NBA

Vor uns die Sintflut?

Von Jérôme Rusch
Die Staring Five der Blazers wurde auseinandergerissen
© getty
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Die jungen Wilden

Vor allem der Frontcourt wurde generalüberholt. Aldridge, Lopez und Batum sind Vergangenheit - die Zukunft soll Al-Farouq Aminu, Mason Plumlee und Noah Vonleh gehören. Im besten Fall wird Aminu mit fortschreitender Entwicklung zum neuen defensiven Leader. Sein überaus fairer Vertrag über vier Jahre und 30 Millionen macht den ehemaligen Maverick zu einer verheißungsvollen Personalie.

Auf der 4 und 5 verfügt Portland über eine variable Tiefe. Mason Plumlee ist athletisch und wird besonders in Korbnähe für Unruhe beim Gegner sorgen - ein Mann fürs Grobe. Dagegen dürfen Meyers Leonard und Noah Vonleh den Distanzwurf ihr Eigen nennen. Besonders Leonard verfügt über exzellentes Shooting-Potential und hat eine erstaunliche Entwicklung genommen: 2013/14 versuchte er sich lediglich sechs Mal von Downtown und traf keinen einzigen dieser Würfe; im letzten Jahr schnellte die Quote dann gen Himmel: 112 Dreierversuche bei 42 Prozent Erfolgsrate.

Damit ergänzt er sich optimal mit Plumlee. Vonleh, vor einem Jahr immerhin auch noch No.9-Pick, ist dagegen der agile und geschmeidige Allrounder. Zugegeben ein Projekt, aber ein Projekt mit einer Menge Upside - im Prinzip wie große Teile des Rosters. Abgerundet wird der ausgewogene und entwicklungsfähige Frontcourt mit den erfahrenen Chris Kaman und Ed Davis.

Auch dem Backcourt steht eine gewichtige Änderung bevor: C.J. McCollum wird aller Voraussicht nach der neue Partner von Lillard. In der Serie gegen die Grizzlies explodierte der Shooting Guard geradezu: 17 Punkte, 4 Rebounds und eine Dreier-Quote von rund 48 Prozent sprechen eine deutliche Sprache. Ob diese Leistung lediglich ein kurzes Hoch darstellt - die Zeit wird es zeigen. Bei etwaigen Leistungsschwankungen steht mit dem aus Charlotte geholten Gerald Henderson ein Veteran bereit, um in die Bresche zu springen.

Quo vadis, Blazers?

Spötter könnten behaupten, die Blazers 2015/16 liefen unter dem Slogan 'Jung, talentiert, gefährdet' auf. Wohin die Reise in Oregon geht, ist reine Zukunftsmusik. Kurzfristig werden die Blazers wohl eines der schlechtesten Teams stellen. Langfristig könnte die Sache dagegen anders aussehen: Die Aussichten der Blazers müssen, auch wenn die nackten Abgänge anderes vermuten lassen, nicht zwangsläufig besorgniserregend sein. Auf der Haben-Seite steht ein talentiertes und formbares Team, welches vielerlei Möglichkeiten bietet.

Stotts steht ein lernwilliger und hoch veranlagter Roster zur Verfügung. Mit anderen Worten: Er kann das Team ganz nach seinen Vorstellungen modellieren. In der gegenwärtigen Situation können die Spieler a) als Einheit wachsen, b) ihre Entwicklung vorantreiben und c) Fehler begehen, durch die sie reifen. Portland kommt zudem zugute, dass etliche Teams im Aufschwung sind und einen Angriff auf die Playoffs starten werden, die zuletzt schlechtere Bilanzen aufwiesen als sie.

Die Blazers dagegen haben aufgrund ihrer Verluste stark abgebaut und werden eine junge Mannschaft aufs Parkett schicken. Eine Mannschaft, die Fehler begehen wird. Eine Mannschaft, die Fehler begehen darf. Eine Mannschaft, die Fehler begehen muss - um sich zu entwickeln. Gerade dem Haifischbecken Western Conference wird ein unerfahrenes Team wie Portland Tribut zollen.

Chance oder Gefahr?

Die Blazers haben beileibe keine Garantie für einen hohen Lottery Pick, aber gewiss gute Voraussetzungen. Der kommende Draft bietet eine breite Masse an Talent, allen voran die Ausnahmetalente Skal Labissiere und Ben Simmons. Falls sich Portland einen der beiden Power Forwards sichern könnte, sähe die Zukunft mit Lillard, Talent und viel Cap Space schon wieder deutlich rosiger aus.

Aus dem zu schöpfenden Talent-Pool im Team entspringt zudem die Quelle etlicher Trade Assets. Im Fall der Fälle kann Portland also auch außerhalb der Draft einen entscheidenden Schritt gehen. So ist beispielsweise Vonleh noch drei weitere Jahre in seinem Rookie-Deal; McCollum und Plumlee besitzen Arbeitspapiere über die kommenden beiden Spielzeiten. Kaman und Henderson haben auslaufende, Aminu und Davis sehr faire Kontrakte.

Dazu der langfristig gebundene Eckpfeiler Lillard. Gerade in Bezug auf ihn weisen die Blazers einen gravierenden Vorteil gegenüber anderen, aufstrebenden Teams wie beispielsweise den Celtics auf: Portland hat seinen (vermeintlichen) Franchise Player bereits. Auf dem Papier also gute Voraussetzungen, um - so sich die Möglichkeit ergibt - an den Verhandlungstisch zu treten und einen weiteren Star nach Oregon zu lotsen.

Selbstredend muss es jedoch nicht annähernd so erfreulich ausgehen. Die Gefahr des Absturzes schwebt wie ein Damoklesschwert über Oregon. Denn ein Rebuild kann sich ziehen. Wenn via Draft zum talentierten Kader lediglich ein weiterer begabter Spieler hinzustößt, aber kein zukünftiger Star. Wenn Lillard nicht den nächsten Schritt gehen wird. Wenn McCollum, Aminu und Leonard zwar brauchbare Rollenspieler, aber keine Konstanten sind.

Wie viel Upside besitzen Talente wie Vonleh, Connaughton, Crabbe und Harkless tatsächlich? Fragen, auf die es (noch) keine Antworten gibt; aber Fragen, die über das Wohl und Wehe von Portland entscheiden. Denn die Blazers stehen vor einem Neuanfang. Ein Neuanfang, der Chance und Gefahr gleichermaßen birgt.

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