NBA

"Nowitzki wird keine Freigabe erhalten"

Von Interview: Philipp Dornhegge
Laut Larry Coon können die BBL-Fans in der kommenden Saison nicht auf Dirk Nowitzki hoffen
© Getty

Kommt es zum Lockout? Es ist das große Thema der Offseason. Am Dienstag tauschten Besitzer und Spieler Angebote aus und waren vorsichtig optimistisch, dass ein Fortschritt gemacht wurde. Ein Deal ist aber nach wie vor weit entfernt. Niemand kennt die finanziellen Spielregeln der NBA so gut wie Larry Coon. Der 48-jährige Insider, der unter anderem für "ESPN" und die "New York Times" als Experte schreibt, über die Hintergründe des drohenden Lockouts, die Forderungen von NBA-Spielern und -Besitzern sowie das wohl vergebliche Hoffen der BBL-Fans auf Dirk Nowitzki.

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SPOX: Herr Coon, bevor wir tiefer in die Materie eintauchen gleich die wichtigste Frage, die vor allem uns Deutsche derzeit umtreibt: Wird Dirk Nowitzki im kommenden Jahr im Falle eines Lockouts in Deutschland spielen können?

Larry Coon: Davon würde ich nicht ausgehen. Denn jeder Spieler, der unter Vertrag steht, braucht einen sogenannten Letter of Clearance, der ihm bescheinigt, dass er nirgendwo unter Vertrag steht. Das sind die Regeln jeder der FIBA untergeordneten Liga. Nowitzki müsste also beim DBB diese Freigabe beantragen. Die wird er aber mit Sicherheit nicht bekommen.

SPOX: Weil er nach wie vor bei den Mavs unter Vertrag ist.

Coon: Und weil ein Lockout theoretisch schon eine Minute, nachdem diese Bescheinigung ausgestellt wurde, vorbei sein könnte. Und dann müsste Nowitzki mehr oder weniger sofort bei den Mavericks aufschlagen.

SPOX: Mit anderen Worten: Die deutschen Fans haben keine Chance, Dirk Nowitzki diesen Herbst in der BBL zu sehen?

Coon: Unter normalen Voraussetzungen nicht. Theoretisch wäre es aber möglich. Der DBB könnte Nowitzkis Vertrag mit den Mavs missachten und den Letter of Clearance trotzdem ausstellen. Oder eine eingeschränkte Bescheinigung ausstellen, die besagt, dass Nowitzki anderswo spielen darf, solange der Lockout läuft. Oder aber der Spieler selbst könnte Klage einreichen und das Recht einfordern, Basketball spielen zu dürfen. All das ist aber sehr unwahrscheinlich.

SPOX: 1998, als frisch gedrafteter Spieler, hat Dirk Nowitzki erst nach dem Ende des Lockouts seinen Vertrag unterzeichnet. Deshalb konnte er, im Gegensatz zu den etablierten Profis, also zunächst weiter in Deutschland spielen.

Coon: Exakt, und genau so ist es diesmal auch. Die Spieler, die am Donnerstag im Draft ausgewählt werden, sind ihren NBA-Teams noch nicht automatisch verpflichtet - und könnten somit zunächst im Ausland noch Geld verdienen und Spielpraxis sammeln. Für Free Agents, die aktuell keinen gültigen Vertrag haben (aus Mavs-Sicht wären das Caron Butler, J.J. Barea und Tyson Chandler, Anm. d. Red.), würde das Gleiche gelten. Natürlich immer mit dem Wissen im Hinterkopf, dass ihnen eine im Ausland erlittene Verletzung im Hinblick auf die NBA-Karriere schaden könnte. Allen anderen Spielern wird nichts anderes übrig bleiben, als sich über das Training fit zu halten.

SPOX: Okay, und wie sieht es generell aus? Haben Sie irgendwelche Hoffnungen, dass ein NBA-Lockout vermieden werden kann?

Coon: Bis vor wenigen Tagen hatte ich nicht den geringsten Zweifel, dass ein Lockout kommen wird. Die beiden Seiten, sprich die Teambesitzer und die Spieler, sind so weit voneinander entfernt und die Besitzer verlangen so drastische Veränderungen, dass es mich sehr gewundert hätte, wenn es zu einer schnellen Lösung gekommen wäre. Dann habe ich aber ein leises positives Signal vernommen. Vielleicht kommt die Liga also doch um einen Lockout herum, ich halte es aber nach wie vor für unwahrscheinlich. Die jetzige Woche ist ganz wichtig, in diesen Tagen könnte sich sehr vieles entscheiden.

