NBA

"Kobe hat es bis heute nicht verstanden"

Von SPOX
Ettore Messina (r.) hofft darauf, dass in den Playoffs die Erfahrung die wichtigste Rolle spielt
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These: Europäische Trainer haben in der NBA keine Zukunft

Haruka Gruber: Ja, die These stimmt. Erstmal sehe ich keinen europäischen Trainer, der in der NBA eine Head-Coaching-Stelle bekommen könnte - vielleicht mit einer Ausnahme: Ettore Messina. Auf der einen Seite wäre es spannend zu sehen, wie ein europäischer Trainer mit einem eurpäisch geprägten Basketball-Verständnis abschneiden würde. Es war ja auffällig, dass die Mavs unter Rick Carlisle letzte Saison sehr europäisch spielten und so Meister wurden. Isolation und Pick'N'Roll in der Offense, die Variation zwischen Mann- und Zonenverteidigung in der Defense - Dallas hatte solch einen Erfolg, weil es die fundamentalen Grundlagen des Sports besser umgesetzt hat als alle anderen. In einem Wort: Sie spielten Euro-Basketball. Warum sollte also ein europäischer Trainer keinen Erfolg haben? Auf der anderen Seite gibt es in der NBA womöglich zurecht eine Grundskepsis gegenüber europäischen Trainern. In Europa sind die Trainer die Mächtigen in einem Klub, die NBA hingegen gilt nicht umsonst als die "Liga der Spieler". Die Superstars mit den Megaverträgen bestimmen maßgeblich mit, wie die Taktik aussieht, wer verpflichtet wird - und sogar, von wem er trainiert wird. Sich auf diese Umstände einzustellen, fällt einem hochdekorierten Trainer aus Europa sicherlich sehr schwer. Hinzukommt die finanzielle Dimension: Direkt aus Europa kommend in der NBA zum Head Coach benannt zu werden, ist sehr unwahrscheinlich. Dafür fehlt dem europäischen Basketball schlichtweg das Standing. Daher müsste man als Assistent anfangen und sich hocharbeiten - aber welcher Trainer ist schon dazu bereit, wenn er in Europa ein paar Millionen Euro pro Jahr verdienen kann? Herr Messina nahm es anders als ein David Blatt auf sich - und weiß dank seiner überragenden Erfolge zumindest eine kleine Lobby hinter sich. Von daher, Herr Messina, wie schaut's denn bei Ihnen aus?

Ettore Messina: Vorweg: Ich hatte nie das Ziel, in der NBA als Head Coach zu arbeiten. Man kann sich nur ein Ziel setzen, wenn man die Umstände bis zum gewissen Grad kontrollieren kann. Ob ich jedoch in der NBA als Head Coach in Frage komme, kann ich in keinster Weise beeinflußen. Von daher genieße ich einfach nur die Zeit bei den Lakers.

Gruber: Welche Vorzüge und welche Nachteile sehen Sie in der NBA verglichen zu Europa?

Messina: Der von Ihnen angesprochene Punkt stimmt: Nach 22 Jahren als Head Coach bei einem europäischen Team plötzlich nur ein Teil des Trainerstabs in der NBA zu sein, erfordert eine große Umstellung. Allerdings macht es riesigen Spaß, ein komplett neues Basketball-System kennenzulernen mit all ihren Erfordernissen. Wegen den vielen Spielen gibt es nur wenig Zeit, um im Training an den Basics zu arbeiten. Das bedeutet, dass man extrem effizient trainieren und gleichzeitig darauf aufpassen muss, dass die nötige Regeneration nicht vernachlässigt wird. Das ist ein schmaler Grat. Trotz des engen Terminplans ist es jedoch faszinierend, auf was für einem hohen Niveau sich die NBA bewegt. Das Talent, die Athletik, das alles ist atemberaubend. Entsprechend verstehe ich es auch, dass man sich als Europäer erstmal Vertrauen verdienen muss, um in der NBA eine verantwortliche Position zugetragen zu bekommen.

