Die jungen Oklahoma City Thunder fordern die Veteranen heraus, Kobe Bryant arbeitet an der eigenen Legende und der Italiener Andrea Bargnani polarisiert trotz All-Star-Stats wie einst Dirk Nowitzki. Die SPOX-Redakteure Haruka Gruber und Florian Regelmann diskutieren mit Triangle-Offense-Experte Philipp Dornhegge und Trainer-Legende Ettore Messina, derzeit als Berater Teil des Lakers-Coaching-Staffs tätig.
GettyThese: Oklahoma City ist zu jung für die Championship
Philipp Dornhegge: Ich glaube, dass Teams, die aufgrund ihrer Tiefe Verletzungen gut kompensieren können oder erst gar keine nennenswerten hatten, dieses Jahr vorne mitspielen werden. Oklahoma City blieb da weitgehend verschont, auch wenn Eric Maynor natürlich kein unwesentlicher Verlust ist. Mit der Klasse, die Durant und Westbrook verkörpern, können die Thunder dieses Jahr gewinnen - Jugend hin oder her. Ich glaube aber nicht, dass sie es schaffen werden. Ich setze im Westen auf die Spurs, und dass nicht nur, weil sie mit Duncan, Parker und Ginobili so viel Erfahrung haben. Nein, die Spurs sind so unglaublich tief besetzt, dass einem schon fast schwindlig werden kann. Mit Stephen Jackson und Boris Diaw haben sie während der Saison Spieler dazu geholt, die perfekt zu San Antonios Basketball passen, Kawhi Leonard müsste eigentlich ein Rookie-Of-The-Year-Kandidat sein, dazu Neal, Green, Bonner, Blair und der immer besser werdende Splitter. San Antonio kann dank der jungen Leute schnell spielen, beherrscht aber auch perfekten Half-Court-Basketball und verteidigt seit jeher stark. Die Spurs werden den Westen gewinnen, aber das nicht wegen ihres Alters, sondern weil sie schlichtweg besser sind als Oklahoma City.
Florian Regelmann: Es gibt eine Sache, die mich bei den Thunder einfach beunruhigt. Turnover. Es gibt kein Team in der gesamten NBA, das sich so viele Ballverluste leistet. Ich wiederhole: OKC ist in dieser Kategorie absolut Letzter. Coach Brooks ist davon die ganze Saison schon genervt, aber sie kriegen es einfach nicht in den Griff. Klar ist, dass ihnen das in den Playoffs das Genick brechen kann. Zumal OKC auch wenige Turnover des Gegners kreiert. Ich gebe auch gerne zu, dass ich weiterhin null Vertrauen in Westbrook habe. Kurzum: Ich sehe die Spurs auch vorne. Die Tiefe ist wirklich kaum in Worte zu fassen, und das sind alles Spieler, die sowohl Defense als auch Offense spielen. Vor allem der Stephen-Jackson-für-Richard-Jefferson-Deal war ein grandioser Schachzug. Die Spurs sind für mich das Team to beat, aber ich sehe auch die Lakers oder Grizzlies als Teams, die ein schwieriges Matchup wären für die Thunder.