SPOX: Ab wann müssen wir uns also darauf einstellen, dass die Spieler ausgesperrt werden?

Coon: Ab dem 1. Juli. Das aktuelle Collective Bargaining Agreement (kurz CBA, der Tarifvertrag der NBA; Anm. d. Red.) läuft bis zum 30. Juni, danach würde der Lockout beginnen.

SPOX: Was sind die Haupt-Streitpunkte, die die Besitzer und die Spieler derzeit voneinander trennen?

Coon: Nun, es gibt einige schwerwiegende Dinge, die die Gemüter richtig erhitzen, und ein paar Sachen, die beide Seiten gerne noch am Rande klären wollen. Am wichtigsten ist der Anteil der Spieler am Gesamteinkommen der Franchises. Derzeit werden den Spieler 57 Prozent dessen garantiert, was den Klubs vor Abzug der Ausgaben in die Kassen gespült wird.

SPOX: Was auf den ersten Blick schon eine Menge Holz ist.

Coon: Deswegen wollen die Teambesitzer hier drastische Veränderungen vornehmen. Sie geben an, dass 22 der 30 Vereine rote Zahlen schreiben, dass die gesamte Liga rote Zahlen schreibt - und dass deshalb das ganze System überarbeitet werden muss. Die Besitzer wollen daher zunächst die Ausgaben abziehen - was etwa einem Viertel entspricht -, und dann vom restlichen Geld nur noch die Hälfte an die Spieler abgeben. Verglichen mit der aktuellen Situation wäre der Spieleranteil dann nur noch bei 37 Prozent.

SPOX: Von wie viel Geld reden wir an dieser Stelle?

Coon: Derzeit verdienen die Spieler 2,1 Milliarden Dollar pro Jahr. Davon sollen in Zukunft 750 Millionen wegfallen. Blieben also noch etwa 1,35 Milliarden Dollar übrig.

SPOX: Und um das zu erreichen, müsste man den Salary Cap gewaltig herabsetzen.

Coon: Richtig, aktuell darf ein NBA-Team aufgrund etlicher Ausnahmeregeln rund 70 Millionen Dollar pro Jahr an Spielergehältern zahlen, ohne Strafen befürchten zu müssen. Die Besitzer streben eher eine Zahl um 45 Millionen an. Das ist das große Thema, alle anderen Punkte sind diesem untergeordnet.

SPOX: Und diese anderen Punkte sind...

Coon: ... ein harter statt eines weichen Salary Caps, also eine Gehaltsobergrenze, die keinerlei Ausnahmen mehr erlaubt. Die Einführung eines Franchise Tags, mit dem Teams verhindern können, dass namhafte Free Agents woanders anheuern. Die Einführung von nicht-garantierten Verträgen, die es den Besitzern leichter machen würden, Spieler wieder loszuwerden, die nichts bringen. Und jede Menge Kleinigkeiten, die mit diesen Dingen zu tun haben.

SPOX: Die Einführung von nicht-garantierten Verträgen war bis vor kurzem ein Punkt, auf dem die Besitzer bestanden haben, in Bezug dessen sie ihre Haltung aber kürzlich entscheidend gelockert haben. Ist das eine ermutigende Entwicklung?

Coon: Ich sehe das nicht so. Für mich ist das eine taktische Maßnahme der Besitzer zu sagen: "Wir nehmen Abstand von etwas, das Euch Spielern sehr wichtig ist. Jetzt seid Ihr bitteschön an der Reihe und macht an einer anderen Stelle Zugeständnisse." Darüber hinaus ist es so, dass ein harter Salary Cap, der jegliche Überschreitung der Gehaltsobergrenze kategorisch ausschließt, nicht vereinbar ist mit garantierten Verträgen. Denn wenn ein Klub von keinem seiner Verträge zurücktreten kann, wird es zwangsläufig irgendwann so kommen, dass er die Gehaltsobergrenze überschreitet.

SPOX: Die Tatsache, dass die Besitzer bereit sind, bei garantierten Verträgen zu bleiben, würde also bedeuten, ...

Coon: ... dass sie am Ende genau das tun werden, was ich von Anfang an vorausgesagt habe: Sie werden auch von ihrem Plan, einen harten Salary Cap einzuführen, abrücken.

SPOX: In Bezug auf die Gehaltsobergrenze bliebe also alles beim Alten?

Coon: Keineswegs. Beim Salary Cap gibt es nicht nur schwarz und weiß, sprich hart und weich. Es gibt einen großen grauen Bereich dazwischen.

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