Philipp Dornhegge: Das betrifft ja auch die europäischen Spieler. Sie haben es schon nicht leicht, sich in der NBA einen Namen zu machen. Warum sollten es Trainer leichter haben? Wenn ich mich nicht täusche, hatte Dirk Bauermann schon mal Angebote für eine Assistenztrainerstelle in der NBA. Die hätte er als Einstieg nutzen und sich nach und nach einen Namen machen können. Ich glaube sogar, dass ein Europäer einem NBA-Team in punkto Teamspiel und vor allem bei der Zonenverteidigung wichtige Impulse geben könnte. Die Amis mögen die Zone zwar überwiegend nicht, aber dass sie auch in der NBA funktioniert, haben die Mavs letztes Jahr gezeigt. Ob große europäische Trainer allerdings Lust haben, sich in Übersee wie Praktikanten wieder ganz hinten anzustellen, ist eine ganz andere Frage. Da kann ich Bauermann, um beim Beispiel zu bleiben, schon verstehen. Ganz grundsätzlich: Ein Trainer, der sich in der NBA durchsetzen will, muss sich umstellen. Der größte Unterschied ist vermutlich die totale Fixierung auf Franchise Player. In Europa gibt es auch große Spieler, vielleicht sogar unersetzliche Spieler. Aber die werden im Spiel ganz anders genutzt, Eins-gegen-eins-Situationen sieht man nur in Ausnahmesituationen. Abseits des Platzes haben sich diese Spieler unterzuordnen wie alle anderen auch. Am Beispiel Orlando sieht man derzeit in bizarrster Form, wie die NBA funktioniert. Da kann ein einzelner Spieler eine ganze Franchise in den sportlichen Ruin treiben. Das muss man wissen. Es gibt auch Amerikaner, wie eben Stan van Gundy, die sich damit nicht abfinden. Das war vermutlich ein Grund für den Dauerstress mit Dwight Howard. Die meisten aber tun es. Und wenn ein europäischer Coach gut ist und diese Tatsache akzeptiert, dann kann es klappen, glaube ich.

Messina: Ganz entscheidend ist es zu akzeptieren, dass Europa und NBA nicht zu vergleichen sind. In Europa sind die Mannschaften ganz anders organisiert, viele Trainer können sogar über die Grundausrichtung eines Klubs mitentscheiden. In der NBA hingegen geht es ganz anders zu. Das ist nicht schlechter und nicht besser, sondern einfach nur anders.

Dornhegge: Was haben Sie gedacht, als Howard eine Entlassung von van Gundy gefordert hat?

Messina: Ich lese darüber und lerne. Mehr möchte ich nicht sagen. (lacht)

Florian Regelmann: Eine Facette, die sehr interessant ist: Dass es in der NBA keinen europäischen Head Coach gibt, ist die eine Sache, aber noch bemerkenswerter ist es, dass es in der NHL keinen europäischen Head Coach gibt. Über 20 Prozent der Spieler kommen aus Europa, es waren sogar schon mal viel mehr, da würde man ja denken, dass ein europäischer Head Coach in der NHL durchaus angebracht wäre. Aber nix da. 2000/2001 waren Ivan Hlinka und Alpo Suhonen die ersten europäischen Cheftrainer in der NHL und beide waren nach einem Jahr gescheitert. Seitdem hat sich als Folge daraus kein GM mehr solch ein Experiment getraut. Einer müsste beweisen, dass es geht und das Eis brechen, aber das Problem ist, dass europäische Top-Coaches, ob im Eishockey oder Basketball, bereit sein müssten, sich über einen Coaching-Job in den Minors oder einen Assistant-Job in der NBA/NHL hochzuarbeiten, das sind sie aber nicht, weil sie in Europa gute Jobs haben und große Nummern sind. Finde ich schwach, dass viele nicht diesen Ehrgeiz haben. Aber ich sehe nicht, dass sich da bald etwas ändern wird. Schade.

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