Haruka Gruber: Turnover ist der entscheidende Punkt, weil die Statistik viel mehr aussagt als die blanke Zahl an Ballverlusten. Zugegeben: Westbrook spielt besser und konstanter, als ich es für möglich gehalten habe. Dennoch bleiben seine 3,5 Turnover pro Partie - und das trotz der schlampigen Defense von vielen Gegnern in der Regular Season. Wenn in den Playoffs die Intensität von allen Mannschaften ins Unermessliche steigt, wird er garantiert noch häufiger den Ball verlieren - und wieder für Chaos sorgen wie im Vorjahr gegen Dallas. In den Playoffs regieren Setplays. Jeder Angriff ist zäh, bei jedem Angriff muss auf die Shot Clock geachtet werden. Ich bezweifele aber, dass Westbrook die Reife mitbringt, um geduldig die Spielzüge durchzulaufen. Er neigt immer noch zum Überdrehen. Harden wäre mit seiner Fähigkeit, sich selbst und anderen Würfe zu kreieren, immens wichtig gewesen, als umso schwerwiegender könnte sich seine Gehirnerschütterung erweisen. Wenn er in der ersten Runde gegen Dallas nicht fit ist, schließe ich eine Überraschung nicht aus. Dass die Mavs Westbrook vom Scoren abhalten können, haben sie in der Regular Season bereits bewiesen. Zwar verlor Dallas 3 von 4 Spielen, aber es hätte auch alle gewinnen können, so knapp ging es zu. Für OKC wird es auch in diesem Jahr nicht reichen. Alleine im Westen bringen die Spurs und die Lakers nicht nur Talent mit, sondern eben auch Erfahrung und Toughness. Den Beweis müssen die Thunder erst erbringen.
Playoffs im LIVE-TICKER: Oklahoma City Thunder - Dallas Mavericks, So., 3.15 Uhr
Ettore Messina: Schön, dass auch die Lakers erwähnt werden. (lacht) Als Mitglied des Lakers-Coaching-Staffs möchte ich nicht zu viel über andere Teams sprechen, weil es immer respektlos rüberkommen könnte. Aber natürlich setzen wir bei den Lakers darauf, dass in den Playoffs die Erfahrung eine besonders große Bedeutung zukommt. Aber nur Erfahrung reicht nicht, es geht auch um die richtige Attitüde, um die richtige Mentalität. Der gravierende Unterschied zwischen den Regular Season und den Playoffs ist der Druck. Würfe, die in der Regular Season jedes Mal fallen, wollen in den Playoffs einfach nicht reingehen. Das ist Fakt und darauf muss man sich einstellen - aber das kann nicht jedes Team. Solide Defense, Spielzüge aus dem Half Court: Der Basketball in den Playoffs ist ein ganz anderer. Und Mannschaften wie die Lakers, die Spurs oder die Mavs wissen eben genau, was diese Art des Basketballs ausmacht. Sie können ihr Spiel auf das nächst höhere Level bringen, wenn es sein muss. Daher bin ich sehr zuversichtlich, dass wir dieses Jahr weit kommen werden.
These 2: Kobe gehört schon jetzt in die Riege von Bird, Magic und Kareem
These 3: Europäische Trianer haben in der NBA keine Zukunft
These 4: Die Euroleague hat den NBA-Lockout genutzt und aufgeholt
These 5: Bargnani ist mit Verspätung auf dem Weg zum nächsten Nowitzki
GettyThese: Kobe gehört schon jetzt in die Riege von Bird und Magic
Ettore Messina: Ein Privileg bei meinem Job in LA ist es, jeden Tag mit Kobe zu arbeiten. Er gehört definitiv zu der absoluten Elite in der Geschichte der NBA und in eine Reihe mit Bird und Magic. Was will man von einem Spieler mehr? Welcher Spieler soll besser sein als er? Er trägt immer Verantwortung und spielt nach wie vor auf einem überragenden Niveau. Seine Leistungen in dieser Saison sind großartig und wir gehören zu den Topteams, obwohl wir mit einer neuen Mannschaft und einem neuen Trainer ins Jahr gegangen sind. Kobe ist einfach da, wenn man ihn braucht. Und: Immer, wenn man denkt, dass man alles von Kobe gesehen hat, überrascht er einen. Seine Akribie, sein Fleiß, sein Anspruch an sich selbst, das alles ist einzigartig. Er ist einer der Großen, ganz sicher.
