Von Stefan Petri
Eins vorweg, Martin: Ich werde hier nicht darauf bestehen, dass Russ NICHT der MVP ist. Dafür habe ich einen viel zu großen Respekt vor der Leistung des personifizierten Donnerschlags. Westbrooks One-Man-Show ist kaum in Worte zu fassen und gerade seine Leistungen in Clutch-Situationen sind einfach nur berauschend. Das Saison-Triple-Double ist im Sack, und wenn er in den verbleibenden 8 Saisonspielen so auftrumpft wie gegen Dallas und Orlando, verschieben sich die Argumente mehr und mehr in seine Richtung.
Ich will hier auch nicht mehr von einem Vierkampf sprechen. Sorry LeBron, aber so wie die Cavaliers in der zweiten Saisonhälfte durch die Gegend taumeln, mit gerade in der Defense eklatanten Schwächen, reicht es in meinen Augen nicht mehr ganz nach vorn. Ja, des Kings Zahlen sind stark, aber das allein reicht nicht.
Wenn alle Welt davon spricht, dass LeBron und die Cavs in den Playoffs ein paar Gänge hochschalten können, dann bedeutet das eben auch, dass sie in der Regular Season ziemlich aufgesteckt haben. Und das ist dann im Gesamtpaket nicht mehr MVP-würdig.
Aber das Ding einfach auf der Zielgeraden abzuhaken - da kann ich nicht mit. Dafür ist die Konkurrenz einfach zu stark. Ich gestehe, dass es sich für mich auch eher um einen Zweikampf zwischen James Harden und Russ handelt, aber Kawhi kann ja auch nichts dafür, dass wir aus seinen sensationellen Leistungen in Offense und Defense keine Schlagzeilen machen und er deswegen medial manchmal ein bisschen untergeht.
Du hast die Stats von Westbrook so schön ausgebreitet, dass ich gar nicht im Einzelnen dazwischen grätschen möchte. Sie sind MVP-würdig. Aber sie sind eben nicht perfekt (Mittelmäßige Effizienz beim Wurf, viele Turnover, die Kollegen bleiben offen außen vor, was das Team nicht unbedingt besser macht ...) - und sie sind eben in dieser Saison auch nicht konkurrenzlos.
Jeder weiß, dass der Bärtige mit 29,3 Punkten, 11,4 Assists, 8 Rebounds und einer Wagenladung Dreier und Freiwürfen (und Triple-Doubles!) auftrumpft und eine fast beispiellose Houston-Offense anführt. Ein Rockets-Team, das die Erwartungen bisher übrigens weiter übertroffen hat als OKC.
Mein Hauptargument ist folgendes: Gerade wenn dich zwei Monsterleistungen von Russ derart mitreißen (in denen er übrigens kaum über 50 Prozent aus dem Feld kam), dann weißt du ja auch, wie viel in den verbleibenden acht Spielen noch passieren kann. Und dass Harden seinerseits ebenfalls Triple-Doubles mit 50 Punkten auflegen und Kawhi Spiele im Alleingang entscheiden kann.
Wenn es also eine Saison gibt, in der man bis zum letzten Spiel mit seiner Wahl warten sollte, dann ist es doch wohl diese. Wir scheinen uns irgendwie immer schneller festzulegen: Im Herbst war Westbrook vorn, dann hatte plötzlich Harden fast überall die Pole Position inne - und jetzt ist Brodie plötzlich durch? Wo noch fast zehn Prozent aller Spiele zu absolvieren sind?
Nicht mit mir. Ich hoffe, dass die beiden noch bis Mitte April voll durchziehen und wir dann die schwerste aller möglichen Wahlen vor uns haben. Zum jetzigen Zeitpunkt kann die Entscheidung meiner Meinung nach noch nicht getroffen werden.
Und wenn wir dann plötzlich mit Co-MVPs dastehen, wie es auch Kobe Bryant für möglich hält: mir auch recht!