SPOX: Dabei hatten Sie zuvor bei der Anreise einen Unfall mit dem Flugzeug. Wie haben Sie die Geschehnisse erlebt?
Wagner: Krass. Das war einfach nur krass. Das Flugzeug war komplett voll, alle waren mit an Bord. Die Kapelle, die Cheerleader, die Familien der Spieler. Es war ein sehr windiger Tag und wir wollten gerade abheben, aber der Pilot musste den Start abbrechen und hat plötzlich gebremst. Man hatte das Gefühl, irgendetwas läuft schief, und im nächsten Moment waren wir auf dem Feld hinter der Landebahn. Das war unfassbar laut. Wir hatten Glück, dass direkt ein Graben kam, der uns das Fahrwerk weggerissen hat. So sind wir nur noch weitergerutscht und nicht weitergefahren, denn direkt dahinter lag ein See. Nicht auszudenken, was da hätte passieren können. Selbst jetzt noch, wenn ich darüber rede, bekomme ich ein mulmiges Gefühl im Magen. Man kann sagen: Das war eine Nahtod-Erfahrung. Und ich merke es noch jedes Mal, wenn wir in einen Bus steigen. Das wacklige Gefühl ruft sofort Erinnerungen hervor. Oder auch, wenn man im Auto sitzt und stark bremst. Das fühlt sich dann sofort wieder so an wie im Flugzeug. Das war schon echt heftig und es ist definitiv ein Trauma. So ein Erlebnis vergisst man so schnell nicht.
SPOX: War danach überhaupt an Basketball zu denken?
Wagner: An dem Tag natürlich nicht. Und um das Spiel am nächsten Tag haben uns kein bisschen geschert. Wir haben zusammen gebetet und uns gefreut, dass wir am Leben waren.
SPOX: Am nächsten Tag sind Sie dann hingeflogen, haben wie entfesselt gespielt und das Tournament gewonnen. Wie verrückt ist das bitte?
Wagner: Ich weiß ehrlich gesagt auch nicht, wie das möglich war. Wir wurden am Abend des Crashs psychologisch betreut und der Psychologe meinte zu uns: 'Ihr habt jetzt genau zwei Möglichkeiten: Entweder Ihr gebt auf und nehmt nicht am Turnier teil - oder Ihr fliegt morgen dahin und holt einen Ring.' Das hat uns ziemlich inspiriert. Alle haben haben sich total reingehängt und dank der starken Mannschaftsleistung haben wir schließlich wirklich gewonnen. Das ist eine Geschichte, die man mit einem bisschen Abstand vielleicht seinen Kindern oder Enkeln erzählt.
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SPOX: Ist es ein besonderes Gefühl für jemanden aus Europa, den Sprung über den großen Teich zu wagen und dann für ein College den ersten Titel seit fast 30 Jahren zu gewinnen?
Wagner: Auf jeden Fall. Und dazu noch mit Michigan! Nach der Ära um Nik Stauskas und Tim Hardaway Jr. ging es bei uns fast nur noch um Football. Basketball war zweitrangig und auch eher mittelmäßig. Im vergangenen Jahr sind wir beim NCAA Tournament ja auch in der ersten Runde ausgeschieden. Aber wir wussten die ganze Zeit, dass wir nur ein paar Zentimeter vom Erfolg entfernt waren. Zu sehen, wie nun alles geklickt hat und endlich erfolgreich zu sein, fühlt sich richtig gut an.
SPOX: Sie haben Coach John Beilein nach dem Spiel gegen Louisville in den höchsten Tönen gelobt. Was ist er für ein Typ?
Wagner: Coach Beilein ist einer sehr teamnaher und ein emotionaler Mensch. Er kommt häufig auf uns zu und ist niemand, der künstlich versucht, eine Distanz zu wahren. Die Siege haben natürlich dazu beigetragen, dass die Stimmung bei uns allgemein sehr locker ist und er macht auch hin und wieder Späße. Nach dem Sieg gegen Louisville kam er zum Beispiel mit einer Wasserpistole in die Umkleidekabine. So etwas gab es im letzten Jahr nicht. (lacht)
SPOX: Apropos letztes Jahr: Wie war der Start für Sie in Michigan? Hatten Sie Anpassungsschwierigkeiten?
Wagner: Der erste Sommer war schon ein bisschen hart. Hauptsächlich, weil ich so weit von zu Hause weg bin. Mutti kocht nicht mehr jeden Tag Essen. (lacht) Die Sprache war natürlich auch ein Faktor. Und ich musste mich erst daran gewöhnen, dass man keine eigene Wohnung mehr hat, sondern mit anderen zusammen in einem Raum wohnt. Auch an die Schule war ich nicht mehr gewöhnt, da mein Abi ja schon ein Jahr zurücklag. Also es gab schon hin und wieder kleinere Schwierigkeiten, aber nach dem Sommer hatte ich mich eigentlich ganz gut umgestellt.
SPOX: Beilein sagte kürzlich, Sie würden sehr europäisch spielen. Haben Sie das Gefühl, dass der europäische Stil langsam am College ankommt?
Wagner: Es wird zumindest immer mehr sichtbar, ja. Nicht nur in der NBA, sondern auch am College gibt es immer mehr Europäer, das macht sich natürlich bemerkbar. Lauri Markkanen von Arizona ist ein Spieler, der so ähnlich spielt wie ich und für Furore sorgt. So ganz übernommen haben die Colleges es sicher noch nicht, aber man spürt, dass es eine Annäherung gibt. Der Basketball in den Staaten verändert sich. Gerade hier in der Big Ten Conference wird sicher noch einmal ein bisschen europäischer gespielt als in anderen Conferences.