Florian Regelmann: Meine Rede. Mir geht vor allem diese ganze "Kobe ist ja so ein Egoist"-Nummer tierisch auf die Nerven. Kobe ist ein Killer, einer der besten Closer aller Zeiten und darf sich jeden, ich betone, JEDEN Schuss nehmen, den er nehmen will. Hallo? Er ist Kobe. Der Typ hat mal 81 Punkte gemacht. Und das nicht im Mittelalter, sondern 2006. Außerdem wird mir viel zu wenig gewürdigt, dass er auch ganz nebenbei einer der toughsten Spieler ist, die es gibt. Das hat er auch in dieser Saison wieder bestätigt. Und was die These angeht: Es gibt genau ein Kriterium, das darüber entscheidet, ob Kobe in diese Riege gehört: Championship Rings. Kobe hat 5. Wie viele Spieler gibt es, die mindestens. 5 Ringe und 2 Finals MVP-Trophys haben? Jordan, Magic, Kareem, Kobe. Das ist die gesamte Liste. Mehr muss ich nicht wissen.
Philipp Dornhegge: Nein, Kobe wird niemals den Status von Bird, Magic und schon gar nicht von Jordan erreichen. Dass er der beste Spieler seiner Generation ist - und das schließt aufgrund seiner Crunchtime-Qualitäten auch LeBron ein - ist für mich Fakt. Dennoch hat Kobe den Sprung in den absoluten Olymp nie geschafft. Und das liegt aus meiner Sicht an zwei Dingen: Einerseits ist er eine enorm polarisierende Persönlichkeit, die viele Fans schlicht und einfach nicht mögen und die ihm allein deshalb die Anerkennung verweigern. Magic, Bird und Jordan waren da über jeden Zweifel erhaben. Kein Celtics-Fan würde Magic seine Einzigartigkeit absprechen, genauso wenig wie die Lakers-Fans Bird schlecht machen würden oder könnten. Und das hat einen Grund: Sie haben die viel zu selten zu beobachtende Qualität, die "ESPN"-Kolumnist Bill Simmons "The Secret" nennt. Damit ist gemeint: Sie haben verstanden, was nötig ist, um als Team erfolgreich zu sein. Dass jeder einzelne Spieler Opfer bringen, dass man seinen Mitspielern vertrauen muss und dass man zusammen gewinnt und zusammen verliert. Jordan musste das erst lernen, tat in seinen späteren Jahren aber instinktiv das Richtige. Kobe hat bis heute nicht verstanden, dass er Teil eines Teams ist.
Haruka Gruber: Philipp, ich bin bestimmt kein Kobe-Fan - aber das ist zu platt argumentiert. Klar, Kobe ist nicht sympathisch, nicht lustig und nicht charmant. Wenn Magic lacht, muss man mitlachen. Wenn Kobe lacht, wirkt es manchmal berechnend und eiskalt. Und genauso spielt er auch. Geht einem das Herz auf, wenn Kobe Feuer fängt? Mir nicht. Und so ergeht es glaube ich vielen. Manchmal habe ich sogar den Eindruck, dass die meisten Journalisten und Fans nur darauf warten, dass er endlich mal schlechte Leistungen bringt, um auf ihn draufhauen zu können. Aber: Diese Antipathie ist auch ein Zeichen von Anerkennung. Er wird nie geliebt wie Magic und Bird - aber er wird gefürchtet. Daher gehört er schon jetzt in die Riege der Legenden.
