Kershaw for MVP: Damit reiht sich McCutchen in die Riege der MVP-Kandidaten in der National League ein. Der 26-Jährige überzeugt sowohl offensiv als auch defensiv und steigerte seine Leistung im September noch einmal auf einen Average von .469. Stellt man seine gesammelten Statistiken gegen andere Ausnahmespieler wie Matt Carpenter (führt die NL mit 177 Hits, 114 Runs und 77 Doubles an), Joey Votto (23 HR, .307 AVG) oder Paul Goldschmidt (34 HR, 118 RBI), sollte er zum jetzigen Zeitpunkt die Nase vorn haben.
Wenn da nicht Clayton Kershaw wäre. Wenn man nach dem derzeit besten Pitcher im Baseball fragen würde, der Linkshänder der Dodgers läge wohl haushoch vorn: Ein ERA von derzeit 1,94 führt die Majors komfortabel an, 214 Strikeouts und 223 Innings auf dem Mound tun ihr übriges. Mit Matt Harvey von den Mets und Rookie Jose Fernandez (Marlins) gibt es weitere würdige Kandidaten, aber Kershaw ist ihnen haushoch überlegen.
Experten spekulieren, dass der nächste Deal des 25-Jährigen, dessen Vertrag in diesem Jahr ausläuft, die 300-Millionen-Dollar-Grenze sprengen könnte - er ist schlicht und ergreifend so unfassbar gut (und die Dodgers haben unfassbar viel Geld, das sollte man dazusagen). Die Vereinigung der amerikanischen Baseball-Journalisten wird schließlich entscheiden müssen, ob Kershaws Leistung auch den MVP-Award verdient. Den Cy-Young-Award für den besten Pitcher hat er längst in der Tasche.
Glaubenskampf in der Baseball-Szene: In der American League, bietet sich, ähnlich wie im Kampf um die Wild Card, ein schwierigeres Bild. Dort entwickelt sich die Vergabe der der Awards wohl ein weiteres Mal zum "Kampf der Kulturen": Wer den Film "Moneyball" mit Brad Pitt gesehen hat, der weiß, dass sich bei der Beurteilung der Spieler in den letzten 15 Jahren einiges getan hat. In einem Sport, der wie kein zweiter auf Tradition und "Codes" und "Das haben wir schon immer so gemacht" bedacht ist, mahlen die Mühlen langsam.
Während Hitter, ja man kann fast sagen "jahrhundertelang", nach den gleichen Kategorien beurteilt wurden (Hits, Runs, Average, RBIs, Homeruns) - ähnlich sieht es bei Pitchern mit gewonnenen Partien und ERA aus - hat sich ein vorzugsweise jüngeres Publikum anderen Analyse-Methoden verschrieben: "Sabermetrics" heißt das Zauberwort.
Dabei kommt den Analysten zugute, dass sich Baseball im Vergleich zu Sportarten wie Basketball und Fußball schön säuberlich in einzelne Spielzüge einteilen lässt, die man anschließend auswerten kann. Zudem sind die einzelnen Akteure größtenteils unabhängig von der Performance ihrer Mitspieler. Dadurch haben sich Statistiken wie etwa xFIP (Expected Field Independent Pitching ) und ERA+ für Pitcher entwickelt, oder aber UZR (Ultimate Zone Rating) für die Defense. Websiten wie "Baseball Prospectus" oder "Fangraphs" bündeln die Energie der Analysten gleich in allumfassende Bewertungsmethoden wie WAR (Wins Above Replacement - wie viele "Siege" ist ein Spieler wert) oder Win Shares.
Umgekehrt werden traditionelle Statistiken wie Wins bei den Pitchern oder RBIs bei den Hittern belächelt, da diese zum (Groß)Teil kontextabhängig sind - ein Pitcher wird viel mehr Siege einfahren, wenn sein Team offensiv stark ist, ein Slugger mehr Runs produzieren, wenn er in einem guten Team spielt.
Daraus hat sich ein wahrer Glaubenskampf in der Baseball-Szene entwickelt, gerade wenn es um individuelle Auszeichnungen geht: Spielt es eine Rolle, ob das betroffene Team in die Playoffs einzieht? Kann man die althergebrachten Bewertungsmethoden einfach vernachlässigen? Hat ein von "Statheads" entwickeltes WAR nun die Deutungshoheit über die guten alten Homeruns und RBIs inne?
Cabrera / Scherzer oder Trout / ???: Zwei Stars der Detroit Tigers liegen dabei ganz besonders im Fokus: Third Baseman Miguel Cabrera ist am Schlagmal der wohl derzeit beste Spieler dieses Planeten. In der letzten Saison lag der Slugger bei Homeruns (44), Average (.330) und RBIs (139) vorn und sicherte sich damit die "Triple Crown" - zum ersten Mal seit 1967 lag ein Spieler in diesen drei Kategorien vorn. Dementsprechend wurde er mit haushohem Vorsprung zum MVP gewählt.
Aber schon damals deuteten einige Statistiken auf einen anderen Spieler: Mike Trout von den Angels wurde mit 21 zum Rookie of the Year gekürt, und obwohl die nackten Zahlen vielleicht nicht ganz so beeindruckend schienen, lag er bei den Sabermetrics dank guter Defense und starkem Baserunning eigentlich vorn.
Dieses Jahr stellt sich ein ähnliches Problem: Cabrera spielt bis dato eine wieder überragende Saison (44 HR, 134 RBI, .347 Avg) - wird die Triple Crown aber nicht verteidigen können. Trout (26 HR, .330 Avg., 33 SB, 108 R) hat dagegen im Vergleich zum Vorjahr noch einmal eine Schippe draufgepackt - und liegt in Sachen WAR wieder in Führung. Allerdings haben seine Angels keine Chance auf die Postseason. Sollte er sich trotzdem den MVP-Award sichern, könnte das eine Wachablösung im Baseball einläuten.
Bei den Pitchern liegen derzeit mehrere Asse Kopf an Kopf und können sich realistische Chancen auf den begehrten Cy-Young-Award machen. Annibal Sanchez (2,51 ERA), Yu Darvish (2,81 ERA, 260 K), Hisashi Iwakuma (2,76 ERA, 211.2 IP) und Max Scherzer (2.95 ERA, 227 K) haben alle gute Karten. Letzterer pitcht jedoch für Powerhouse Detroit und hat dank guter Offense hinter sich 19 Siege und nur drei Niederlagen auf dem Konto.
Eine Bilanz von 19-3 ist ungefähr so selten wie eine totale Sonnenfinsternis und wäre in der Vergangenheit eigentlich automatisch mit dem Award einhergegangen. Bei Scherzer werden jedoch immer wieder skeptische Stimmen laut - sodass Tigers-Manager Jim Leyland kürzlich der Kragen platzte. "Ich glaube nicht an das ganze Zeug", wetterte er, "ich höre da nicht zu und habe auch keine Lust, darüber zu reden. Macht doch, was ihr wollt." Er hätte lieber "einen Pitcher über den niemand spricht und der 15 Spiele gewonnen hat als einen, bei dem sich alle vor Begeisterung überschlagen, der aber nur fünf Siege auf dem Konto hat".
Damit steht Leyland exemplarisch für die wachsende Kluft im Baseball in Sachen Analyse und Spielerbewertung. Gut für ihn: Einen wirklich überragenden Pitcher a la Kershaw gibt es in dieser Saison in der American League nicht, Scherzer hat also gute Chancen. Sollte ihm Saison-Endspurt kein "Fehlstart" unterlaufen, wird ihm der Win-Loss-Record wohl die Auszeichnung sichern.