NBA

Die Suche nach dem heiligen Gral

Von Simon Haux
LeBron James ist der König des Real Plus-Minus
© getty
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RPM: Das "echte" Plus/Minus?

Das sogenannte Real Plus-Minus (RPM) versucht nun, das "Beste beider Welten" - die Boxscore-Statistik BPM und die Plus/Minus-Metrik RAPM - zu einer noch aussagekräftigeren Zahl zu vereinen. Der Name, den ESPN der von Engelmann entwickelten Formel gab, erscheint zwar etwas überheblich. Die Idee dahinter klingt jedoch einleuchtend: Je mehr Informationen man sammelt und nutzt, desto genauer lässt sich die Realität abbilden.

In den an das Box Plus-Minus angelehnten Boxscore-Teil fließen auch Faktoren wie die Größe, das Gewicht und das Alter eines Spielers sowie dessen Leistungsniveau aus der Vorsaison ein. Zudem wird der Wert von Blocks unterschieden, je nachdem ob der Ball im Anschluß bei einem Verteidiger oder einem gegnerischen Angreifer landet. Auch Defensiv-Rebounds nach Freiwürfen werden geringer gewichtet als solche nach Fehlversuchen aus dem Feld.

Abgesehen von solchen öffentlich bekannten Details müssen sich ESPN, Engelmann und ihr RPM jedoch einen grundlegenden Vorwurf gefallen lassen. Die genaue Formel ist bisher geheim, Fans und Journalisten müssen den Ergebnissen also in gewisser Hinsicht "blind" vertrauen. Außerdem leidet die Metrik natürlich - wenn auch möglicherweise in geringerem Maße als viele andere - unter allen Problemen, die sowohl Boxscore- als auch Plus/Minus-Daten mit sich bringen.

Abhängig von äußeren Faktoren

Die Leistungen von Spielern sind abhängig vom Kontext, werden von ihren Mitspielern, ihrer Rolle im Team, dem Coaching und vielen weiteren Faktoren beeinflusst. Trotz möglichst objektiver Gewichtungen werden außerdem auch weiterhin Aktionen tendenziell unterbewertet, die selbst in detaillierteren Boxscore-Statistiken nicht beobachtet werden können. Dies wirkt sich wie bei allen hier beschriebenen Metriken insbesondere in der Defensive aus. Auf dieser Seite des Feldes sind die Ergebnisse also stets mit besonderer Vorsicht zu genießen.

Darüber hinaus sind statistische Modelle wie RPM immer anfällig für Verzerrungen. Um die angegebenen Werte der Spieler herum liegen daher sogenannte "Vertrauensbereiche", die von der Anzahl der gespielten Minuten abhängen. James Hardens Real Plus-Minus von 4,8 basiert auf einer Spielzeit von beinahe 3.000 Minuten und ist damit relativ verlässlich.

Real Plus-Minus (Saison 2016/17)

Offense

Defense

Total

#

Spieler

Team

ORPM

DRPM

RPM

1

LeBron James

CLE

6.49

1.93

8.42

2

Chris Paul

LAC

5.16

2.76

7.92

3

Stephen Curry

GSW

7.27

0.14

7.41

4

Draymond Green

GSW

1.55

5.59

7.14

5

Kawhi Leonard

SAS

5.83

1.25

7.08

6

Nikola Jokic

DEN

4.44

2.29

6.73

7

Jimmy Butler

CHI

4.82

1.80

6.62

8

Rudy Gobert

UTA

0.35

6.02

6.37

9

Russell Westbrook

OKC

6.74

-0.47

6.27

10

Kyle Lowry

TOR

4.70

1.18

5.88

Dagegen ist der Vertrauensbereich bei Joel Embiid, der in seinem Rookie-Jahr in lediglich 786 Minuten ein RPM von 1,7 auflegte, deutlich größer. So lässt sich grob schätzen, dass sein tatsächlicher Einfluss auf die Punktedifferenz der 76ers mit großer Wahrscheinlichkeit im Bereich zwischen 0 und 3 Punkten pro 100 Ballbesitzen lag. Gerade bei der Bewertung von Spielern, deren Werte nahe beieinander liegen, sollte man also mit definitiven Aussagen und Rankings vorsichtig sein.

Trotz dieser gebotenen Vorsicht liefern Einzahlmetriken wie RPM, BPM und RAPM wertvolle Informationen und Diskussionsgrundlagen für NBA-Fans, Medien, Scouts und Manager. Sie können in Verbindung mit anderen Statistiken den Eye Test ergänzen, bestätigen oder entkräften und auf Spieler hinweisen, deren Rolle und Bewertung man noch einmal überdenken sollte. Der heilige Gral, der endgültige Aussagen über die "besten" oder "schlechtesten" Spieler der NBA zulässt, sind sie jedoch nicht.

So endet die SPOX-Themenwoche genau da, wo sie begonnen hat: bei Warriors-GM Bob Myers und dessen Erkenntnis: "Statistiken sind wie ein Bikini. Sie zeigen viel, aber sie zeigen nicht alles."