These 1: Oklahoma City ist zu jung für den großen Wurf
These 3: Europäische Trainer haben in der NBA keine Zukunft
These 4: Die Euroleague hat den NBA-Lockout genutzt und aufgeholt
These 5: Bargnani ist mit Verspätung auf dem Weg zum nächsten Nowitzki
GettyThese: Europäische Trainer haben in der NBA keine Zukunft
Haruka Gruber: Ja, die These stimmt. Erstmal sehe ich keinen europäischen Trainer, der in der NBA eine Head-Coaching-Stelle bekommen könnte - vielleicht mit einer Ausnahme: Ettore Messina. Auf der einen Seite wäre es spannend zu sehen, wie ein europäischer Trainer mit einem eurpäisch geprägten Basketball-Verständnis abschneiden würde. Es war ja auffällig, dass die Mavs unter Rick Carlisle letzte Saison sehr europäisch spielten und so Meister wurden. Isolation und Pick'N'Roll in der Offense, die Variation zwischen Mann- und Zonenverteidigung in der Defense - Dallas hatte solch einen Erfolg, weil es die fundamentalen Grundlagen des Sports besser umgesetzt hat als alle anderen. In einem Wort: Sie spielten Euro-Basketball. Warum sollte also ein europäischer Trainer keinen Erfolg haben? Auf der anderen Seite gibt es in der NBA womöglich zurecht eine Grundskepsis gegenüber europäischen Trainern. In Europa sind die Trainer die Mächtigen in einem Klub, die NBA hingegen gilt nicht umsonst als die "Liga der Spieler". Die Superstars mit den Megaverträgen bestimmen maßgeblich mit, wie die Taktik aussieht, wer verpflichtet wird - und sogar, von wem er trainiert wird. Sich auf diese Umstände einzustellen, fällt einem hochdekorierten Trainer aus Europa sicherlich sehr schwer. Hinzukommt die finanzielle Dimension: Direkt aus Europa kommend in der NBA zum Head Coach benannt zu werden, ist sehr unwahrscheinlich. Dafür fehlt dem europäischen Basketball schlichtweg das Standing. Daher müsste man als Assistent anfangen und sich hocharbeiten - aber welcher Trainer ist schon dazu bereit, wenn er in Europa ein paar Millionen Euro pro Jahr verdienen kann? Herr Messina nahm es anders als ein David Blatt auf sich - und weiß dank seiner überragenden Erfolge zumindest eine kleine Lobby hinter sich. Von daher, Herr Messina, wie schaut's denn bei Ihnen aus?
GettyEttore Messina: Vorweg: Ich hatte nie das Ziel, in der NBA als Head Coach zu arbeiten. Man kann sich nur ein Ziel setzen, wenn man die Umstände bis zum gewissen Grad kontrollieren kann. Ob ich jedoch in der NBA als Head Coach in Frage komme, kann ich in keinster Weise beeinflußen. Von daher genieße ich einfach nur die Zeit bei den Lakers.
Gruber: Welche Vorzüge und welche Nachteile sehen Sie in der NBA verglichen zu Europa?
Messina: Der von Ihnen angesprochene Punkt stimmt: Nach 22 Jahren als Head Coach bei einem europäischen Team plötzlich nur ein Teil des Trainerstabs in der NBA zu sein, erfordert eine große Umstellung. Allerdings macht es riesigen Spaß, ein komplett neues Basketball-System kennenzulernen mit all ihren Erfordernissen. Wegen den vielen Spielen gibt es nur wenig Zeit, um im Training an den Basics zu arbeiten. Das bedeutet, dass man extrem effizient trainieren und gleichzeitig darauf aufpassen muss, dass die nötige Regeneration nicht vernachlässigt wird. Das ist ein schmaler Grat. Trotz des engen Terminplans ist es jedoch faszinierend, auf was für einem hohen Niveau sich die NBA bewegt. Das Talent, die Athletik, das alles ist atemberaubend. Entsprechend verstehe ich es auch, dass man sich als Europäer erstmal Vertrauen verdienen muss, um in der NBA eine verantwortliche Position zugetragen zu bekommen.
