht?
Der spannende Rest: Hinter den Top-Fahrern tummeln sich gleich mehrere Namen, die bei dieser WM Podiums-Kandidaten sind und sogar für die eine oder andere ganz große Überraschung sorgen könnten.
Neben Alexis Pinturault, der in den technischen sowie in der kombinierten Disziplin zu den starken Verfolgern gehört, sollte man in den Speed-Wettbewerben vor allem die Österreicher um Matthias Mayer und Hannes Reichelt sowie die zuletzt stark aufstrebenden Dominik Paris und Guillermo Fayed auf der Rechnung haben. Auch den Lokalmatadoren sind Leistungssprünge zuzutrauen, wobei Steven Nyman in den schnellen Läufen und Altstar Ted Ligety im Riesenslalom wohl die besten Aussichten auf Edelmetall haben.
Für den DSV starten neben den Medaillenhoffnungen Neureuther und Dopfer noch Klaus Brandner, Josef Ferstl, Stefan Luitz, Andreas Sander, Philipp Schmid und Linus Strasser. Luitz wäre im Riesenslalom sogar ein Mann fürs Podest, hätte er sich in Are im Dezember nicht am Oberschenkel verletzt. Durch die Zwangspause wird das WM-Rennen sein erstes nach mehreren Wochen - eine Wundertüte mit Überraschungspotenzial. Strasser (starker 5. in Schladming) und Ferstl könnten im Idealfall auch unter die Top 10 fahren.
Mannschaftswettbewerb: Neben den Einzeldisziplinen gibt es auch noch den Mannschaftswettbewerb. Dort ist Deutschland bei den Männern gut aufgestellt. Im Team der Damen ist Veronique Hronek die zweite Starterin neben Rebensburg. Bei den Männern ist neben Dopfer und Neureuther auch Luitz nominiert.
Fazit: Angesichts der Tatsache, dass Hronek in dieser Saison noch kein Top-Ergebnis gelang und Luitz zuletzt verletzt fehlte, hält sich Deutschlands Medailleneuphorie hier aber in Grenzen.
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