Philipp Dornhegge: Das betrifft ja auch die europäischen Spieler. Sie haben es schon nicht leicht, sich in der NBA einen Namen zu machen. Warum sollten es Trainer leichter haben? Wenn ich mich nicht täusche, hatte Dirk Bauermann schon mal Angebote für eine Assistenztrainerstelle in der NBA. Die hätte er als Einstieg nutzen und sich nach und nach einen Namen machen können. Ich glaube sogar, dass ein Europäer einem NBA-Team in punkto Teamspiel und vor allem bei der Zonenverteidigung wichtige Impulse geben könnte. Die Amis mögen die Zone zwar überwiegend nicht, aber dass sie auch in der NBA funktioniert, haben die Mavs letztes Jahr gezeigt. Ob große europäische Trainer allerdings Lust haben, sich in Übersee wie Praktikanten wieder ganz hinten anzustellen, ist eine ganz andere Frage. Da kann ich Bauermann, um beim Beispiel zu bleiben, schon verstehen. Ganz grundsätzlich: Ein Trainer, der sich in der NBA durchsetzen will, muss sich umstellen. Der größte Unterschied ist vermutlich die totale Fixierung auf Franchise Player. In Europa gibt es auch große Spieler, vielleicht sogar unersetzliche Spieler. Aber die werden im Spiel ganz anders genutzt, Eins-gegen-eins-Situationen sieht man nur in Ausnahmesituationen. Abseits des Platzes haben sich diese Spieler unterzuordnen wie alle anderen auch. Am Beispiel Orlando sieht man derzeit in bizarrster Form, wie die NBA funktioniert. Da kann ein einzelner Spieler eine ganze Franchise in den sportlichen Ruin treiben. Das muss man wissen. Es gibt auch Amerikaner, wie eben Stan van Gundy, die sich damit nicht abfinden. Das war vermutlich ein Grund für den Dauerstress mit Dwight Howard. Die meisten aber tun es. Und wenn ein europäischer Coach gut ist und diese Tatsache akzeptiert, dann kann es klappen, glaube ich.
Messina: Ganz entscheidend ist es zu akzeptieren, dass Europa und NBA nicht zu vergleichen sind. In Europa sind die Mannschaften ganz anders organisiert, viele Trainer können sogar über die Grundausrichtung eines Klubs mitentscheiden. In der NBA hingegen geht es ganz anders zu. Das ist nicht schlechter und nicht besser, sondern einfach nur anders.
Dornhegge: Was haben Sie gedacht, als Howard eine Entlassung von van Gundy gefordert hat?
Messina: Ich lese darüber und lerne. Mehr möchte ich nicht sagen. (lacht)
Florian Regelmann: Eine Facette, die sehr interessant ist: Dass es in der NBA keinen europäischen Head Coach gibt, ist die eine Sache, aber noch bemerkenswerter ist es, dass es in der NHL keinen europäischen Head Coach gibt. Über 20 Prozent der Spieler kommen aus Europa, es waren sogar schon mal viel mehr, da würde man ja denken, dass ein europäischer Head Coach in der NHL durchaus angebracht wäre. Aber nix da. 2000/2001 waren Ivan Hlinka und Alpo Suhonen die ersten europäischen Cheftrainer in der NHL und beide waren nach einem Jahr gescheitert. Seitdem hat sich als Folge daraus kein GM mehr solch ein Experiment getraut. Einer müsste beweisen, dass es geht und das Eis brechen, aber das Problem ist, dass europäische Top-Coaches, ob im Eishockey oder Basketball, bereit sein müssten, sich über einen Coaching-Job in den Minors oder einen Assistant-Job in der NBA/NHL hochzuarbeiten, das sind sie aber nicht, weil sie in Europa gute Jobs haben und große Nummern sind. Finde ich schwach, dass viele nicht diesen Ehrgeiz haben. Aber ich sehe nicht, dass sich da bald etwas ändern wird. Schade.
These 1: Oklahoma City ist zu jung für den großen Wurf
These 2: Kobe gehört schon jetzt in die Riege von Bird, Magic und Kareem
These 4: Die Euroleague hat den NBA-Lockout genutzt und aufgeholt
These 5: Bargnani ist mit Verspätung auf dem Weg zum nächsten Nowitzki
GettyThese: Die Euroleague hat den NBA-Lockout genutzt und aufgeholt
Florian Regelmann: Ich kann damit nichts anfangen, wenn man davon spricht, dass die Euroleague aufgeholt hätte. Die Euroleague kann meines Erachtens gar nicht aufholen, weil es kein Wettbewerb ist. Europäischer Basketball und die NBA sind zwei völlig verschiedene Welten, das kann man nicht vergleichen und man sollte es einfach nicht tun. Das Euroleague Final Four ist qualitativ ganz ohne Frage hochwertiger als so manches grauenvolle NBA-Spiel, die BBL ist spannend wie lange nicht, es macht Spaß, sich das reinzuziehen. Das gleiche gilt für Eishockey, wo in Europa auch Hammersport geboten wird, da muss man nur an die Dramatik der DEL-Finals denken. Das ist klasse, aber niemand würde deshalb eine Konkurrenzsituation zur NHL oder NBA sehen. Die US-Sport-Ligen sind das Nonplusultra und werden das immer bleiben, das soll auch so sein, aber Europa rockt auch. So geht es mir zumindest.
Ettore Messina: Um nicht falsch verstanden zu werden: Ich liebe die Euroleague. Und sie wird in der NBA durchaus respektiert. Kein Basketballer in den Staaten gibt sich der Illusion hin, dass er einfach mal nach Eurpa wechseln kann und die Euroleague dominiert. Jeder weiß, dass man richtig gut sein muss, um bei einem europäischen Top-Verein unterzukommen. Dennoch muss man nüchtern konstatieren, dass nichts passiert ist. Wie Florian richtig sagt: Die Euroleague und die NBA sich zwei verschiedene Paar Schuhe. Beides ist aufregend, beides ist toll - aber beides zu vergleichen macht keinen Sinn. Was mir persönlich im Zuge des Lockouts überhaupt nicht gefallen hat war das Verhalten einiger europäischer Klubs. Sie nutzten die Chance und verpflichteten Spieler aus der NBA - obwohl sie das Risiko kannten, dass diese ohne Vorwarnung zurückkehren könnten, wenn der Streik beigelegt wird. So kam es zu der Situation, dass eine Mannschaft plötzlich stark geschwächt war und dadurch der Wettbewerb verzerrt wurde. So verliert die Euroleague unnötig ein bisschen an Glaubwürdigkeit.
Philipp Dornhegge: Ich finde es schwierig, dass genau einzuschätzen. Als Sportjournalisten beschäftigen wir uns natürlich tagtäglich und sehr intensiv mit Basketball. Und das wahrscheinlich auf eine Art und Weise, die nicht unbedingt vergleichbar ist mit der Art, wie ein "normaler" Fan Basketball schaut. Es ist ja praktisch unsere Pflicht, BBL-Spiele zu sehen und die Euroleague zu verfolgen. Dadurch können wir genau sehen, dass der Basketball hierzulande so interessant ist wie vielleicht noch nie zuvor. Dazu muss man aber erstmal einschalten, und ich bin nicht sicher, ob die breite Masse das auch tut. Deswegen bleibe ich jetzt mal bei meinem persönlichen Empfinden, und das sagt ganz klar, dass Europa im Kommen ist. Leute wie Kirilenko oder Krstic haben die Euroleague ganz klar aufgewertet, die Bundesliga profitiert enorm von Bayern München. Berlin hat eine riesige Arena, Bonn und Frankfurt haben viele Fans und Bamberg ist ein Hexenkessel, das infrastrukturelle Niveau und der Zuspruch der Fans sind insgesamt richtig gut. Und der BBL scheint es wirtschaftlich ganz gut zu gehen. Wie man hört, beneiden uns viele Länder darum. Die NBA ist halt die NBA, die Fanboys werden weiter nur Richtung USA schauen. Aber ich muss sagen, dass ich total zufrieden bin mit dem, wie sich der Basketball in Europa und Deutschland entwickelt.
Haruka Gruber: Ganz so positiv wie Philipp sehe ich es nicht, die Meinung von Florian ist mir aber wiederum zu negativ. Was mir an der Euroleague sehr gut gefällt: Dass die Verantwortlichen die Zeichen der Zeit erkannt haben und versuchen, Märkte wie Deutschland zu erschließen, die vorher vernachlässigt wurden. Die NBA hätte eine Chance, in jedem Land der Welt große Resonanz hervorzurufen: Sie haben Superstars, sie haben Action, sie haben im Grunde alles - nur: Es ist ein Armutszeugnis, dass es die NBA nicht schafft, in Deutschland als den wichtigsten europäischen Markt präsenter zu sein. Von daher begrüße ich es, wie die Euroleague versucht, nicht nur in tradtionell starken Ländern wie Spanien oder Griechenland stattzufinden. Ob die Offensive irgendwann von Erfolg gekrönt sein wird, weiß ich aber nicht. Nur ein Beispiel: Die BBL ist spannend wie selten und die Bayern bringen Dynamik in die Entwicklung - aber wie man hört, hat bei den TV-Quoten selbst beim Double-Overtime-Thriller FC Bayern gegen Bamberg nicht den Hauch einer Chance gegen Handball, ganz zu schweigen von Fußball. Dass das Final-Four-Turnier der Euroleague in der Nische von "Sport1+" verschwindet, ist ein weiterer Beweis für das fehlende Interesse in der Breite. Aber wer weiß, was passiert, wenn ein deutsches Team, idealerweise die Bayern, in der Euroleague mal erfolgreicher spielt. Doch bis das mal Realität wird, werden mindestens fünf Jahre vergehen.
These 1: Oklahoma City ist zu jung für den großen Wurf
These 2: Kobe gehört schon jetzt in die Riege von Bird, Magic und Kareem
These 3: Europäische Trianer haben in der NBA keine Zukunft
These 5: Bargnani ist mit Verspätung auf dem Weg zum nächsten Nowitzki
GettyThese: Bargnani ist mit Verspätung auf dem Weg zum nächsten Nowitzki
Philipp Dornhegge: Zunächst einmal: Was genau verleitet uns zu dieser Annahme? Er konnte die Vorschusslorbeeren bisher nicht rechtfertigen und wird das wohl auch nie tun. Er mag eine ordentliche Saison spielen, aber überragend ist die nun auch nicht und in Erfolgen spiegeln sich seine Leistungen auch nicht wider. Ich glaube, dass er sein Rolle als richtig guter NBA-Spieler gefunden hat, aber nie darüber hinauskommen wird. Wenn man sich allein seine Rebound-Zahlen anschaut: 5,5 Rebunds im Schnitt sind für einen 2,13-Meter-Mann mit über 30 Minuten Spielzeit schon erbärmlich. Der Vergleich mit Nowitzki hinkt aus meiner Sicht völlig. Er ist ein guter Schütze und als solcher mit Sicherheit auch in Drucksituationen nervenstark. Aber er ist weit entfernt von der Killer-Mentalität, die Nowitzki in der NBA in einem Maße verkörpert wie sonst nur Kobe, Melo oder Durant. Ich möchte Bargnani allerdings zugestehen, dass er mir im Nationalteam richtig gut gefällt. Italien hat ja bei der letzten EM schon enttäuscht. Eine Mannschaft mit drei etablierten Spielern wie Belinelli, Gallinari und eben Bargnani hätte ruhig mehr erreichen können. Ich bin aber der Meinung, dass gerade Bargnani getan hat, was er konnte. Auf europäischem Niveau ist er eben doch ein guter Rebounder, vor allem ein echter Shotblocker und dazu hat er ganz wichtige Würfe getroffen, ohne dabei egoistisch zu sein. Wenn sich Gallinari weiter entwickelt und Belinelli mannschaftsdienlicher spielt, dann halte ich die Italiener in den kommenden Jahren für eine Mannschaft mit Potenzial.
spoxEttore Messina: Potenzial ist in Italien vorhanden, doch wir haben das gleiche Problem wie Deutschland: Ihr habt Nowitzki, wir haben Bargnani, Gallinari und Belinelli - doch bei beiden Ländern fehlt die Tiefe. Die Spieler, die nicht in der NBA sind, müssen hervortreten und den Erwartungen gerecht werden, aber derzeit ist die Lücke einfach zu groß. Zu Andrea: Ich habe ihn drei Jahre trainiert und kenne ihn sehr, sehr gut. Die Parallelen zu Dirk sind offensichtlich und Andrea bringt ebenfalls großes Talent mit. Aus meiner Sicht wurde Andrea bisher von zwei Faktoren am Durchbruch gehindert. Punkt eins: In Toronto gab es lange keine Kontiunität. Wenn diese bei den Raptors einkehrt und höhere Ambitionen verfolgt werden können, wird Andrea enorm profitieren, davon bin ich überzeugt. Punkt zwei: Für mich ist Andrea ein klarer Power Forward und kein Center.
Playoffs im LIVE-TICKER: Oklahoma City Thunder - Dallas Mavericks, So., 3.15 Uhr
Haruka Gruber: Genau das ist das große Missverständnis: Bargnani ist wie Dirk ein Power Forward. Ich habe noch nie verstanden, wie man auf die Idee kommen kann, ihn als Center einzusetzen. Selbst im absoluten Notfall findet sich irgendein D-League-Big-Man, der als Center geeigneter ist, damit Andrea auf der Vier spielen kann. Natürlich muss er mit seinen 2,13 Metern mehr Rebounds holen, andererseits steigern sich seine Rebound-Zahlen garantiert, wenn er auf der Power-Forward-Position auf weniger physische und bullige Gegenspieler trifft. Dirk wurde in der NBA über Jahre im Kern vielleicht richtig, aber übertrieben hart attackiert. Genau den gleichen Fehler sollte man bei Bargnani nicht begehen: Er hat sich in den letzten Jahren immer weiter entwickelt und sich anders als ein Milicic von der Kritik nicht entmutigen lassen. Das ist schon mal etwas. Ein nächster Dirk wird er womöglich nie - aber: Bargnani ist erst 26 Jahre alt, trifft 20 Punkte im Schnitt und bekommt in der kommenden Saison mit der litauischen Teenie-Sensation Valanciunas einen Center an die Seite gestellt, damit er zukünftig als Power Forward auflaufen kann. Valanciunas wird seine Zeit zur Umstellung brauchen, doch in ein, zwei Jahren könnten beide einen fantastischen Euro-One-Two-Punch bilden.
Florian Regelmann: Bisher wurde Bargnani in Toronto gefangen gehalten, das ist hart. Aber noch schlimmer ist für ihn, dass er in der Kategorie "Fantasy-Spieler" gefangen ist. Toller Scorer, toller Schuss - aber das Potenzial, um wirklich mal Superstar-Status zu erlangen, sehe ich einfach nicht. Dass seine Rebound-Zahlen ein schlechter Witz sind, weiß jeder, aber er hat vor allem auch nicht die Persönlichkeit, um mal in die Nähe von Nowitzki zu kommen. Im Gegensatz zu Landsmann Gallinari. Gallo kann man spielerisch mit Dirk nicht vergleichen, weil er ein ganz anderer Typ ist. Dirk ist ein purer Scorer, während Gallo als Point Guard aufgewachsen und viel mehr der Playmaker ist. Das ist seine Mentalität. George Karl hat Detlef Schrempf gecoacht und Gallinari mit ihm verglichen. Was Gallinari so besonders macht, ist sein komplettes Paket an verschiedenen Skills. Ich habe das vor Jahren gesagt und ich bleibe dabei: Ich bin großer Fan von Gallo, wenn der Junge in Denver endlich mal verletzungsfrei bleibt, wird er nicht auf Nowitzki-Niveau kommen, das wäre etwas viel verlangt, aber Gallinari wird mal der beste Europäer in der NBA sein. Und nicht Bargnani.
These 1: Oklahoma City ist zu jung für den großen Wurf
These 2: Kobe gehört schon jetzt in die Riege von Bird, Magic und Kareem
These 3: Europäische Trainer haben in der NBA keine Zukunft
These 4: Die Euroleague hat den NBA-Lockout genutzt und aufgeholt